# taz.de -- Ex-US-Militär über Konflikt mit Iran: „Niemand denkt strategisc… | |
> Der frühere US-Präsidentenberater Lawrence Wilkerson über die Krise mit | |
> dem Iran und den Unterschied zwischen Bombardements und Krieg. | |
Bild: „Er hat seine Erfahrung aus dem Reality-TV auf die US-Außenpolitik üb… | |
taz: Herr Wilkerson, Präsident Trump hat einen Angriff auf den Iran | |
gestartet und ihn im allerletzten Moment [1][wieder abgesagt]. Ist das | |
Kriegsrisiko damit vorüber? | |
Lawrence Wilkerson: Es war eine sorgfältig vorbereitete Kampagne. Trump hat | |
es aussehen lassen, als ob er bombardieren würde. Dann hat er abgeblasen. | |
Anschließend war die Spannung für Teheran gestiegen. Und das war exakt, was | |
er erreichen wollte. Allerdings ist es im Unterschied zu Nordkorea beim | |
Iran völlig unklar, ob die Vergrößerung der Spannung zu Erfolg führen wird. | |
Nach dem abgesagten Angriff ist das Kriegsrisiko oder zumindest das Risiko | |
von Aktionen, die unter der Ebene von Krieg laufen, aber dennoch tödlich | |
sind, ebenso hoch, wenn nicht sogar höher. | |
Sie unterscheiden zwischen Krieg und Bombardements? Wenn ich in Teheran | |
wäre und bombardiert würde, wäre das für mich Krieg. | |
Ein Krieg bedeutet, dass man versucht, den Feind zu Fall zu bringen. Diese | |
Bomben hätten nicht das Ziel gehabt, das Regime im Iran zu beenden, sondern | |
es in neue Gespräche zu zwingen. Trump hat keine Absicht, gegen die | |
Islamische Republik Iran in einen Krieg zu ziehen. | |
Wer sind die Leute, die Trump zu Angriffen gegen den Iran drängen? | |
Außerhalb der USA sind das Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, | |
der saudische Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman und | |
Muhammad bin Zayed, der Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie | |
alle sind darauf bedacht, dass die USA dem Iran eine Lektion erteilen. Das | |
bedeutet, werft ein paar Bomben auf Atomanlagen etc. im Iran. Saudi-Arabien | |
hat riesige Angst vor einerseits Irans Version des Islam, und andererseits | |
– und das ist noch wichtiger – vor Irans minimaler Version von Demokratie. | |
Letztere stellt eine Bedrohung für Saudi-Arabien dar. Weil die Saudis | |
selbst nicht die Fähigkeit haben, etwas gegen den Iran zu unternehmen, | |
wollen sie, dass die USA es für sie tun. Der frühere | |
US-Verteidigungsminister Bob Gates hat das so beschrieben: Saudi-Arabien | |
ist bereit, den Iran bis zum letzten toten Amerikaner zu bekämpfen. | |
Und wer drängt im Inneren der USA zu Angriffen gegen den Iran? | |
John Bolton, der Berater für die Nationale Sicherheit, Mike Pompeo, der | |
Außenminister und ein Teil des Verteidigungsministeriums, obwohl das im | |
Moment [2][keine Führung hat]. Außerhalb der Regierung ist da u. a. die | |
„Foundation for Defence of Democracies“, wo auch John Hannah arbeitet. Er | |
hat früher George W. Bushs Vizepräsidenten Dick Cheney als | |
Sicherheitsberater gedient und ist einer der Leute, die uns in den | |
Irak-Krieg geführt haben. Jetzt versucht er, uns in einen Krieg gegen den | |
Iran zu treiben. Im Senat gibt es Tom Cotton und Lindsey Graham, die | |
drängen. Sowie Leute wie der republikanische Senatschef Mitch McConnell, | |
der Trump die Carte blanche gegeben hat. Auch bei den Demokraten gibt es | |
eine Reihe von Leuten, die glauben, dass die USA einen Regimewechsel | |
erzwingen können. Dazu gehören der Fraktionsvorsitzende im Senat, Chuck | |
Schumer, Senator Bob Menendez und vermutlich auch Nancy Pelosi, die | |
Sprecherin des Repräsentantenhauses. | |
All diese Leute wissen, dass Bomben gegen den Iran eine riskante Sache | |
sind, die zu einem Krieg führen können. Wo wäre der Nutzen eines solchen | |
Krieges? | |
Aus einer engen Perspektive ist es eine positive Sache, weil sie jede Menge | |
Geld für den militärisch-industriellen Komplex bringt: Lockheed Martin, | |
Raytheon, Grumman, Boeing, United Technologies und andere. Außerdem | |
demonstriert man, dass die USA keine Hegemonie im Persischen Golf dulden. | |
