# taz.de -- Wahlexperte über AfD-Liste in Sachsen: „Hätte nicht gekürzt we… | |
> In Sachsen dürfen viele AfDler bei der Landtagswahl nicht antreten. | |
> Wahlrechtsexperte Wilko Zicht hält das für falsch. Warum? | |
Bild: Ernste Blicke: Haben die Schriftführer des sächsischen Landeswahlaussch… | |
taz: Herr Zicht, warum ergreifen Sie als Grüner nun Partei für die | |
sächsische AfD? | |
Wilko Zicht: Es geht nicht um eine politische Frage, sondern um eine | |
Rechtsfrage. Nach allem, was wir wissen, hätte die AfD-Liste zur | |
sächsischen [1][Landtagswahl] nicht gekürzt werden dürfen. | |
Der Landeswahlausschuss hatte das Anfang Juli aber mehrheitlich so | |
entschieden und nur 18 der 61 KandidatInnen zugelassen. | |
Die [2][AfD] hat sich ungeschickt angestellt und war ersichtlich | |
überfordert. Aber letztlich hat sich der Landeswahlausschuss recht | |
engstirnig in formalen Fragen verheddert, die sich so gar nicht stellen. | |
Wieso? Die AfD hatte ihre KandidatInnen auf zwei verschiedenen | |
Versammlungen im Februar und März aufgestellt – mit unterschiedlichen | |
Voraussetzungen. | |
Es ist nicht verboten, eine Liste auf mehreren Versammlungen zu wählen. | |
Zulässig ist sowohl eine bloße Fortsetzung der ersten Versammlung als auch | |
eine neue Versammlung zur Änderung oder Ergänzung der auf der ersten | |
Versammlung beschlossenen Liste. Es muss sich dann nur insofern um die | |
gleiche Versammlung handeln, als man nicht von Mitglieder- auf | |
Delegiertenversammlung wechseln oder die Delegierten zwischendurch neu | |
wählen darf. | |
Aber durfte die AfD einen anderen Versammlungsleiter bestellen? | |
Ja, das ist kein Problem. Der potenziell kritischere Punkt ist, dass das | |
Wahlverfahren zwischendurch geändert wurde. Allerdings gab es dafür Gründe: | |
Die AfD wollte zunächst alle 61 Plätze in Einzelwahl besetzen. Nach dem | |
ersten Wochenende war man nur bis Platz 18 gekommen, also wäre man wohl | |
auch am zweiten Wochenende nicht fertig geworden. Weshalb ab Platz 30 dann | |
im Gruppenwahlverfahren weitergemacht wurde. Das halte ich für ein | |
legitimes Vorgehen. | |
Verletzt das nicht die Chancengleichheit? | |
Im konkreten Fall sehe ich das nicht, zumal die Änderung wohl vor Platz 19 | |
beschlossen wurde, sich also alle KandidatInnen mit ordentlich Vorlauf auf | |
den Wechsel einstellen konnten. Bei den Grünen haben wir sogar einen | |
Ad-hoc-Wechsel des Wahlverfahrens in unserer Satzung vorgesehen. | |
Inwiefern? | |
Da heißt es, dass auf Wahllisten mindestens die ungeraden Plätze Frauen | |
zustehen. Wenn keine Frau kandidiert, kann die Versammlung ein abweichendes | |
Verfahren beschließen. | |
Bei den Grünen ist das von vornherein klar. Das Wahlrecht ist da doch sehr | |
streng … | |
Ja, es gibt teilweise formale Regeln, die knallhart eingehalten werden | |
müssen. In einem Wahlkreis in Brandenburg ist zum Beispiel ein AfD-Kandidat | |
nicht zugelassen worden, nur weil eine Unterschrift fehlte. Derartige | |
Mängel hatte die Sachsen-AfD aber noch fristgerecht ausgebessert. Am Ende | |
hätte der Landeswahlausschuss darum nur noch zu beurteilen gehabt, ob die | |
AfD gegen elementare Mindestregeln einer demokratischen | |
Kandidatenaufstellung verstoßen hat. Wovon keine Rede sein kann. | |
Ist durch die Kürzung der Liste denn irgendein ein Schaden für die | |
