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# taz.de -- Solarenergie in Berlin: Stecker raus, Stecker rein ..
> … es könnte ziemlich einfach sein: Doch erst 0,8 Prozent des in Berlin
> erzeugten Stroms kommt aus Solaranlagen. Das SolarZentrum berät.
Bild: Solarzellen im Gelben Viertel in Berlin-Lichtenberg
Das ist unser Balkonmodul“, sagt Laura Ferreri, die beim SolarZentrum
Berlin für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Sie zeigt auf eine
rechteckige Platte vom Ausmaß eines Esstischs, die senkrecht an einem
Geländer befestigt ist. In die Glasfläche sind dunkle Solarzellen
eingelassen, ein klassisches Photovoltaikmodul zur Stromerzeugung also. Ist
das teuer? „Nein, so teuer sind diese Module gar nicht mehr“, sagt Ferreri
und lacht: „In diesem Fall war die Halterung kostspieliger.“
Klar: Wer eine 20 Kilo schwere Scheibe außen an seinen Balkon hängt, möchte
auf jeden Fall verhindern, dass diese jemandem bei Sturm auf den Kopf
fällt. In diesem Fall ist das allerdings relativ unwahrscheinlich, denn das
Geländer befindet sich an einem seitlichen Aufgang des „Effizienzhauses
Plus“ in der Charlottenburger Fasanenstraße. Der futuristische Kubus, in
dem vor ein paar Jahren Familien zu Forschungszwecken wohnen durften, liegt
gegenüber der UdK etwas isoliert auf einer Rasenfläche.
Hier arbeitet seit Mai das [1][SolarZentrum Berlin], eine Beratungsstelle
in Trägerschaft der [2][Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS)],
gefördert durch die grüne Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und
Betriebe. Sieben Personen zählt das junge Team unter Leitung der
Ingenieurin Elisa Förster, sie und die drei Fachberater sind auf
Regenerative Energien spezialisiert. Aufgabe des SolarZentrums ist es laut
seiner Selbstbeschreibung, Menschen und Institutionen „unabhängig sowie
produkt- und herstellerneutral“ zum Thema Solarenergie zu beraten und dabei
zu helfen, „Berlin zur solaren Stadt zu entwickeln“.
„Wir wollen alle möglichen Zielgruppen ansprechen“, erklärt Ferreri,
„Eigentümer, Mieter, Architektinnen, Planerinnen.“ Die erhalten auf Wunsch
eine kostenlose Beratung am Ort der geplanten Solaranlage – etwa eine
Eignungsuntersuchung von Dachflächen –, sie können bei Interesse aber auch
in der Fasanenstraße vorbeischauen. „Das wird schon erstaunlich gut
angenommen“, so Ferreri, „ich staune manchmal, dass so viele Leute den Weg
hierher finden.“ Infoveranstaltungen, Expertenworkshops, Gespräche mit den
Klimaschutzmanagern der Bezirke ergänzen das Tätigkeitsprofil, auch Präsenz
auf Kiezfesten oder dem alljährlichen Berliner Umweltfestival.
## Viele Beteiligte
Ein wichtiger Baustein der Solarwende, wie sie Rot-Rot-Grün vorschwebt, ist
das Mieterstrommodell, bei dem die Bewohner eines Mehrfamilienhauses direkt
vom günstigen Strom aus eigener Photovoltaik (PV) profitieren. Hier muss
erst einmal der Eigentümer überzeugt werden, die Berater vom SolarZentrum
helfen dabei. Handelt es sich um ein Gebäude mit Eigentumswohnungen,
begleiten sie die InitiatorInnen zur Eigentümerversammlung. Klingt nach
viel Überzeugungsarbeit? „Auf jeden Fall“, sagt die Geschäftsführerin des
DGS-Landesverbands, Berit Müller, die zum Termin mit der taz ins
SolarZentrum gekommen ist, „das ist eine der schwersten Aufgaben, weil es
da so viele Beteiligte gibt.“
Müller ist eine Frau aus der Bewegung, das sieht man schon an den leicht
ergrauten Dreadlocks. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie ist in
Berlin seit 1982 tätig – als Photovoltaik noch als grüne Spinnerei galt und
technisch Lichtjahre vom heutigen Entwicklungsstand entfernt war. Dass
jetzt der R2G-Senat Landesmittel für das Solarzentrum im Vorgriff auf den
kommenden „Masterplan Solar City“ lockergemacht hat, ist die Frucht
jahrelanger Mühen seitens der DGS: „Ich habe gerade unseren ersten
Finanzierungsantrag noch mal in der Hand gehabt – der ist von 1998“, sagt
Müller und lacht.
Tatsächlich hat Berlin in Sachen Solarenergie jede Menge Nachholbedarf.
Zwar ist die Zahl der Photovoltaik-Anlagen von 5.685 im Jahr 2014 auf 7.489
im Jahr 2018 gestiegen, die entsprechende Leistung kletterte dabei von 79
auf 106 Megawattpeak (MWp)* – das geht aus der gerade veröffentlichten
Antwort der Wirtschaftsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der
Linken hervor. Steigenden Anteil an diesem Aufwuchs haben die landeseigenen
Berliner Stadtwerke. Der Anteil der Photovoltaik an der Berliner
Bruttostromerzeugung liegt damit freilich bei mageren 0,8 Prozent. Zum
Vergleich: In Brandenburg liegt der Anteil bei 5,2 Prozent, Bayern,
Spitzenreiter im Ländervergleich, bringt es auf 13,2 Prozent.
