# taz.de -- TAN-Umstellung kompliziert und teuer: Sag zum Abschied leise TAN | |
> Ab Mitte September gelten Tan-Listen beim Onlinebanking nicht mehr, das | |
> Verfahren soll sicherer werden. In Foren wüten nun zahlreiche Kund:innen. | |
Bild: Adieu mit ö | |
Also: 123456, ficken, hallo, passwort. Kein Witz, sondern laut einer | |
Analyse des Hasso-Plattner-Instituts vier der zehn meistgewählten | |
Passwörter, die Nutzer:innen in Deutschland im vergangenen Jahr | |
verwendeten. Die Deutschen, so folgerte Institutsdirektor Christoph Meinel, | |
sind nicht nur wenig kreativ. Sondern auch leichtsinnig. | |
Beim [1][Onlinebanking] wird es demnächst schwieriger mit der | |
Leichtsinnigkeit. Spätestens zum 14. September schaffen die Banken | |
flächendeckend das iTAN-Verfahren ab. Wer dann eine Überweisung tätigen | |
will, darf nicht länger aus einer Papierliste die dafür angeforderte | |
Transaktionsnummer (TAN) heraussuchen, sondern muss sich ein alternatives | |
Verfahren suchen. | |
Grundlage dafür ist eine europäische Richtlinie, die kurz PSD2 genannt | |
wird. Erste Elemente sind bereits 2018 in Kraft getreten, zum Beispiel | |
wurden zusätzliche Gebühren bei der Kartenzahlung abgeschafft. Doch nun, | |
im September, wird es für Verbraucher:innen unbequemer: „TANs dürfen damit | |
künftig nicht mehr auf Vorrat erzeugt werden, wie bei einer Liste, sondern | |
erst in dem Moment, in dem sie gebraucht werden“, sagt David Riechmann, | |
Banken-Experte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. | |
Kund:innen müssen sich dann für eine Überweisung sicherer authentifizieren | |
als bislang. Sicherer, das heißt: Von den drei Kategorien Wissen, Haben und | |
Sein müssen sie zwei erbringen und die beiden Elemente müssen voneinander | |
unabhängig sein. Wissen, das wäre beispielsweise das Passwort für den | |
Login. Haben, das kann zum Beispiel ein zusätzliches Gerät sein, das die | |
TAN erzeugt. Und Sein, darunter fallen biometrische Merkmale, etwa der | |
Fingerabdruck. | |
## Schönes Wirrwarr | |
Und da fangen die Probleme an. Denn statt auf eine – zumindest fakultativ | |
angebotene – branchenweite Alternative setzen die Banken viel daran, ihre | |
eigenen Insellösungen zu schaffen: Die meisten haben eine eigene App, viele | |
bieten Kund:innen an, die TAN per SMS zu versenden, häufig allerdings gegen | |
extra Gebühren pro verschickter Nachricht. Wer weder App noch SMS möchte, | |
kann einen TAN-Generator verwenden, der mal ein Lesegerät ist, in das man | |
die Karte stecken muss, mal nicht, aber bei beiden Varianten gilt: | |
Kund:innen müssen das Gerät in der Regel kaufen. | |
Eine Familie, deren Mitglieder Girokonten bei drei verschiedenen Banken | |
haben, kann sich damit in folgender Situation wiederfinden: Bank A hat die | |
Listen schon abgeschafft und schickt die Transaktionsnummer per SMS. Wer | |
das nicht möchte oder kein Handy hat, muss in ein Gerät investieren, das | |
die TAN per animierter Grafik, QR-Code oder Bluetooth überträgt. Das kostet | |
dann zwischen knapp 10 und gut 30 Euro. Immerhin: pro Gerät, nicht pro TAN. | |
Bank B dagegen bietet noch bis September das iTAN-Verfahren an, versucht | |
aber schon heute, ihre Kund:innen zu überzeugen, dass sie stattdessen | |
besser die eigens programmierte App nutzen mögen. Zu haben ist die über | |
iTunes oder Googles Play-Store. Menschen, die ihr Smartphone ohne | |
Google-Dienste nutzen, können sich den Code zwar per SMS schicken lassen, | |
und für alle anderen soll es rechtzeitig vor September auch noch einen | |
TAN-Generator geben. Dessen Preis ist noch unklar, doch was schon sicher | |
feststeht: Kompatibel mit anderen Banken soll er nicht sein. | |
Bank C hingegen bietet ebenfalls TANs per SMS und per Generator | |
(Kostenpunkt bei dieser Bank zwischen knapp 20 und über 70 Euro), empfiehlt | |
jedoch allen, die auch mal aus dem Auslandsurlaub eine Überweisung | |
vornehmen wollen, Letzteres. Denn SMS kämen da manchmal verspätet an. | |
