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# taz.de -- Traumatisierte Geflüchtete in Hamburg: Streit um neues Zentrum
> Am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf soll eine Anlaufstelle bestehende
> Angebote für traumatisierte Geflüchtete bündeln. Doch es gibt
> Diskussionen.
Bild: Manche Last bleibt unsichtbar: Jesidin in einem Flüchtlings-Zeltlager im…
Hamburg taz | Mehr als drei Jahre hat es gedauert, jetzt wird der
[1][Bürgerschaftsantrag von SPD und Grünen] aus dem März 2016 umgesetzt: Ab
Juli bekommt Hamburg ein neues Zentrum für traumatisierte Geflüchtete.
Damit soll ein jahrelanges Provisorium beendet werden, allerdings nicht mit
einer unabhängigen Einrichtung, sondern mit einer Anlaufstelle am
Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), die als zentrale Anlaufstelle für
Betroffene bestehende Angebote bündelt. Dass der Zuschlag von Sozial- und
Gesundheitsbehörde damit an einen staatlichen Träger geht, sieht der
Hamburger Verein [2][Seelische Gesundheit, Migration und Flucht (Segemi)]
kritisch. Behandelnde Psychotherapeut*innen fordern vor allem mehr
Therapieplätze.
Denn der Bedarf ist riesig. Traumatische Erfahrungen macht jede und jeder,
die oder der sich auf die Flucht begibt. Traumatische Erkrankungen folgen
darauf nicht immer, doch umfassenden Studien zufolge leiden bis zu 30
Prozent aller Geflüchteten unter einer posttraumatischen Belastungsstörung
oder einer depressiven Erkrankung. Für 2017 wären es somit bei rund 1,5
Millionen registrierten Geflüchteten in Deutschland etwa 465.000, bei denen
ein Behandlungsbedarf abgeklärt werden müsste, rechnet Daniela Krebs von
der Bundesweiten [3][Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für
Flüchtlinge und Folteropfer (Baff)] vor.
Da das Gesundheitssystem für Geflüchtete oft nur eingeschränkt zugänglich
sei, seien es in der Regel die 41 psychosozialen Zentren für Flüchtlinge
und Folteropfer, bei denen sie Hilfe suchten, erklärt Krebs. Zu diesen
Zentren gehören in Hamburg Segemi und die Praxisgemeinschaft [4][Haveno],
die jedoch nur fünf Prozent der potenziell Betroffenen vermitteln und
behandeln.
## Verschärfte Gesetze
Hinzu kommt laut Krebs, dass die verschärften Asylgesetze die Bedingungen,
unter denen Geflüchtete Unterstützung finden können, zunehmend
verschlechtern und diesen eine sichere Perspektive nehmen. Aktuell zeige
sich das am umstrittenen „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“. Das Gesetz, sagt
Krebs, „erschwert es, erlittene Folter oder psychische Traumatisierungen im
Asylverfahren geltend zu machen“. Der Grund: Es erlaubt nur noch
Fachärzt*innen, Gutachten zu schreiben. Psychotherapeut*innen würden damit
von der Unterstützung von Flüchtlingen im Asylverfahren ausgeschlossen,
kritisiert die Baff.
Der Andrang auf Praxen ist trotzdem weiterhin enorm: „Wir bekommen täglich
fünf oder sechs neue Anfragen“, berichtet die Psychotherapeutin Julia
Fischer-Ortmann von ihrem Arbeitsalltag bei Haveno. An wen sie
Patient*innen in Hamburg vermitteln könnten, wenn sie selbst keine
Kapazitäten haben, ist für sie unklar. Denn Segemi bemühe sich zwar zu
vermitteln, doch auch das sei schwierig.
„Die Wartelisten werden länger und länger und die Geflüchteten immer
verzweifelter“, bestätigt Marina Mörchel von Segemi. Hürden in der
täglichen Arbeit sieht sie vor allem darin, Psychotherapeut*innen zu
finden, die die Muttersprache der Betroffenen sprechen – gefragt seien
Arabisch, Farsi und auch Russisch für Geflüchtete aus Tschetschenien. Auch
wenn in Hamburg seit 2018 ein Fonds von 400.000 Euro die Arbeit von
Dolmetscher*innen finanziert, seien nicht alle Therapeut*innen bereit, mit
Übersetzer*innen zusammenzuarbeiten, sagt Mörchel. Julia Fischer-Ortmann
von Haveno sieht die große Herausforderung für eine Koordinierungsstelle
darin, mehr Psychotherapeut*innen dazu zu bringen, mit Geflüchteten
zusammenzuarbeiten.
Segemi hatte sich nach der Ausschreibung der Sozial- und Gesundheitsbehörde
um die Mittel in Höhe von einer Million Euro pro Jahr beworben, die nun an
das UKE gehen. Dass das neue Angebot an das reguläre Gesundheitssystem
angegliedert werden soll, findet Segemi problematisch. Denn der Zugang
dorthin sei eben nicht für alle gesichert. Dennoch hat der Verein die
Hoffnung noch nicht ganz aufgeben: Die Verhandlungen seien noch nicht
endgültig abgeschlossen, heißt es von dort. Ein Sprecher der Sozialbehörde
sagt, wie genau die Arbeit mit welchen Stellen aussehen werde, sei
Gegenstand der Planung.
## Von Bremen lernen
Aus Bremen verfolgt man die Bemühungen in Hamburg schon lange. Immer mal
wieder gründeten sich in der größeren Hansestadt mehr oder weniger
erfolgreiche Initiativen, um die psychosoziale Betreuung Geflüchteter zu
koordinieren. Diese wendeten sich auch an [5][Refugio Bremen], berichtet
dessen psychotherapeutische Leiterin Ingrid Koop. Das Beratungs- und
Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer besteht seit 30 Jahren.
Das Erfolgsrezept? „Kräfte bündeln“, sagt Koop. So hat Refugio einen klar…
Schwerpunkt auf psychotherapeutische Therapien und Fortbildungen.
Dass das Koordinieren in Hamburg schwieriger sei, liege wohl auch an der
Größe der Stadt. „Da gibt es schneller Konkurrenz und Streit um Mittel und
Zuschläge“, sagt Koop. Funktionierende Angebote gebe es in Hamburg bereits,
deshalb sieht sie den Ansatz kritisch, gänzlich neue Stellen zu schaffen: „
Man soll lieber das stärken, was bereits da ist.“
Wichtig für die Arbeit findet Koop, möglichst unabhängig zu bleiben. „Wir
haben uns immer gegen die Eingliederung in einen Wohlfahrtsverband oder die
Kirche entschieden“, sagt sie. Bei Refugio setzt man auf eine
Mischfinanzierung. Der größte Anteil sollten staatliche Mittel sein, so
Koop, schließlich sei die Versorgung Geflüchteter eine staatliche Aufgabe.
Es gelte gerade jetzt, da verschärfte Asylgesetze und unsichere
Lebensbedingungen Traumata begünstigten: „Schließt euch endlich zusammen!“
28 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/52144/koordinierendes_zent…
[2] http://www.segemi.org/
[3] http://www.baff-zentren.org/
[4] https://www.haveno.de/
[5] https://www.refugio-bremen.de/
## AUTOREN
Milena Pieper
## TAGS
Geflüchtete
Gesundheit
Hamburg
Bremen
Psychotherapie
Seenot
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
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„Refugio“.
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