# taz.de -- Ist Minderheitenschutz nur eine Meinung?: Behörde rügt Antirassis… | |
> Die Hamburger Wirtschaftsbehörde weist die Handelskammer zurecht, weil | |
> diese Antisemitismus und Rassismus die Stirn bieten will. | |
Bild: Keiner soll diskriminiert werden – eine allgemeinpolitische Aussage? | |
HAMBURG taz | Die [1][Hamburger Handelskammer] soll sich nicht gegen | |
Antisemitismus und Rassismus stellen – das hat die Hamburger | |
Wirtschaftsbehörde gefordert. Als Aufsichtsbehörde wies sie die Kammer | |
darauf hin, dass ihr „kein allgemeinpolitisches Mandat“ zustehe. Die | |
Mitglieder des Kammerplenums wehren sich dagegen mit einem Schreiben an | |
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos): „Wir finden das | |
empörend und fordern Sie unverzüglich zur Klarstellung auf“, heißt es | |
darin. | |
Am 6. Februar hatte das Plenum in alter Besetzung „mit überwältigender | |
Mehrheit“ [2][dazu aufgerufen], „allen Tendenzen eines neuen, erstarkenden | |
Antisemitismus und Rassismus in Deutschland die Stirn zu bieten“. Die | |
Kammer dürfe es nicht zulassen, dass jüdische oder ausländische Unternehmer | |
oder deren Mitarbeiter in Deutschland diskriminiert würden. | |
Das Plenum der Handelskammer ist Mitte Februar neu gewählt worden, hat sich | |
aber noch nicht neu konstituiert. Noch hat eine Gruppe die große Mehrheit, | |
die [3][vor drei Jahren angetreten] war, die Kammer zu revolutionieren. Von | |
diesen Mitgliedern stammt der aktuelle antirassistische Konsens. Zuvor | |
hatten die Revolutionäre die damalige Kammerführung aber dafür kritisiert, | |
dass sie sich zu sehr in die Politik einmische. Es ging dabei allerdings | |
nicht um demokratische Grundwerte, sondern um konkrete politische Themen | |
wie den Rückkauf der Energienetze durch die Stadt. Die Kammer hatte | |
außerdem gegen das hamburgische Transparenzgesetz Front gemacht. | |
Im Herbst 2016 hatte ein Kammer-Kritiker überdies ein [4][Urteil | |
erstritten], nach dem sich Kammer-Vertreter mit politischen Äußerungen | |
zurückhalten müssen. Mit Unterstützung des Bundesverbandes für freie | |
Kammern hatte der Immobilienmakler Bernd C. Jakovlev erreicht, dass das | |
Verwaltungsgericht Passagen aus der Silvesteransprache des damaligen | |
Handelskammer-Präses Fritz-Horst Melsheimer für rechtswidrig erklärte. | |
## Gericht: die Kammer muss sich sachlich äußern | |
Äußerungen der Kammer, in der Unternehmen ja zwangsweise Mitglied sind, | |
müssten einen wirtschaftlichen Bezug haben und von der gebotenen | |
Sachlichkeit sein, urteilten die Richter damals. | |
Rechtswidrig sei die Warnung vor Political Correctness oder die Forderung | |
nach einem militärischen Engagement Deutschlands gegen Bedrohungen. Nicht | |
zulässig sei es zudem, mehr direkte Demokratie mit Unregierbarkeit in | |
Zusammenhang zu bringen und eine Stärkung der repräsentativen gegenüber der | |
direkten Demokratie zu verlangen. Erlaubt hingegen war die Einschätzung, | |
Hamburgs gescheiterte Olympiabewerbung sei ein Debakel für die Wirtschaft | |
und Hamburg dürfe nun nicht ins Koma fallen. | |
Die Rechtsabteilung der Behörde bat nun die Kammer, die „dazu bekannte | |
Rechtssprechung“ des Hamburger [5][Oberverwaltungsgerichts] (Az. 1 Bs | |
236/07) sowie des [6][Bundesverwaltungsgerichts] (Az. 10 C 4.15) zu | |
beachten. Das bedeute, dass die Kammer ihren „Kompetenzbereich nach IHKG | |
([7][Industrie- und Handelskammergesetz]) zu wahren“ habe. Diejenige der | |
dort formulierten Aufgaben, die politischer Arbeit am nächsten kommt, | |
besteht darin, „die Behörden durch Vorschläge, Berichte und Gutachten zu | |
beraten“. | |
## „Antisemitismus gefährdet Wirtschaft“ | |
In ihrem Beschluss vom 6. Februar erinnert die Kammer an Frank-Walter | |
Steinmeiers Rede zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers | |
Auschwitz. Darin wies der Bundespräsident darauf hin, dass der | |
Antisemitismus in Deutschland nicht überwunden sei, sondern wieder zunehme. | |
„Dieser Rassismus und Antisemitismus gefährdet die demokratische | |
Gesellschaft gleichermaßen wie die deutsche Wirtschaft“, heißt es in dem | |
Beschluss. | |
Die Kammer sieht in der antirassistischen Haltung keine unerlaubte | |
politische Äußerung: Die Antragsteller Annett Nack-Warenycia und Torsten | |
Teichert werfen der Behörde vor, dass sie den Schutz von Unternehmern und | |
deren Mitarbeitern mit jüdischem oder migrantischem Hintergrund für | |
unerlaubt erkläre, indem sie diesen als „allgemeinpolitisch“ einstufe. | |
Auch der Kläger Jakovlev hält diese Einstufung für unverständlich: „Das i… | |
eine allgemein-moralische Forderung, die eigentlich von jedem redlichen | |
Menschen geteilt werden müsste“, findet er. | |
10 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Zugang-zu-amtlichen-Informationen/!5610587 | |
[2] https://www.hk24.de/servicemarken/presse/pressemeldungen/pm-20-02-07-antrag… | |
[3] /Kammerrebellen-am-Zug/!5464880 | |
[4] /Politikverbot-fuer-die-Handelskammer/!5337508 | |
[5] https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Hamburg&… | |
[6] https://www.bverwg.de/pm/2016/23 | |
[7] https://www.hk24.de/ueber-uns/rechtsgrundlagen/gesetzliche-regelungen/kamme… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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