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# taz.de -- Kommentar Urteil zur Sterbehilfe: Die zweierlei Maße des Todes
> Der Bundesgerichtshof hat zwei Ärzte freigesprochen, die Sterbewillige
> nicht aufhielten. Gut so. Denn die Rolle der Ärzte muss gestärkt werden.
Bild: Mit dem Urteil entsteht Klarheit für die Ärzte – und es stärkt den W…
In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten, den Tod zu befördern, aber
wehe, jemand will freiwillig sterben. Umweltgifte, soziale Ausgrenzung,
freie Fahrt für freie Bürger – was tödlich enden kann, wird vielfach
hingenommen, ist gar erlaubt. Verboten indes ist, Menschen, die sterben
wollen, etwa weil sie schwerkrank geworden sind, nicht daran zu hindern.
Gut, dass der Bundesgerichtshof (BGH) nun [1][zwei Mediziner freigesprochen
hat], die den Sterbeprozess von Sterbewilligen nicht aufhielten, und dass
damit Rechtssicherheit für Ärzte geschaffen wird.
Der 5. Strafsenat des BGH hat am Mittwoch entschieden, dass Ärzte
Sterbewillige nach einem Suizidversuch nicht gegen deren Willen ins Leben
zurückholen müssen. Einzig muss der Arzt den Patienten bis zum letzten
Moment beobachten, ob sich an dessen Willen etwas verändert hat. Damit wird
eine Gesetzgebung von 1984 revidiert, der zufolge sich Ärzte unter
Umständen strafbar machen, die das nicht tun. Mit dem Urteil entsteht
Klarheit für die Ärzte, auf die im Grenzbereich des Todes ohnehin viel
Verantwortung abgeladen wird – und es stärkt den Willen der Sterbewilligen.
Anders als früher, wo Sterben oft ein kollektiv begleiteter Prozess war,
ist der Tod heute meist individualisiert und tabuisiert. Die Ärzte sind zum
Bindeglied zwischen dem Sterbenden und der Gesellschaft geworden. Deshalb
muss ihre Rolle gestärkt werden.
In Deutschland ist seit dem Jahr 2015 Sterbehilfe durch den damals
verabschiedeten Paragrafen 217 so gut wie unmöglich. Der Paragraf besagt
zwar, dass (nur) „geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe“ verboten s…
Geschäftsmäßig indes ist, was wiederholt wird. Da sind Ärzte von vornherein
in einer schlechten Position, weil sie mehr als einmal das Sterben eines
Menschen begleiten.
Zu hoffen ist, dass die Entscheidung des BGH Veränderung in einen
doppelzüngigen Umgang mit dem Tod bringt. [2][Denn das Sterben nur dann zu
sanktionieren], wenn es die Entscheidung eines Individuums betrifft, nicht
aber, wenn es um die Folgen einer sterbenskrank machenden Ökonomie geht,
ist einer der Widersprüche unserer Demokratie.
4 Jul 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Waltraud Schwab
## TAGS
BGH
Sterbehilfe
Suizid
Ärztlich assistierter Suizid
Sterbehilfe
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Sterbehilfe
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