# taz.de -- Interview mit feministischer Autorin: „Moralischer Druck auf Schw… | |
> Pro Femina eröffnet eine Beratungsstelle für ungewollt Schwangere in | |
> Berlin. Dort werden Frauen nicht ergebnisoffen beraten, sagt Kirsten | |
> Achtelik. | |
Bild: Kampf für Selbstbestimmung: „My body, my choice“ | |
taz: Frau Achtelik, am Donnerstag soll eine [1][Beratungsstelle für | |
ungewollt Schwangere] auf dem Kurfürstendamm in Berlin eröffnen. Sie | |
unterstützen den Aufruf zur Gegenkundgebung. Warum? | |
Kirsten Achtelik: Die „Beratungsstelle“, die dort eröffnet wird, ist von | |
Pro Femina, dieser Verein gehört zum Spektrum sogenannter | |
Lebensschutzorganisationen. Hier werden ungewollt Schwangere also nicht | |
ergebnisoffen, sondern mit dem Ziel beraten, dass sie das Kind bekommen. | |
Anders als offizielle Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stellt Pro | |
Femina auch keine Beratungsscheine aus, die für Schwangerschaftsabbrüche | |
hierzulande nötig sind. | |
Auf der Website geht es um ein Angebot für „Frauen im | |
Schwangerschaftskonflikt“. Woher wissen Sie, dass Pro Femina nicht | |
ergebnisoffen berät? | |
Zum einen wird nicht offengelegt, dass keine Beratungsscheine ausgestellt | |
werden. Das ist ein großes Problem, weil Frauen damit rechnen können, sie | |
wären bei einer offiziellen Stelle gelandet. [2][Reporterinnen von | |
Buzzfeed] haben sich außerdem in den bereits existierenden Beratungsstellen | |
von Pro Femina in München und Heidelberg undercover angeschaut, wie | |
tatsächlich beraten wird. Das ist erschreckend. Dort wird moralischer Druck | |
auf Schwangere aufgebaut, außerdem wird versucht, sie hinzuhalten, bis die | |
Frist verstrichen ist, innerhalb der sie abtreiben können. Die Frau ist für | |
diese Abtreibungsgegner*innen bei aller angeblichen Zuwendung eher das | |
Instrument, um den Fötus zu retten. | |
Auf der Website ist aber gar nicht erkennbar, dass die Seite zur | |
Lebensschutzbewegung gehört. | |
Die Website ist sehr gut gemacht, scheinbar ganz nah bei der Schwangeren. | |
Aber das macht sie nur gefährlicher. Schon der Name „Pro Femina“ klingt zum | |
Verwechseln ähnlich mit „Pro Familia“, dem großen Feindbild der sogenannt… | |
Lebensschutzbewegung, die tatsächlich ergebnisoffen beraten und Scheine | |
ausstellen. Die Webseite von Pro Femina ist zudem suchmaschinenoptimiert, | |
wie [3][Tina Reis, eine Expertin für dieses Thema, auf Netzpolitik] für | |
eine ganze Reihe solcher Seiten dargelegt hat. Wer nach Abtreibung googelt, | |
landet also schnell oder sogar zuerst bei denen. | |
Dann wird eine ganz zugewandte Sprache verwendet, scheinbar offene Fragen | |
wie „Abtreiben – ja oder nein“ werden gestellt. Erst auf den zweiten Blick | |
wird klar, dass das Tricks sind und Menschen bewusst in die Irre geführt | |
werden. So gibt es zum Beispiel einen länglichen Eintrag zu „Folgen und | |
Gefahren“ von Abtreibung, der allerlei Horrorszenarien auflistet, aber ohne | |
sie einzuordnen. Die Wahrscheinlichkeit für gesundheitliche Komplikationen | |
bei Ausschabungen etwa ist gering. Die Beratung von Pro Femina bedeutet | |
ganz konkret, dass schwangere Personen, die nicht schwanger sein wollen, | |
Psychoterror ausgeliefert sein und teilweise die gesetzlich | |
vorgeschriebenen Fristen verpassen werden. | |
Wer steht hinter dem Angebot? | |
Auf der Website selbst ist das nicht erkennbar, aber Pro Femina ist die | |
Beratungsstruktur von 1000plus. Diese Kampagne hat wiederum eine eigene | |
Website, auf der Pro Femina als ihr Verein aufgeführt wird. 1000plus ist im | |
Spektrum „Lebensrecht“ eindeutig positioniert. Sie bekommen zum Beispiel | |
Gelder von der Stiftung „Ja zum Leben“, diese ist wiederum Teil des | |
Bundesverbands Lebensrecht. Das ist der größte Zusammenschluss deutscher | |
Lebensschutzgruppen, der auch den „Marsch für das Leben“ in Berlin | |
veranstaltet. Als Projektleiter von 1000plus sowie Vorstandsvorsitzender | |
und Leiter von Pro Femina tritt Kristijan Aufiero auf, der international | |
gut vernetzt ist. | |
Er hat unter anderem beim zweiten „One of Us“-Kongress in Budapest 2017, | |
