| # taz.de -- Asylbewerberleistungsgesetz: Landesgrüne verteidigen ihr Ja | |
| > Grüne aus Baden-Württemberg und Hessen verweisen auf Verbesserungen in | |
| > umstrittenem Gesetz. Pro Asyl kritisiert sie als „Steigbügelhalter“ | |
| > Seehofers. | |
| Bild: Brachte seine Parteifreunde in Berlin mal wieder in Verlegenheit: Winfrie… | |
| Berlin taz | Die Grünen in Baden-Württemberg und Hessen haben ihr [1][Ja zu | |
| einer Asylrechtsverschärfung] der Großen Koalition verteidigt. „Das war ein | |
| Kompromiss – zugegebenermaßen ein schwieriger“, sagte Volker Ratzmann, der | |
| Bevollmächtigte des Landes Baden-Württemberg beim Bund, am Dienstag der | |
| taz. „Wir haben in dem Gesetz auch Punkte durchgesetzt, die uns wichtig | |
| waren.“ So werde für Asylbewerber endlich eine Lücke beim Bafög | |
| geschlossen, wofür seine Landesregierung seit Jahren gekämpft habe. | |
| Die von Grünen mitregierten Länder Baden-Württemberg und Hessen hatten am | |
| Freitag im Bundesrat dem umstrittenen Asylbewerberleistungsgesetz der Groko | |
| zugestimmt. Im Bund lehnen die Grünen das Gesetz strikt ab, auch andere von | |
| Grünen mitregierte Länder stimmten dagegen. Baden-Württemberg und Hessen | |
| brachen also mit der gängigen Parteilinie (die taz berichtete). | |
| Besonders ein Punkt wird von den meisten Grünen scharf kritisiert: Das | |
| Gesetz kürzt die Zuwendungen für in Sammelunterkünften untergebrachte | |
| Asylbewerber um zehn Prozent. Sie könnten Gebrauchsgüter gemeinsam nutzen, | |
| so das Argument. Wildfremde Menschen unterschiedlicher Nationalität, | |
| Herkunft und Sprache werden also wie eheliche Bedarfsgemeinschaften | |
| behandelt. Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte dies am Montag als | |
| „verfassungsrechtlich problematisch“ bezeichnet. | |
| Gleichzeitig sieht das Gesetz aber Verbesserungen vor. So standen bisher | |
| Asylbewerber, die ein Studium oder eine Berufsausbildung absolvieren, ab | |
| einem bestimmten Zeitpunkt ohne Unterstützung da. Dies wird nun geändert. | |
| Auch Hessens Grünen-Chefin Sigrid Erfurth verwies auf diese Reform. „Dies | |
| ist eine wichtige Neuerung, die es Geflüchteten ermöglicht, so früh wie | |
| möglich ein Studium oder eine Ausbildung aufzunehmen“, sagte sie. | |
| ## „Streit auf Rücken der Betroffenen ausfechten?“ | |
| Außerdem werden die Leistungen für viele Asylbewerber angehoben. Die | |
| Koalition setzt damit etwas um, was das Verfassungsgericht schon vor Jahren | |
| angemahnt hatte. „Die vom Verfassungsgericht geforderten Erhöhungen der | |
| Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend der aktuellen | |
| Verbrauchsstichprobe konnten nur durch eine Verabschiedung des Gesetzes | |
| durchgesetzt werden“, sagte Erfurth weiter. „Davon werden insbesondere | |
| Familien mit Kindern profitieren.“ | |
| Ratzmann argumentierte, dass Asylbewerber im Falle einer Blockade im | |
| Bundesrat weiter mit zu niedrigen, de facto verfassungswidrigen Leistungen | |
| hätten leben müssen. „Durften wir diesen politischen Streit noch weiter auf | |
| dem Rücken der Betroffenen ausfechten?“ Das sei umstritten gewesen. „Ich | |
| finde nein.“ | |
| Am Ende geht es um eine Abwägung. Die Grünen in Baden-Württemberg und | |
| Hessen finden die Verbesserungen in dem Gesetz wichtiger als die | |
| Verschlechterungen. Die allermeisten Grünen sehen es anders. Auch die | |
| Regierungsbündnisse spielen eine Rolle. Baden-Württembergs | |
| Ministerpräsident Winfried Kretschmann regiert in einer grün-schwarzen | |
| Koalition, Hessen wird von einem schwarz-grünen Bündnis regiert. Die CDU | |
| fährt bekanntlich eine rigidere Linie in der Flüchtlingspolitik als die | |
| Grünen. | |
| ## Scharfe Kritik von Pro Asyl | |
| Die Hessin Sigrid Erfurth räumte ein, Probleme mit den Kürzungen in | |
| Sammelunterkünften zu haben. „Die Leistungseinschränkungen für | |
| alleinstehende Asylsuchende in Gemeinschaftsunterkünften sehen wir hingegen | |
| kritisch und halten sie sogar für verfassungsrechtlich bedenklich.“ Die | |
| Kürzungen seien „realitätsfern und unangemessen.“ Hessens Grüne haben al… | |
| einem Gesetz zur Mehrheit verholfen, das sie in Teilen für | |
| verfassungsrechtlich bedenklich halten. | |
| Bei vielen Grünen kam das Ja von Baden-Württemberg und Hessen schlecht an. | |
| „Chance verpasst, auf Humanität zu setzen“, twitterte die niedersächsische | |
| Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Parteichefin Baerbock hatte sich am Montag | |
| um Schadensbegrenzung bemüht und betont: Der Grünen-Vorstand, die | |
| Bundestagsfraktion und die Mehrheit der Länder-Grünen seien sich einig, dem | |
| Gesetz nicht zuzustimmen. | |
| Scharfe Kritik kam von der [2][Menschenrechtsorganisation Pro Asyl]. „Die | |
| Grünen in Baden-Württemberg und Hessen haben sich zu Steigbügelhaltern für | |
| Seehofers Ausgrenzungspolitik gemacht“, sagte Geschäftsführer Günter | |
| Burkhardt der taz. Hätten sich ihre Regierungen im Bundesrat enthalten, | |
| hätte man wertvolle Zeit gewonnen. „Dann hätten die drastischen | |
| Verschärfungen im Vermittlungsausschuss in Ruhe und Abwägung aller | |
| Argumente beraten werden können.“ Stattdessen hätten die Grünen das Gesetz | |
| aktiv beschlossen – und die Debatte beendet. | |
| 2 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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