| # taz.de -- Flüchtlinge machen Kunst: Im Land der Kartoffeln | |
| > Bilder, Fotos und Kollagen von Geflüchteten geben in der VHS im Bamberger | |
| > Haus Einblicke in die Therapie-Arbeit des psychosozialen Zentrums | |
| > „Refugio“. | |
| Bild: Minimalistisch: Mohammed hat sein Vorbild fotografiert. | |
| Mohammed hat eine Batman-Figur fotografiert. Der Superheld ist sein | |
| Vorbild. Auch Pferde und Hühner hat der Achtjährige abgelichtet. Wenn er | |
| groß ist, möchte er Tierarzt werden, und könnte er ein Tier sein, dann wäre | |
| er ein Löwe. Träume, Visionen und Wünsche zu formulieren, darum ging bei | |
| einem Projekt mit geflüchteten Kinder im psychosozialen Zentrum „Refugio“. | |
| Die Fotos zeigen Spielzeug-Dinosaurier, eine Verkäuferin oder eine Lehrerin | |
| mit ihrer Klasse. Sie sind Teil der Ausstellung „Von Kartoffeln und | |
| Aprikosen“ mit rund 70 Werken, die Geflüchtete in Kunsttherapie-Sitzungen | |
| in den vergangenen Jahren geschaffen haben und die noch bis zum 22. | |
| November in der VHS im Bamberger Haus ausgestellt werden. Nicht alle | |
| Exponate sind so leicht zu verdauen wie die Wunsch-Fotos von Mohammed. | |
| Auf dem Bild „Das große Massaker“ hat ein 11-jähriges Mädchen aus dem | |
| Kosovo festgehalten, was sie erlebt hat. Drei Männer drangen in das Haus | |
| ein und verübten Grausamkeiten an den Eltern. Anschließend musste die | |
| Familie ein Feld voller Leichen durchqueren, um das eigene Leben zu retten. | |
| Ein 14-Jähriger Junge aus Liberia hat Soldaten mit Gewehren gezeichnet, mit | |
| Häusern im Hintergrund und einer Leiche am Boden. Andere Bilder zeigen | |
| große rote und schwarze Flächen. Sie zeugen von unsagbarem Leid, das noch | |
| keinen konkreten Ausdruck findet. | |
| „Oft fehlen die Worte für ein erlebtes Trauma“, sagt Verena Wetzel, | |
| Kunsttherapeutin bei Refugio. Die Kunst ermögliche, sich kontrolliert und | |
| mit einer gewissen Distanz dem Erlebten zuzuwenden. Es gehe darum, | |
| Ohnmachtsgefühle zu überwinden und Stabilität zu erfahren. | |
| Eine 42-jährige Frau aus dem Kosovo hat Mandalas ausgemalt. Die Vorlagen | |
| boten ihr Halt, angesichts ihres psychischen Zustandes war schon die | |
| Entscheidung über die Farben und deren Platzierung innerhalb der Vorlagen | |
| viel für sie. | |
| „Die meisten Menschen, die zu Refugio kommen, sind vor Krieg geflohen, vor | |
| organisierter Gewalt, Folter oder angedrohter Folter“, so Wetzel. Andere | |
| Fluchtgründe seien geschlechtsspezifisch, wie eine drohende Zwangsheirat | |
| oder Genitalverstümmelung. | |
| Bis zu 260 Menschen werden jährlich bei Refugio betreut. Das Zentrum wurde | |
| 1989 gegründet und ist eines der ältesten Beratungs- und Behandlungszentren | |
| für Flüchtlinge und Folterüberlebende in Deutschland. Die sieben | |
| MitarbeiterInnen behandeln zu einem Drittel Flüchtlinge aus Niedersachsen, | |
| weil es dort an Angeboten fehlt. Das Konzept in Bremen umfasst | |
| Psychotherapie, Kunst- und Musiktherapie, Körper- und Bewegungstherapie. | |
| Das alles wird bei Refugio durch Spenden und einen breiten Kreis aus | |
| ehrenamtlichen UnterstützerInnen ermöglicht. | |
| Denn eine gesundheitliche Behandlung von Flüchtlingen wird laut dem | |
| „Asylbewerberleistungsgesetz“ vom Staat nur bei „akuten Erkrankungen und | |
| Schmerzuständen“ bezahlt. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft | |
| psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer kritisiert vor | |
| diesem Hintergrund seit Langem, dass eine ausreichende | |
| Gesundheitsversorgung für Flüchtlingen in Deutschland nicht sichergestellt | |
| ist. Der Verband geht davon aus, dass 40 Prozent der Flüchtlinge | |
| traumatisiert sind. | |
| Ausländerrechtliche Hürden bedrohen laut Wetzel den Erfolg der Therapie: | |
| „Gerade in der Traumatherapie geht es klassischerweise darum, für eine | |
| Linderung oder Heilung ein sicheres Lebensumfeld herzustellen. Bei den | |
| Menschen, die zu uns kommen, ist das sehr selten der Fall“, sagt sie. Die | |
| unsichere Zukunft bestimme den Alltag. „Wir erleben oft, wie das Auslaufen | |
| einer Duldung und die Drohung einer Abschiebung alles zunichte macht, was | |
| in einem Therapieprozess erarbeitet wurde.“ Viele psychische Reaktionen | |
| entstünden laut Wetzel auch, wenn Leid und Verfolgung in Deutschland nicht | |
| anerkannt würden und die Menschen sich auch hier nicht in Sicherheit | |
| fühlen. | |
| ## Täglich bis zum 22. 11., VHS, Faulenstr. 69, 1. Etage | |
| 4 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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