auf dem sich über 600 Vertreter*innen europäischer | |
Antiabtreibungsorganisationen versammelt hatten, eine Rede gehalten. „One | |
of Us“ ist ein europaweites Netzwerk, das 2013 eine sehr erfolgreiche | |
EU-Bürgerinitiative zum Verbot zur Finanzierung von Abtreibungen und | |
embryonaler Stammzellforschung durchführte. Aufiero hat auch am | |
fundamentalistisch-christlichen World Congress of Families teilgenommen, | |
dem größten globalen Treffen von sogenannten LebensschützerInnen, die bis | |
in den Vatikan und sehr gut innerhalb der US-amerikanischen und | |
europäischen extremen Rechten vernetzt sind. | |
Das Angebot ist kostenfrei für schwangere Personen. Woher kommt das Geld? | |
Laut eigener Auskunft sind das Spenden, und der Verein ist offenbar | |
ziemlich gut darin, Spenden zu generieren. 2017 hat er laut | |
Rechenschaftsbericht fast 3,5 Millionen Euro aus Spenden, Erbschaften und | |
Nachlässen eingesammelt – jede Menge Geld, um Menschen davon abzuhalten, | |
ihre reproduktiven Rechte in Anspruch zu nehmen. Woher das Geld konkret | |
kommt, wird nicht offengelegt, aber in der Vergangenheit haben sie zum | |
Beispiel Spendenkampagnen in Kirchen gemacht. Manche progressiven | |
Kirchengemeinden haben dem in der Zwischenzeit schon einen Riegel | |
vorgeschoben. Außerdem sind sie zum Beispiel 2012 vom christlichen | |
Babynahrungshersteller Hipp unterstützt worden. | |
Warum geht Pro Femina jetzt nach Berlin? | |
Berlin ist als ziemlich atheistische Stadt ein eher schwieriges Pflaster | |
für die teilweise fundamentalistisch-christliche Lebensschutzbewegung. Wenn | |
ich ein bisschen spekulieren soll, würde ich sagen, es ist eine Mischung | |
aus Missionars- und Märtyrertum: Fundamentalistische Christ*innen fühlen | |
sich umso besser, je schwerer ihre Aufgabe ist. | |
Fakt ist: Jetzt hat Pro Femina eine Beratungsstelle in der Hauptstadt. | |
Dabei gilt die Stelle weniger der politischen Einflussnahme als der | |
konkreten Beeinflussung ungewollt Schwangerer: Damit können sie diese noch | |
besser erreichen. Für die Stelle in Berlin hat 1000plus eine massive | |
Kampagne in ihren Netzwerken gefahren. Die Argumentation, dass aus Berlin | |
die meisten Suchanfragen kämen, weil hier angeblich ein so großer Druck auf | |
„Schwangeren in Not“ laste wie „nirgends sonst in Deutschland“, war | |
offensichtlich überzeugend. | |
ÄrztInnen dürfen auf ihren Webseiten nicht darüber informieren, mit welchen | |
Methoden sie Schwangerschaftsabbrüche machen. Kann sich demgegenüber | |
einfach jeder „Beratungsstelle“ nennen? | |
Die Beratungstellen, die Scheine ausstellen, brauchen eine Genehmigung. Als | |
Pro Femina Anfang Juni verkündete, dass sie Räume für iher | |
„Beratungsstelle“ in Berlin gefunden haben, habe ich bei der | |
Senatsverwaltung für Gesundheit und Gleichstellung nachgefragt, ob sie eine | |
Handhabe sehen, da einzugreifen. Die Staatssekretärin für Pflege und | |
Gleichstellung, Barbara König (SPD), hatte bereits im April, als das | |
antifaschistische Pressearchiv- und Bildungszentrum apabiz bekannt machte, | |
dass Pro Femina diese Beratungsstelle eröffnen will, getwittert, dass sie | |
da „kritisch draufschauen“ werde. | |
Auf meine Nachfragen hat sie inzwischen geantwortet, dass es bei | |
privatrechtlichen Vereinen, die keine staatliche Unterstützung und | |
Anerkennung beantragten, wenig Handhabe gäbe. Der Senat habe das „Thema | |
politisch auf dem Schirm“ und werde das auch in die Bund-Länder-AG | |
einbringen. Davon abgesehen tut die queere, feministische und linke | |
Bewegung der Stadt gut daran, sich dem Versuch dieses Vereins | |
entgegenzustellen, hier Fuß zu fassen. Das soll am Donnerstag passieren. | |
29 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Immer-weniger-Aerztinnen/!5487589 | |
[2] https://www.buzzfeed.com/de/julianeloeffler/schwanger-profemina-beratung-ab… | |
[3] https://netzpolitik.org/2019/npp-176-auf-der-suche-nach-guten-informationen… | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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