# taz.de -- Kino-Retrospektive auf Roland Klick: Der mit den Genres tanzt | |
> Tarantino und Spielberg sind Fans, aber nur wenige kennen ihn. Jetzt | |
> widmet das Lichtblick-Kino Roland Klicks wütenden Genrefilmen eine | |
> Retrospektive. | |
Bild: Wurde für Cannes 1971 nominiert: Roland Klicks psychedelischer „Krautr… | |
Das Kino der alten Bundesrepublik ist eines der aufregendsten der Welt – | |
entgegen seines Rufes, nur wenig zu bieten, was über museale Aspekte hinaus | |
weist. Es ist ein Kino, das von den einen beansprucht und den anderen | |
attackiert wurde, das mal dem Publikum, mal der Kritik hinterher rannte, | |
das sich mal stickig in der Vergangenheit befangen zeigt – man war ja | |
gerade erst aus dem Faschismus hervorgegangen – und mal die weite Freiheit | |
suchte. | |
Als ein Kino der Widersprüche hat es vielleicht keine monolithischen | |
Meisterwerke hervorgebracht, aber viel Kontext und Diskurse, die bis heute | |
kitzeln. Als eine Filmgeschichte der fortlaufenden Vatermorde hat die | |
Zeitung Die Welt die Filmgeschichte der alten Bundesrepublik vor Kurzem | |
eingeschätzt. | |
Voll widerstrebender Energie sind die Filme des Regisseurs Roland Klick. Am | |
4. Juli 2019 wird er 80 Jahre alt, was den Berliner Kinos Lichtblick und | |
Wolf eine Retrospektive wert ist – natürlich in Anwesenheit des Meisters. | |
Dass keine offizielle Kinemathek Klick würdigt, sondern kleine, mit | |
Herzblut betriebene Programmkinos, ist symptomatisch: Längst ist Klick der | |
Säulenheilige einer widerständigen Filmkultur von unten – in den 90er | |
Jahren feierte ihn die Underground-Filmzeitschrift Splatting Image, das | |
damals noch rumpelige „Filmgalerie 451“-Label machte den Verfemten in einer | |
Werkedition neben Schlingensief zum Aushängeschild. | |
Heute adeln Liebhaber-Labels wie Subkultur Entertainment ihr Programm mit | |
seinen Filmen. Berliner Maverick-Kinos holen den in Hamburg lebenden | |
„Filmjunkie“, wie er sich selbst nennt, regelmäßig nach Berlin. | |
## Irres Flirren | |
Von Anfang an kämpfte Klick gegen Widerstand. Vor den Kulissen schönster | |
BRD-Tristesse erzählt sein Debütlangfilm „Bübchen“ (1968) von einem | |
vernachlässigten Jungen, der grundlos seine kleine Schwester ermordet – | |
eine in ruhigen Bildern gehaltene, aber umso wütender brodelnde Demontage | |
des Wirtschaftswunder-Kleinbürgertums. Den damaligen Kritikern, aber auch | |
der Konkurrenz aus dem Neuen Deutschen Film galt der Film als zu wenig | |
psychologisch, zu spekulativ. | |
„Deadlock“ (1970), Klicks wohl bekanntester Streich, ist ein in der | |
israelischen Wüste in Sichtweite zu damaligen militärischen Konfliktlinien | |
gedrehter, irre flirrender Krautrock-Western italienischer Machart, zu | |
dessen glühenden Fans niemand Geringeres als der legendäre Regisseur | |
Alejandro Jodorowsky gehört. | |
Wie Schakale umschleichen sich hier mitten im Nirgendwo zwei Bankräuber | |
sowie der junge Mario Adorf als verlassener Tropf, der sich im festen | |
Glauben, dass ihm das Glück endlich einmal zugezwinkert hat, ins Elend | |
reißt. | |
Ganz viel Existenzialismus, ganz viel Verzweiflung – und die Band Can | |
spielt dazu die angemessen pathetische, auf die 12 zielende Musik. | |
Unterhaltungskino lautete damals der Vorwurf – nach Intrigen aus der | |
Branche kam der Film nicht nach Cannes, wo er prominent laufen sollte. So | |
erzählt das Klick zumindest heute. | |
## Außenseiter im deutschen Filmbetrieb | |
Sein Film „Supermarkt“ handelt von einer Odyssee eines Gammlers durchs | |
Hamburger Milieu zwischen Elendskneipe, Kunstschickeria und Polizeibude, | |
der sich schließlich in einen Überfall auf den titelgebenden Supermarkt | |
verstrickt. Während die alte Filmbranche auf St. Pauli noch spekulative | |
Groschenheft-Filme fürs Bahnhofskino kurbelte, legte Klick mit der | |
melancholischen Untergangsballade aus dem Jahr 1974 neben Klaus Lemkes | |
„Rocker“ den zweiten definitiven Hamburg-Film vor. | |
Sechs Jahre, drei Meisterwerke, geboren in Schweiß und Tränen. Das mit den | |
Tränen blieb Klick erhalten: Weiterhin angefeindet, wurde es für ihn | |
beruflich schwieriger. Zum Fiasko geriet die Zusammenarbeit mit dem | |
Filmproduzenten Bernd Eichinger: Ursprünglich für „Die Kinder vom Bahnhof | |
Zoo“ vorgesehen, wurde Klick kurz vor Drehbeginn geschasst. Es folgte der | |
Berliner Punkfilm „White Star“ mit einem sensationell zugekoksten Dennis | |
Hopper, der den Film völlig an sich reißt und explodieren lässt – heute | |
eine interessante Filmruine. | |
Sandra Prechtels schönes Filmporträt über Klick, „The Heart is a Hungry | |
Hunter“, erzählt eindringlich von solchen Rückschlägen. Aber am besten hö… | |
man sich das alles selbst im Original an, wenn Klick im Lichtblick davon | |
erzählt. Sein schalkisches Lachen, seine unbändige Energie, seine Lust am | |
Erzählen hat er sich bis zuletzt bewahrt. | |
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
4 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Thomas Groh | |
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