Demokratie entstanden? | |
Manche beklagen, dass sich die AfD als Opfer gerieren kann – aber das tut | |
sie sowieso immer. Schlimmer ist, dass die AfD nun gute Aussichten hat, | |
eine erfolgreiche Wahlprüfungsbeschwerde einzureichen. In letzter | |
Konsequenz könnte das bedeuten, dass der Landtag neu gewählt werden muss. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat nun am Mittwoch eine Klage der Sächsischen | |
AfD wegen der gekürzten Liste abgewiesen. Was bedeutet das? | |
Das Gericht hat die Klagen aus formellen Gründen abgelehnt. Damit war zu | |
rechnen, weil Karlsruhe sich in Länderwahlsachen nicht für zuständig hält. | |
Die entscheidenden Verfahren laufen am sächsischen Verfassungsgerichtshof | |
in Leipzig. | |
Dort findet nun am heutigen Donnerstag eine mündliche Verhandlung über | |
mehrere Verfassungsbeschwerden der AfD statt. | |
Die Klagen sind meines Erachtens auch unzulässig, da Verfassung und | |
Wahlgesetz bewusst in Kauf nehmen, eine fehlerhafte Wahl abzuhalten und | |
dies erst im Nachhinein zu korrigieren. Man will damit der Gefahr begegnen, | |
dass sich eine Wahl wegen Streitigkeiten verschiebt. Die Fristen sind eng, | |
in wenigen Tagen soll die Briefwahl beginnen. | |
Sie meinen, die Verfassungsrichter werden vor der Wahl keine Entscheidung | |
treffen? | |
Das würde mich zumindest sehr wundern. Vor fünf Jahren gab es einen | |
vergleichbaren Fall, bei dem ein sächsischer AfD-Kandidat gestrichen wurde. | |
Der Verfassungsgerichtshof gab ihm nach Jahren Recht – hatte aber seine | |
Klage vor der Wahl noch abgewiesen. | |
Was ändert sich dadurch, wenn die AfD-Liste kurz bleibt? | |
Es kommt dann auf die Direktmandate an. Sobald ein AfD-Mensch ohne | |
Listenplatz einen Wahlkreis gewinnt und nicht unter den 18 KandidatInnen | |
auf der Liste ist, bekommt die AfD mehr Sitze im Landtag. In 25 solcher | |
Wahlkreise lag die AfD bei der Europawahl am 26. Mai vorne, meist sehr | |
knapp. Bislang scheinen die anderen Parteien darauf aber strategisch nicht | |
einzugehen. | |
Meinen Sie, das bleibt so? | |
Ich denke, es wird die Runde machen, in welchen Wahlkreisen man der AfD | |
durch strategische Wahl eines aussichtsreichen Gegenkandidaten einen Sitz | |
wegnehmen kann. Der Haken daran ist, dass es der CDU Überhangmandate | |
bescheren könnte. Die werden in Sachsen nicht voll ausgeglichen. Wer eine | |
Regierung ohne CDU und AfD will, der nähert sich dem Ziel dann nur minimal. | |
Es gibt nur wenige potenzielle AfD-Wahlkreise, in denen Grüne oder Linke | |
eine Chance haben. | |
Wie sähe der Landtag aus, wenn die AfD wegen der kurzen Wahlliste weniger | |
Sitze bekommt, als ihr zustünden? | |
Die Sitze blieben leer. Nehmen wir an, der AfD stünden nach der Wahl 30 | |
Sitze zu, während sie nur die 18 Plätze durch die Liste besetzen kann. | |
Kämen keine Direktmandate oder Überhang- und Ausgleichsmandate hinzu, | |
würden im Landtag eben 12 Abgeordnete weniger sitzen: 108 statt 120. | |
Was bedeutet das? | |
Für eine Mehrheit wären in unserem Beispiel nur noch die Stimmen von 55 | |
Abgeordneten nötig, nicht von 61. | |
24 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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Andreas Kalbitz | |
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