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# taz.de -- Letzte Staffel „Orange Is the New Black“: Das Ende der Knast-Ge…
> „OITNB“ hat serielles Erzählen entscheidend verändert und Netflix groß
> gemacht. Am Freitag kommt die 7. Staffel. Doch wie geht es für Netflix
> weiter?
Bild: Taystee (Danielle Brooks) und Pennsatucky (Taryn Manning) im Gefängnishof
Gewalttätig drückt Gefängniswärter Hellmann (Greg Vrotsos) Alex (Laura
Prepon) Drogen, in ein Kondom verpackt, in den Mund. Es ist Heroin im Wert
von 1.500 Dollar, das Alex an die anderen Insassinnen verticken soll. Doch
bevor sie dazu kommt, muss sie die Drogen erst einmal schlucken, denn es
steht eine Durchsuchung im Gefängnis von Litchfield an. Wird sie mit den
Drogen erwischt, droht ihr eine längere Haftstrafe; weigert sie sich, wird
Hellmann ihr Gewalt antun – und fängt sie an zu dealen, bekommt sie Stress
mit den anderen Dealerinnen des Gefängnisses. Wer im Gefängnis überleben
will, muss sich an die Regeln halten. Und zwar an die Regeln der
Wärter*innen und die der Insass*innen – und dann gibt es da ja auch noch
das Gesetz.
Die strukturellen Schwierigkeiten des US-amerikanischen Gefängnissystems
werden auch in der [1][siebten Staffel von „Orange Is the New Black“
(OITNB) verhandelt.] Die Netflix-Serie von Jenji Kohan dreht sich um den
Alltag in einem Frauengefängnis mit all seinen Facetten. Gefängnisserien
gibt es zuhauf, doch OITNB ist anders, war von Anfang an anders. Mit ihrer
Art des seriellen Erzählens, der diversen Besetzung und der dichten
Geschichte hebt sie sich vom bisher bekannten Fernsehen ab und zeigt, wie
Serien zum Streamen gemacht sein müssen.
Die Serie basiert lose auf den persönlichen Erfahrungen von Piper Kerman,
einer weißen privilegierten US-Amerikanerin, die in den 2000ern wegen
Drogenschmuggels ein Jahr ins Gefängnis ging und darüber ein Buch schrieb.
In OITNB heißt ihre fiktionale Version Piper Chapman und wird von Taylor
Schilling verkörpert.
Eine unsympathische Antiheldin, die erst durch ihre Mitinsassinnen lernen
muss, dass die Welt nicht nur aus gut und böse, richtig und falsch besteht.
Später wird in jeder Folge eine andere Figur ins Zentrum gestellt, etwa
die der Gloria Mendoza, die vor der häuslichen Gewalt ihres Mannes zu
fliehen versucht und aus Geldnot in die Kriminalität rutscht. Oder Taystee,
die in der ersten Staffel aus dem Gefängnis entlassen wird. Doch mit der
zurückgewonnenen Freiheit nicht umgehen kann und bewusst gegen ihre
Bewährungsauflagen verstößt, um zurück in ihr gewohntes Umfeld, das
Gefängnis, zu kommen.
## Divers und hochaktuell
Dass Serien überhaupt als Qualitätsfernsehen angesehen werden, begann um
den Millenniumswechsel herum mit „The Sopranos“ und „The Wire“. Inzwisc…
sind die Ansprüche weiter gestiegen. Die Serie OITNB zeigt mit ihren
Figuren eine große Breite an Identitäten, sexuellen Orientierungen,
nichtweißen Menschen, Geschlechtern und Lebenserfahrungen. Die Insass*innen
sind polyamourös, trans, bi, hetero, homo oder „gay for the stay“.
Es sind Schwarze und weiße Frauen oder PoC, arme und reiche, gesunde oder
Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Durch die
verschiedenen Perspektiven auf den Gefängnisalltag werden Themen wie
Rassismus, Sexismus oder Transfeindlichkeit thematisiert – und zwar so
brutal, wie diese Themen in der Realität eben sind. Manchmal sogar so
brutal, dass man nicht hinschauen kann.
Den Versuch, OITNB in ein Genrekonzept zu pressen, sollte man lieber
unterlassen. Die Serie, von vielen als Dramedy bezeichnet, ist satirisch,
ist Thriller, ist gesellschaftspolitisch und rührend. Und vor allem
hochaktuell.
Die siebte Staffel befasst sich mit der US-Einwanderungsbehörde ICE.
Ex-Insassin Blanca (Laura Gómez) findet sich kurz nach ihrer Entlassung in
Abschiebehaft wieder. „Es sieht aus wie ein Gefängnis, es riecht wie ein
Gefängnis, aber es ist kein Gefängnis – es ist schlimmer“, sagt sie zu
Maritza (Diane Guerrero), einer ehemaligen Mitinsassin, die auch
abgeschoben werden soll. Das passt in eine Zeit, in der Donald Trump mit
Razzien gegen Menschen ohne Aufenthaltspapiere droht und [2][an der Grenze
zu Mexiko Lager mit menschenunwürdigen Zuständen existieren].
