# taz.de -- Machtverteilung im Sudan: Neuer Rat mit altem Regime | |
> Eine Lösung schien in weiter Ferne. Nun hat sich die Opposition im Sudan | |
> mit dem Militär überraschend geeinigt. Doch viele Fragen bleiben offen. | |
Bild: Feiern am Freitag in Khartum | |
Nairobi taz | Unerwartet schnell haben sich der herrschende Militärrat und | |
die zivile Opposition im Sudan auf eine Machtverteilung bis zu den | |
geplanten Wahlen in mehr als drei Jahren geeinigt. Die Bevölkerung nahm das | |
Abkommen vom frühen Freitagmorgen mit Erleichterung und vorsichtiger Freude | |
auf. Dennoch ist das Misstrauen gegenüber der Armee nach wie vor groß. | |
Soldaten gelten als verantwortlich für die [1][Gewalt der letzten Wochen], | |
bei der Dutzende Menschen getötet wurden. | |
In dem Abkommen wurde vereinbart, dass fünf Militärs, fünf Zivilisten und | |
ein Bürger mit militärischem Hintergrund in einem souveränen Rat sitzen | |
werden, der zur höchsten Behörde des Landes wird. Die rotierende | |
Präsidentschaft des Rates wird voraussichtlich zuerst in den Händen des | |
Militärs sein. Daneben soll eine Regierung von Technokraten gebildet | |
werden. Die Zusammensetzung eines Parlaments wurde vorerst verschoben. | |
„Dies ist nur der Anfang, wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt | |
Student Ammani Razik Online-Chat mit der taz aus der Hauptstadt Khartum. | |
„Erst sehen und dann glauben, dass die Militärs sich an Vereinbarungen | |
halten.“ | |
Bis zum Wochenende noch schien eine Einigung über die Machtverteilung weit | |
entfernt. Doch nachdem am Sonntag Zehntausende Demonstranten eine | |
Zivilregierung forderten, scheint der ausländische Druck auf beide Parteien | |
zugenommen zu haben. Letztendlich kam das Abkommen durch die Vermittlung | |
von Vertretern der äthiopischen Regierung und der Afrikanischen Union | |
zustande. | |
## Unabhängige Untersuchung des Juni-Massakers | |
In dem Abkommen einigten sich beide Parteien auch auf eine transparente und | |
unabhängige Untersuchung des [2][Massakers an Demonstranten] am 3. Juni. | |
Damals hatten die Rapid Support Forces (RSF), eine der Armee angeschlossene | |
Miliz, gewaltsam ein friedliches Protestcamp vor dem Armeehauptquartier in | |
der Hauptstadt Khartum aufgelöst und mehr als hundert Demonstranten | |
getötet. | |
[3][Der gefürchtete und mächtige Mohamed Hamdan Dagalo] mit dem Spitznamen | |
Hametti wird einen Sitz im souveränen Rat einnehmen. Er ist Chef der RSF | |
und Vizepräsident des derzeit regierenden Militärrats. Zwar zeigen Bilder, | |
dass seine Truppen zu einem großen Teil für die Gewalt am 3. Juni | |
verantwortlich waren, doch Hametti bestreitet die Verantwortung. Er gibt | |
jenen Elementen die Schuld, die seine Truppen infiltriert hätten. | |
„Es ist sehr schwierig, einer Machtverteilung zu vertrauen, in der Hametti | |
Teil des souveränen Rates ist“, sagte Azaz Elshami, ein | |
sudanesisch-amerikanischer Menschenrechtsanwalt, gegenüber dem | |
Fernsehsender Al Jazeera. „Es war vielleicht vor dem 3. Juni akzeptabel, | |
weil RSF und die Armee den Diktator Omar Hassan al-Bashir gestürzt haben. | |
Aber nach dem Massaker an Demonstranten ist von diesem Vertrauen wenig | |
übriggeblieben. | |
## Regime hat keine Erfahrung mit Demokratie | |
Die Opposition will nach 30 Jahren Militärdiktatur unter Präsident Bashir, | |
der im April abgesetzt wurde. Die Offiziere im zukünftigen souveränen Rat | |
waren Teil des vorherigen Regimes. Sie sind an unbegrenzte Macht gewöhnt | |
und haben keine Erfahrung mit Demokratie. Sie haben sich oft, wie Bashir, | |
nicht an Abmachungen gehalten. | |
Zum Beispiel war Hametti, bevor er sich gegen ihn wandte, einst ein | |
wichtiger Vertrauter und Berater von Bashir. Im Auftrag von Bashir führte | |
Hametti den Bürgerkrieg gegen die Bevölkerung in der westlichen Region | |
Darfur. Er und andere Offiziere der Armee sind wegen Kriegsverbrechen in | |
der Region angeklagt. | |
Als Dankeschön erhielt Hametti nach dem Krieg von Bashir freie Hand in | |
Darfur und konnte sich dort mit den Goldminen bereichern. Andere | |
hochrangige Offiziere erhielten von Bashir ebenfalls Zugang zu lukrativen | |
Wirtschaftsdeals im Land. Die Frage ist, ob sie bereit sind, ihre | |
privilegierten Positionen für die Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung | |
aufzugeben. | |
5 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Afrikanische-Union-suspendiert-Sudan/!5601156 | |
[2] /Tote-bei-Protesten-im-Sudan/!5596969 | |
[3] /Proteste-im-Sudan/!5596961 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
## TAGS | |
Sudan | |
Khartum | |
Sudan | |
Sudan | |
Afrobeat | |
Sudan | |
Sudan | |
Sudan | |
Sudan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Machtvakuum im Sudan: Militärs und Ex-Politiker in Haft | |
Nach Angaben der Militärführung gab es einen Putschversuch. Unter den | |
Festgenommenen ist auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. | |
Einigung im Sudan: Die erste Unterschrift | |
Militär und Protestbewegung besiegeln eine Übergangsregierung. Ein Verteter | |
der Afrikanischen Union zeigt sich optimistisch. | |
Flüchtlinge in Libyen: Die Brutalität des Nichtstuns | |
In Libyen versagen Europa und Afrika. Ihre egoistische Schläfrigkeit beim | |
Thema Migration kostet Menschenleben – und wurzelt auch in der | |
Gaddafi-Zeit. | |
Sudan nach der Bashir-Ära: Armee will Putsch vereitelt haben | |
Hatten Teile des sudanesischen Militärs wirklich einen Umsturz geplant? | |
Oppositionelle zweifeln an der Echtheit der Geschichte. | |
Proteste im Sudan: Sieben Tote und 181 Verletzte | |
Der Unmut der Bevölkerung richtet sich gegen den Militärrat. Die Angst | |
vieler Menschen verhindert jedoch eine Massenmobilisierung. | |
Sudan-Experte über Folgen der Proteste: „Ich sehe keine gute Zukunft“ | |
Sudan-Experte Magdi el-Gizouli erklärt, warum das Militär eine zivile | |
Regierung jetzt nicht zulassen wird. Das Land werde deshalb instabiler. | |
Gewalteskalation im Sudan: Gewehre und Gerüchte | |
Allmählich wird das Ausmaß der Gewalt klar, mit der Sudans Militär die | |
Protestbewegung zerschlagen hat. Sudans Hauptstadt lebt jetzt in Angst. |