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# taz.de -- Lukrative Geschäfte: Chinatown Hamburg
> Hamburg soll ein wichtiger Umschlagsplatz im Projekt „Neue Seidenstraße“
> werden. Das ist nicht ohne Risiko.
Bild: China ante portas: Schon 2008 gastierte vor dem Hamburger Rathaus ein chi…
Hamburg taz | Mitten im Hamburger Hafen gibt es ein Areal namens
Steinwerder, auf dem sich für Hamburger Verhältnisse eine kleine Revolution
abspielen könnte. Vor zwei Jahren hat hier ein chinesisches Konsortium die
Ausschreibung für einen Ideenwettbewerb [1][gewonnen]. Die Chinesen
schlugen vor, einen vollautomatischen Containerterminal zu bauen. Das
Novum: Sie hätten auch die Infrastruktur errichtet – die Kais, die Straßen
– etwas, das der Senat normalerweise nicht aus der Hand gibt.
Das chinesische Angebot fügt sich in ein langfristiges Projekt, das bereits
seit 2015 vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jingping propagiert wird:
die [2][„Neue Seidenstraße“] oder „Belt and Road Initiative“. China wo…
damit „neue Absatzmärkte schaffen, den Yuan internationalisieren, seinen
Import militärisch sichern und Arbeit exportieren“, hat die Frankfurter
Allgemeine Zeitung knapp zusammengefasst.
Dazu gehört die Schaffung von und der Zugriff auf Infrastruktur: Straßen,
Schienen, Pipelines, Datenkabel, Häfen – weshalb sich die Frage aufdrängt,
ob sich Hamburg mit so einer Investition nicht eine Art Trojanisches Pferd
ins Haus holen würde. Das wäre von Relevanz nicht nur für die Stadt,
sondern für ganz Deutschland und die EU, wie die erst kürzlich geführte
Debatte über chinesische Investitionen in Osteuropa zeigt.
## Räumung auf chinesischen Druck
Ein Beispiel ist der [3][Hafen von Piräus]. Die griechische Regierung hat
ihn im Zuge der Finanzkrise für 35 Jahre an das chinesische
Staatsuntnernehmen Cosco verpachtet. Seither hat sich der Containerumschlag
versechsfacht. Wie die Frankfurter Allgemeine [4][berichtet], hatte
Ministerpräsident Alexis Tspipras die Gleisblockade in der Nähe des
Flüchtlingslagers Idomeni 2016 auf chinesischen Druck hin räumen lassen.
Denn durch die Blockade konnten keine Waren mehr aus Piräus auf den
Kontinent transportiert werden.
Norbert Hackbusch von der Hamburger Linksfraktion sieht keinen
Anhaltspunkte dafür, dass der Hafen zum Einfallstor für chinesische
Außenpolitik werden könnte. Seine Fraktion hat sich mit anderen Fragen
beschäftigt. „China akzeptiert die normalen [5][gewerkschaftlichen
Standards] nicht unbedingt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete mit Blick
auf seine Gespräche mit griechischen Gewerkschaftern.
Hamburg habe nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sein Hinterland wieder
zurückgewonnen und davon profitiert, den ganzen Balkan bedienen zu können.
„Das wird sich unabhängig von der Seidenstraße ändern“, sagt Hackbusch.
Nicht nur von Piräus aus, dem erstem Hafen nach dem Suez-Kanal, lasse sich
Europa versorgen, auch der Ausbau des Hafens von Danzig mache Hamburg
Konkurrenz.
Hackbusch sähe eine Verpachtung Steinwerders für Jahrzehnte kritisch – zu
schnell ändere sich die Lage. Keinesfalls dürfe eine Reederei zugriff auf
Terminals haben, denn das verhindere den gleichberechtigten Zugang zum
Hafen.
„Der chinesisch finanzierte Ausbau und Betrieb von Hafen- und Bahnterminals
in Zentralasien, Süd- und Südosteuropa hat das Potenzial, globale
Warenströme nachhaltig zu verändern“, heißt es in einem Papier, das die
Handelskammer Hamburg am Donnerstag beschlossen hat.
## Hamburgs Einfluss auf die Seidenstraße
Die Handelskammer hatte „als einzige deutsche Institution“, [6][wie sie
mitteilte], die „Belt and Road Industrial and Commercial Alliance“
mitgegründet – einen Zusammenschluss von Kammern und Verbänden entlang des
neuen Entwicklungskorridors. 2015 unterzeichnete Hauptgeschäftsführer
Hans-Jörg Schmidt-Trenz in Peking ein Memorandum, das Hamburg einen
Einfluss auf die „Neue Seidenstraße“ sichern sollte.
Im jüngsten Plenumsbeschluss der Handelskammer heißt es jetzt, die „Belt
and Road Initiative“ gehe weit über den Aufbau von Infrastruktur hinaus.