Immer wieder wird der [3][Serie vorgeworfen, rassistische Stereotype zu
reproduzieren.] Sie zeichne Schwarze Frauen und Latinas als unreflektierte
und gewalttätige Menschen. 2016 wurde die Debatte durch ein Foto zusätzlich
befeuert. Darauf zu sehen: die 16 Schreiber*innen der Serie – nur zwei
davon PoC. Mittlerweile ist der writers’ room deutlich diverser. Dadurch,
dass die Serie jedem Charakter eine eigene Geschichte zukommen lässt, ist
sie, was die Repräsentation von Minderheiten angeht, deutlich weiter als
andere.
## Neue Erfolgsserie gesucht
OITNB ist nicht die erste Eigenproduktion von Netflix, das war 2013 wenige
Monate zuvor „House of Cards“. Doch der Politthriller, der die Geschichte
eines skrupellosen weißen Manns auf dem Weg ins Präsidentschaftsamt
erzählt, hätte auch ohne Probleme im linearen Fernsehen laufen können.
OITNB dagegen ist zum binge-watching gemacht; sonst kommt man bei der
dichten Geschichte kaum hinterher. Der US-amerikanische Streaminganbieter
gibt nur sehr selten Zahlen heraus, doch laut einem Pressesprecher gehört
OITNB zu den erfolgreichsten Angeboten von Netflix.
Da aber mit der siebten Staffel die Gefängnisserie enden wird, steht
Netflix damit vor einer neuen Aufgabe.
Vor zwölf Jahren stieg das US-amerikanische Unternehmen in das
Video-on-Demand-Business ein, 2014 expandierte es unter anderem auch nach
Deutschland. Anstatt die künftigen Nutzer*innen davon zu überzeugen,
dass Streaming das neue Ding ist, und Netflix zu bewerben, warben sie mit
ihren Eigenproduktionen. Wochenlang waren damals die Protagonist*innen
von OITNB übermenschengroß am Potsdamer Platz zu bewundern. Das
funktionierte – mittlerweile hat Netflix nach eigenen Angaben 152 Millionen
zahlende Nutzer*innen.
Doch nach der Vorstellung der aktuellen Quartalszahlen im Juli ist die
Aktie um mehr als 12 Prozent eingebrochen. Konzernchef Reed Hastings führt
das auf die Preiserhöhungen in einigen Ländern zurück und fügt hinzu, dass
die jüngsten Serien nicht so viele Nutzer*innen angezogen hätten.
[4][Mit „House of Cards“ und OITNB brechen dem Unternehmen zwei
Erfolgsserien weg]. Es bleiben zwar noch [5][„Stranger Things“], die laut
Netflix zu den meistgesehenen Serien zählt, „Haus des Geldes“ oder [6][„…
Education“], doch wenn Netflix sich nicht von den Konkurrenzanbietern
abhängen lassen will, braucht es neue Produktionen, die mit Sehgewohnheiten
brechen und ein Massenpublikum anziehen.
Mit der fünften Staffel wagten die Produzent*innen von OITNB vor zwei
Jahren ein Experiment – das scheiterte. Die Handlung spielte sich an drei
Tagen ab und zeigte einen Gefängnisaufstand, doch trotz actionreicher
Szenen kam keine Spannung auf. Auch in der darauffolgenden Staffel – wo die
Nachwehen der Riots behandelt wurden – wollte das nicht so richtig
gelingen. Die Kritiken fielen schlecht aus, und Serienmacherin Kohan sagte
gegenüber dem New Yorker, dass sie mit der Staffel unzufrieden gewesen sei.
Mit der siebten Staffel hat OITNB nun aber zu alter Stärke zurückgefunden.
Während Piper versucht, sich in der wiedergewonnenen Freiheit
zurechtzufinden, steht Taystee (Danielle Brooks) im Mittelpunkt der
Staffel. Die Insassin wurde am Ende der sechsten zu einer lebenslangen Haft
verurteilt. Für einen Mord, den sie nicht begangen hat, verraten von ihrer
besten Freundin. Kaum vorstellbar, dass dieser Plot in einer Staffel
auserzählt wäre.
25 Jul 2019
## LINKS
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[4] /6-Staffel-von-House-of-Cards/!5545073
[5] /Serienkolumne-Die-Couchreporter/!5456941
[6] /Kolumne-Die-Couchreporter/!5567474
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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Netflix
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Aduba alias „Crazy Eyes“ über weibliche Perspektive und den
Rassismusvorwurf gegen OITNB.
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