Flächenländer haben allerdings auch ganz andere Voraussetzungen für die
Errichtung von Solaranlagen. In der Großstadt lassen sie sich fast
ausschließlich auf den – immerhin reichlich vorhandenen – Dachflächen
anbringen. Aber auch dieses Flächenpotenzial könnte nach einer
[3][aktuellen Studie der HTW] bis zu 10 Gigawattpeak bereitstellen. Das
wäre das Hundertfache der heutigen Leistung – es gibt also noch viel Luft
nach oben.
## Es rechnet sich
Und was kann jetzt die einzelne Dachbesitzerin tun? Solaranlage drauf, ganz
klar. Wenn die Ausrichtung zur Sonne günstig ist und Bäume oder
Nachbargebäude keine allzu großen Schatten werfen, steht der
Stromproduktion nichts im Wege. „Ich weiß nicht, wie das Gerücht entstanden
ist, aber die Leute denken immer, Solarenergie würde sich nicht rechnen“,
sagt Projektleiterin Elisa Förster, „doch das stimmt nicht.“ Zwar lasse
sich mit der vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zugesicherten
Einspeisevergütung keine „Superrendite“ erzielen, spätestens nach ein paar
Jahren hätten sich die Anschaffungskosten jedoch amortisiert.
Problematisch ist laut Berit Müller die folgende Schieflage: Jede
Kilowattstunde, die ein Anlagenbesitzer für den Eigenverbrauch erzeugt und
nicht von einem Energieunternehmen kaufen muss, spart ihm bei den aktuellen
Preisen rund 30 Cent. Jede Kilowattstunde, die diesen Eigenverbrauch
übersteigt und ins öffentliche Netz eingespeist wird, bringt aber nur rund
10 Cent Vergütung. Wegen dieses Gefälles beim finanziellen Ertrag würden
viele Photovoltaikanlagen deutlich kleiner geplant, als es die Dachfläche
erlaubt. Es müsse zusätzliche Anreize geben, „damit mehr als nur die im
Moment wirtschaftlichste Variante gebaut wird“, so Müller. „Sonst nutzen
wir das solare Potenzial Berlins nie voll aus.“
So einfach ist das mit dem Fördern übrigens gar nicht: „Eine
Doppelförderung ist nicht zulässig“, bestätigt Svenja Fritz, Sprecherin der
Wirtschaftsverwaltung. Sprich: Weil der Bund bereits die Erzeugung von
Sonnenstrom subventioniert, darf das Land Berlin dies nicht auch noch tun.
Deshalb wählt die grüne Verwaltung Umwege. Das [4][Förderprogramm
Stromspeicher Berlin] beispielsweise, bei dem es ab kommendem Jahr 300 Euro
je Kilowattstunde Speicherkapazität geben soll, maximal 15.000 Euro.
Formlose Anträge könnten voraussichtlich ab Oktober 2019 gestellt werden,
so Fritz, ab Januar sei dann eine elektronische Antragstellung möglich.
Für das anfangs erwähnte Modul an der Balkonbrüstung oder auf dem
Garagendach wird sich die Anschaffung eines mehrere tausend Euro teuren
Speichers nicht lohnen. Eine „Stecker-PV“ oder „Guerilla-PV“, wie die
Kleinstanlagen auch bezeichnet werden, erzielt gewöhnlich eine Leistung um
die 300 Wattpeak, wobei mehrere Module hintereinandergeschaltet werden
können. Hier heißt es wieder gut rechnen, ob sich der Anschaffungspreis von
einigen hundert Euro amortisiert, denn Netzstrom kann man damit nur
ersetzen, wenn die Sonne scheint – und tagsüber beschränkt sich der
Verbrauch in vielen Haushalten auf den Kühlschrank.
Das SolarZentrum hilft beim Kalkulieren. Und es berät in Bezug auf die
Restriktionen, mit denen die Stromnetz Berlin GmbH, eine
Vattenfall-Tochter, versucht, die private Stromernte zu torpedieren. Wer
seine Minianlage ordentlich anmeldet, könnte aufgefordert werden, einen
speziellen Zähler mit Rücklaufsperre anzubringen oder eine spezielle
Sicherheitssteckdose zum Einspeisen – dabei tut es technisch jede
Schuko-Steckdose, in die das Modul einfach eingesteckt wird.
Berit Müller hofft, dass diese Komplikationen bald der Vergangenheit
angehören. Ein Wechsel des Stromnetzes in kommunale Hand würde das mit
Sicherheit stark beschleunigen. So lange gilt: „Wir können nur eines mit
Sicherheit sagen – weder Ihnen noch Ihrem Stromkreis wird dabei etwas
passieren.“
*Das „peak“ bedeutet, dass die Nennleistung eines Solarkraftwerks nur bei
idealen Bedingungen erreicht wird. Ist es bewölkt, steht die Sonne tief,
fallen Schatten oder ist es gar Nacht, sinkt die Leistung entsprechend –
bis auf null.
1 Aug 2019
## LINKS
[1] https://www.solarwende-berlin.de/solarzentrumberlin/das-solarzentrum-berlin
[2] http://www.dgs-berlin.de/de/startseite.html
[3] https://pvspeicher.htw-berlin.de/wp-content/uploads/HTW-Berlin-2018-Das-Ber…
[4] https://www.berlin.de/sen/energie/energie/erneuerbare-energien/foerderprogr…
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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