# taz.de -- Klimaproteste im Rheinland: Fürs Klima, gegen Kohle | |
> Der Protest gegen das Nichtstun wird stärker. 40.000 SchülerInnen von | |
> Fridays for Future demonstrieren gegen den Braunkohletagebau. | |
Bild: Gut abgeschirmt: Protest in Jüchen | |
AACHEN/VIERSEN taz | Es ist 9.38 Uhr, Freitag, und die erste Fackel brennt. | |
Diese Rauchfackel ist mehr so eine Kampfansage als schon der echte Kampf, | |
um den es hier geht. Rund 1.000 Menschen haben sich aufgestellt und es sind | |
also doch viele geworden. Es ist nur der erste Stoßtrupp einer größeren | |
Blockadegemeinschaft, die für das Wochenende angekündigt hat, die | |
Kohleinfrastruktur im Rheinland zu blockieren. | |
Rund 20 Kilometer südlich dieser selbst aufgebauten Widerstandszentrale im | |
westdeutschen Viersen liegt der Tagebau Garzweiler, eines der | |
traditionsreichsten Kohleabbaugebiete in Deutschland. Bereits seit über 100 | |
Jahren wird in der Region Braunkohle gefördert. Und es geht weiter. 11.400 | |
Hektar dürfen im Tagebau noch abgebaut werden. Das hat man RWE, dem | |
Betreiber, genehmigt. 35 Millionen Tonnen im Jahr dürfen rausgeholt werden. | |
Deshalb sollen in den kommenden Jahren weitere Dörfer in der Umgebung | |
weichen; es ist ein Gesellschaftskonflikt. | |
[1][Darum geht es hier in diesem Protestcamp in Viersen] und darum geht es | |
in den Orten wie Frimmersdorf und Niederaußem und Hochneukirch, an der | |
Tagebaukante – um die Zukunft der deutschen Energieversorgung und die | |
Frage, wer über sie bestimmt. | |
Schon vor Jahren haben sich Anwohnerbündnisse formiert, die gegen ihre | |
Enteignung protestieren – aber nun ist die europäische Klimabewegung | |
hinzugekommen; Tausende sind da, aber der Weg zu ihrem ersten Ziel ist | |
weit, mindestens 20 Kilometer. Die sind ein Problem, wenn die Polizei, wie | |
jetzt, den Bahnhof sperrt. | |
Ein großes Zirkuszelt steht auf dem Platz und drüben am antikapitalistisch | |
organisierten „Marktplatz“ schmieren sich KlimaschutzaktivistInnen am | |
Morgen Stullen mit Rote-Beete-Paste und einer Ersatznutella aus Bananenbrei | |
und Kakao. Das ist, was es auch früher schon gab. | |
## Zahlenmäßig womöglich historisches Ergebnis | |
Doch etwas hier ist neu: Es sind so viele junge Menschen hier, die vorher | |
noch nicht da waren; Schülerinnen und Schüler, und ihre Präsenz begründet | |
sich wohl weniger aus der seit Jahren wachsenden Anti-Kohle-Bewegung | |
selbst, sondern vor allem aus der Kraft der Fridays-for-Future-Bewegung, | |
die sich an diesem Wochenende an die Seite des bereits seit Jahren | |
bestehenden „Ende Gelände“-Protests gestellt hat – mit einem, jedenfalls | |
zahlenmäßig, womöglich historischen Ergebnis. | |
Denn 60 Kilometer entfernt, in der Stadt Aachen, die sonst für ihre | |
Reiterturniere und den Kaiserdom bekannt ist, [2][gehen an diesem Freitag, | |
dem 21. Juni, Zehntausende Menschen auf die Straße]. Es ist eine der wohl | |
größten Demonstrationen in der Geschichte der deutschen Schülerproteste; | |
organisiert von Kindern und Jugendlichen und, klar, auch ihren Eltern. | |
Als die vier Demonstrationen, die mit jeweils zehntausend TeilnehmerInnen | |
aus unterschiedlichen Orten der Stadt gestartet waren, schließlich die | |
Altstadt passieren und sich zu einem Aufzug zusammengeschlossen haben, | |
zählen die Veranstalter 40.000 Demonstrierende. Die größte | |
Fridays-for-Future-Demo jemals. | |
Es ist 13.48 Uhr, als am Rande der Demonstration eine Gruppe schwarz | |
vermummter Leute Transparente aus Fenstern rollen, grüne Rauchfackeln | |
zünden und Flugblätter in die Schülermenge werfen: Die Bastei ist besetzt, | |
steht darauf, und so sieht es auch aus. Die Bastei, einst eine legendäre | |
Nachtbar, in der Zarah Leander auftrat, nun also vorübergehend in der Hand | |
autonomer Klimaschützer. | |
## Es wird ein langes Wochenende | |
Es ist 14.10 Uhr, als junge Schülerinnen und Schüler sich gegenüber | |
niederlassen, Hunderte sind es, die auf der Straße sitzen und singen, und | |
es ist 15.04 Uhr, als die Deutsche Presse-Agentur meldet, auch [3][der aus | |
Aachen stammende YouTuber Rezo] habe sich dem Protest angeschlossen. So | |
breit also ist die Umweltbewegung in so kurzer Zeit geworden: von | |
linksradikalen Gruppen, die nur noch die Minderheit stellen, bis mitten | |
hinein in die Masse der Schülerinnen und Schüler. | |
Rezo, das war der, der [4][mit einem YouTube-Video] Millionen von Menschen | |
erreichte und damit kurz vor der Europawahl eine große Debatte über die | |
Zukunft der Klimaschutzpolitik in Deutschland ausgelöst hat. Hier auf der | |
Straße stehen nun seine Zuschauer und drüben, in der Nähe von Viersen, | |
versuchen die Blockadeaktivisten, irgendwie weiterzukommen. | |
Am Bahnhofsvorplatz haben sie Sonnensegel an Bushaltestellen gebunden und | |
ihre Bananen, Brote und Reiswaffeln ausgepackt. Der Bahnhof ist weiterhin | |
gesperrt, zu gefährlich, sagt die Polizei. Doch inzwischen liegt ein | |
Eilantrag vor. Demonstranten wollen gerichtlich erwirken, dass sie den | |
Bahnhof benutzen dürfen, um weiterzukommen. Schließlich aber lässt „Ende | |
Gelände“, so viel Geld ist wohl da, Busse chartern für de Weitertransport. | |
Die Strohsäcke, die viele der Aktivisten bei sich tragen, werden von der | |
Polizei beschlagnahmt. Die Schlafsäcke dagegen dürfen die Leute behalten. | |
Für Samstag und Sonntag sind Dutzende Demonstrationen, Blockaden und | |
Kundgebungen geplant. Es wird ein langes Wochenende. | |
21 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Klimaproteste-im-Rheinland/!5604779 | |
[2] /Aktionen-von-Fridays-for-Future-in-NRW/!5601982 | |
[3] /Rezo-im-Interview-mit-Boehmermann/!5602998 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Martin Kaul | |
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