Aber kaum jemand denkt über die Langzeitrisiken nach. In Trumps Regierung | |
denkt niemand über den nächsten Freitag hinaus. Niemand denkt strategisch. | |
Das ist ein riesiges Problem. | |
Was ist von den PräsidentschaftskandidatInnen der Demokratischen Partei zu | |
erwarten? | |
Die meisten haben Lippenbekenntnisse zu einer Rückkehr zum Atomabkommen mit | |
dem Iran abgelegt. Aber sie haben nicht den Mut, die Idee von Regimewechsel | |
aufzugeben. Und sie halten an der Idee fest, dass der Iran eine riesige | |
Bedrohung für die USA darstelle, was er ganz gewiss nicht ist. Die | |
Demokraten – und das ist eine alte Geschichte – wollen den Eindruck | |
vermeiden, dass sie schwach in Fragen der nationalen Sicherheit sind. | |
Sie waren Colin Powells Stabschef zu Beginn des Irakkriegs. Wo sind die | |
Parallelen und wo die Unterschiede zwischen 2003 und heute? | |
Damals gab es im Weißen Haus einen sehr schlauen und sogar brillanten | |
Manipulator des Nationalen Sicherheitssystems, Dick Cheney. Und wir hatten | |
einen niveauvollen Außenminister und einen einigermaßen niveauvollen | |
Verteidigungsminister. Die drei haben zwar keine Harmonie gehabt, aber sie | |
wussten zumindest, was sie taten. Jetzt haben wir den Nationalen | |
Sicherheitsberater John Bolton, der keineswegs das helle Licht ist, für den | |
ihn viele halten. Selbst Trump sagt, dass Bolton am liebsten Krieg gegen | |
die ganze Welt führen würde. | |
Warum hat er Bolton dann überhaupt ins Weiße Haus geholt? Schließlich hat | |
Trump gesagt, dass er keine Kriege und keinen Regimewechsel wolle. | |
Das ist Trumps persönliche Strategie, um die Spannung gegenüber Kim Jong | |
Un, dem Regime in Teheran, Putin und Maduro in Venezuela zu erhöhen. Ihr | |
könnt mir nicht trauen, ich könnte euch jeden Moment überfallen und ich | |
habe wirklich ein paar gefährliche Leute um mich herum. Also kommt und | |
sprecht mit mir. Trump selbst sieht dabei politischer aus, als er ist, aber | |
zugleich kriegerischer und unvorhersehbarer. | |
Trump spielt zwei gegensätzliche Rollen: Er ist sowohl Brandstifter als | |
auch Chef der Feuerwehr. Wo hat er das her? | |
Er hat seine Erfahrung aus dem Reality-TV auf die US-Außenpolitik | |
übertragen. Man muss bei US-Präsidenten immer schauen, was sie vorher getan | |
haben. Es wäre ein Fehler, da Raffinesse oder Ausgereiftheit | |
hineinzuinterpretieren. | |
Was würde zwischen den USA und Europa passieren, falls die USA tatsächlich | |
den Iran bombardieren? | |
Die USA werden noch isolierter sein als 2003. Ich glaube, es wird keinen | |
einzigen europäischen oder pazifischen Alliierten auf unserer Seite geben. | |
Vermutlich nicht einmal Indien. | |
Beide Seiten – sowohl Washington als auch Teheran – sagen, sie wollen | |
verhandeln. Wer könnte das in die Wege leiten? | |
Trump will mit dem Iran einen [3][Kim-Jong-Un-Moment] haben. Das bedeutet | |
nicht, dass irgend etwas Positives dabei herauskommt. Aber er glaubt, dass | |
er wieder gewählt wird, falls er diesen Moment bekommt. Eine Reihe von | |
Leuten könnten es einfädeln: der Sultan von Oman, der schon zwischen der | |
Obama-Regierung und dem Iran für Gespräche gesorgt hat. Der ägyptische | |
Präsident al-Sisi. Und auch der türkische Präsident Erdoğan. Der japanische | |
Premierminister Shinzo Abe hat ebenfalls Bereitschaft signalisiert. | |
Welchen Rat geben Sie Merkel und Macron in der Iran Krise? | |
Gebt dem Iran einen echten Anreiz, im Abkommen zu bleiben – in der Annahme, | |
dass in Washington ein neuer Präsident kommt, der wieder in den Vertrag | |
zurückkehrt. Aber leider fehlt es Europa an politischer Einheit und an | |
Courage. Ich befürchte, dass Europa zweigleisig vorgeht, indem es so tut, | |
als ob es [4][am Atomabkommen festhält, aber gleichzeitig die Kritik an | |
Teheran verstärkt]. Das wird – und es hat bereits begonnen – dazu führen, | |
dass der Iran das Abkommen verlässt. | |
4 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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