„Für Kunden kann die Umstellung Anschaffungskosten oder Komplikationen | |
bedeuten“, fasst Verbraucherschützer Riechmann zusammen. Im Onlineforum der | |
ING-Bank – nach eigenen Angaben kundenmäßig die drittgrößte Bank | |
Deutschlands – liest sich das zum Beispiel so: „Ich bin betrübt dazu, dass | |
meine jahrelange Hausbank mich gefühlt im Regen stehen läßt, indem MEINE | |
Bedürfnisse im Vorfeld gar nicht abgefragt wurden“, schreibt ein Nutzer, | |
ein anderer, weniger diplomatisch: „Ich bin soeben von der Postbank auch | |
mit dem Girokonto zu ING gewechselt und finde hier jetzt dieselbe Sch… | |
vor.“ | |
Denn ob man sich für SMS, App oder TAN-Generator entscheidet, hat nicht nur | |
etwas mit den individuellen Vorlieben in Sachen Bequemlichkeit und Kosten | |
zu tun. Sondern auch mit der Frage: Wie sicher darf es denn sein? | |
Das Dilemma von ING-Kund:innen, die künftig die Auswahl zwischen drei | |
Verfahren haben, ist typisch – denn diese Wahlmöglichkeiten sind es, die | |
üblicherweise angeboten werden: Option 1: Die TAN kommt per SMS. Das klingt | |
bequem, ist aber nicht besonders sicher – in der Praxis haben es Kriminelle | |
schon geschafft, die Codes mit SIM-Karten-Duplikaten abzufischen. | |
Option 2: eine App. Voraussetzung dafür ist ein Smartphone, dessen | |
Betriebssystem nicht zu alt sein darf, und die Bereitschaft, je nach | |
Betriebssystem Apple oder Google an der Information teilhaben zu lassen, | |
bei welcher Bank man das Girokonto unterhält. Das Verfahren per App gilt | |
als weitgehend sicher – aber nur, wenn Kund:innen für die Überweisung | |
selbst ein zweites Gerät, zum Beispiel ein Notebook, nutzen. Sonst ist das | |
Risiko zu hoch, dass Angreifer:innen das Gerät hacken und Überweisungen | |
umleiten können. | |
Option 3: ein TAN-Generator. Der gilt derzeit als sicherste Methode – | |
allerdings müssen die Kunden hier in aller Regel für die Anschaffung | |
zahlen. Die Preise unterscheiden sich von Bank zu Bank beträchtlich und | |
gehen etwa bei 10 Euro los. Die ING kündigte bereits an, dass der Generator | |
kostenpflichtig sein wird und nicht für andere Banken verwendet werden | |
kann. | |
## Jeder Klick ein Risiko | |
Zsófia Köhler, Sprecherin der ING, erklärt, man habe sich gegen ein offenes | |
System entschieden, „weil wir als Bank ein Sicherheitsversprechen für | |
unsere Kunden geben, welches wir nur für eigene Lösungen garantieren | |
können“. Andere Banken scheinen das allerdings durchaus hinzukriegen: So | |
bieten etwa Volksbanken ein Gerät an, das auch bei anderen Instituten | |
einsetzbar ist. Umgekehrt können Kund:innen dann auch Geräte von anderen | |
Banken verwenden, wenn sie den entsprechenden technischen Standard | |
unterstützen. Auf eigene Faust zu probieren, ob nicht auch andere Geräte | |
funktionieren, sollten allerdings nur Menschen, die wirklich wissen, was | |
sie da technisch tun. Denn falls es dann Kriminellen gelingt, Geld von dem | |
Konto abzugreifen, wäre es für die Bank ein Leichtes, eine Erstattung zu | |
verweigern. | |
David Riechmann rechnet damit, dass die Zahl der Kund:innen, die von der | |
Umstellung überrascht werden, zunimmt, je näher der September kommt. Und | |
damit auch die Zahl der Beschwerden. „Wer nur alle paar Monate mal online | |
auf sein Konto schaut, wird sich dann fragen, wie er eine – zumal | |
kostenfreie – Überweisung tätigen kann.“ | |
Banken, die noch auf die Listen setzen, versuchen daher jetzt schon, | |
Kund:innen zum Umstieg zu bewegen. Und tatsächlich: Auch das nutzen | |
Kriminelle bereits aus. In fingierten Bank-E-Mails versuchen sie, die | |
Empfänger:innen dazu zu bewegen, ihre Daten auf Webseiten, die | |
vermeintlich von der eigenen Bank stammen, einzugeben. Die nächste | |
Sicherheitslücke ist eben immer nur einen Klick entfernt. | |
2 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Gerichtsurteil-zu-Onlinebanking/!5429358 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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