„Insbesondere in den weniger erschlossenen Märkten in Zentral- und Südasien
sowie Afrika entfaltet der Aufbau von Infrastruktur und Industriezonen neue
Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung.“ Hier biete sich eine Vielzahl
von Chancen für Hamburger Unternehmen. Eine solche hat etwa die Hamburger
Hafen- und Logistik AG ergriffen, die zu einem großen Teil der Stadt
gehört, indem sie Anfang 2018 [7][den Hafenterminalbetreiber
Transiidikeskuse in Estland kaufte].
„Wir wollen eine Straße in beide Richtungen“, sagt Du Xiaohui, Chinas
Generalkonsul in Hamburg. Das Konsulat, eine Fachwerkvilla, hat Elbblick.
Im Fenster stehen aus dunkelgrünem Stein geschnitzte Dschunken, vielleicht
lesbar als ein Verweis darauf, dass sich auch China im 14. Jahrhundert als
Seefahrernation betätigt hat. „China ist reich geworden“, sagt der Konsul.
„Wir brauchen mehr Waren aus dem Ausland.“ Überdies lägen zwischen China
und Europa eine Reihe von Ländern, in denen durch ein gemeinsames
Engagement Wohlstand geschaffen werden könnte.
## Konsul sieht großes Potenzial
Hamburg spiele dabei eine zentrale Rolle, allein schon wegen seiner
geografischen Lage. Hamburgs Rolle werde größer werden, weil es nicht nur
den Hafen, sondern auch viele interessante Unternehmen habe. Chinesen
fühlten sich wohl hier. „Mit dieser Stadt mit großem Potenzial wollen wir
noch enger zusammenarbeiten“, versichert Du.
Dabei nehme China in der Zusammenarbeit auch Ideen von außen auf. So solle
die Seidenstraße grün, nachhaltig und sauber sein. „Diese Initiative ist
lernfähig“, sagt der Diplomat. Und er geht noch weiter: „Wir laden die
Europäer ein, über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln.“
## Komplexe Logik
[8][Nadine Godehardt] von der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt vor
dem Begriff „Neue Seidenstraße“. „Er verschleiert, wie komplex die Logik
hinter dieser Strategie ist“, sagt die Politologin. In den vergangenen
Jahren, gerade unter Xi Jinping, habe sich die chinesische Politik
verändert. Sie sei davon abgerückt, sich in eine liberale Weltordnung zu
integrieren, die stark auf Regeln setzt. Stattdessen setze sie auf
„Konnektivität“: das Aneinander-Andocken von unterschiedlichen regulativen
Räumen und Akteuren.
Dabei versuche China durchaus die anderen Räume zu beeinflussen; dies
jedoch nicht durch explizites Setzen von Regeln, sondern eher durch das
Schaffen von Beziehungen, bei denen China im Mittelpunkt steht. „Es ist
kein Zufall, dass chinesische Akteure versuchen, direkt die kommunale Ebene
anzusprechen“, sagt Godehardt. Hamburg sei ein guter Standort für die „Belt
and Road Initiative“ und habe früh seine Chancen erkannt, müsse sich aber
„politisch fragen: Was kaufen wir da mit ein?“
## Militärische Infrastruktur
Geopolitisch, im Wettbewerb um die Vorherrschaft auf dem Eurasischen
Kontinent, könnte von Belang sein, dass die chinesische Initiative auch als
militärisches Infrastrukturprojekt verstanden werden kann, wie Christina
Lin vom Berliner Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und
Wirtschaftsberatung [9][argumentiert]. Für die norddeutsche Wirtschaft geht
es aber erst einmal um gleiche Wettbewerbsbedingungen in China und Europa.
Hamburgs rot-grüner Senat betont, er achte auf „gleiche Bedingungen für
alle Akteure“ und stimme sich eng mit der Bundesregierung und der
Europäischen Kommission ab. Am 24. August reist der Erste Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) mit einer Delegation nach Schanghai, Hamburgs
Partnerstadt. Gesprächsthemen gibt es reichlich.
Mehr über die Neue Seidenstraße und ihre Auswirkungen in Norden lesen in
der taz am Wochenende oder [10][hier].
9 Aug 2019
## LINKS
[1] https://www.hafen-hamburg.de/de/news/kreative-ideen-fuer-die-zukunft-des-mi…
[2] https://www.capital.de/wirtschaft-politik/projekt-seidenstrasse-chinas-neue…
[3] https://www.deutschlandfunk.de/der-hafen-von-piraeus.922.de.html?dram%3Aart…
[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wie-china-seinen-einfluss-auf-e…
[5] https://www.linksfraktion-hamburg.de/ein-chinesisches-terminal-im-hamburger…
[6] https://hafenzeitung.de/hamburg-vertritt-deutschland-in-der-neuen-seidenstr…
[7] https://hhla.de/de/investor-relations/aktuell/finanzmitteilungen/2018/03/hh…
[8] https://www.swp-berlin.org/wissenschaftler-detail/nadine-godehardt/
[9] https://css.ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/gess/cis/center-for-s…
[10] /Unser-eKiosk/!114771/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
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