# taz.de -- Grünen-Politiker über Bremer Koalition: „Jamaika war nie mein T… | |
> Der Geschäftsführer der Grünen Michael Kellner begrüßt ein Linksbündnis | |
> in Bremen. Im Bund rät er zur Offenheit. | |
Bild: Michael Kellner bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen 2018 | |
Herr Kellner, Sie nennen die [1][Koalitionsverhandlungen Ihrer Partei mit | |
SPD und Linken] in Bremen ein „Signal“. Ist es auch ein Signal an den Bund? | |
Michael Kellner: Na, ich habe das erst mal nur auf Bremen bezogen. Meines | |
Erachtens wäre es dort die richtige Koalition. Ich würde mich freuen, wenn | |
es neben Thüringen und Berlin auch in einem westdeutschen Bundesland zu | |
einem weiteren rot-grün-roten Bündnis kommt. | |
Zwei Umfragen sahen die Grünen zuletzt so stark, dass im Bund knappe | |
Mehrheiten für ein Linksbündnis unter grüner Führung möglich scheinen. | |
Lösen Sie die SPD als Volkspartei der linken Mitte ab? | |
Volksparteien sind für mich ein Konzept des 20. Jahrhunderts. Das bedeutet: | |
Ecken und Kanten abschleifen, beliebig sein. Das sind wir nicht. Und noch | |
etwas: Ich komme gerade aus Düsseldorf. Dort haben wir vor zwei Jahren noch | |
um den Einzug in den Landtag gekämpft. In so instabilen Zeiten muss man | |
sich alles immer neu erkämpfen. Deswegen darf man sich auf Umfragen nicht | |
ausruhen, sondern muss kontinuierlich daran arbeiten, den | |
Vertrauensvorschuss einzulösen. | |
Angesichts der Lage der Groko könnten sich die Grünen aber bald im | |
Wahlkampf wiederfinden. Wäre es da nicht sinnvoll, klarzumachen, was die | |
WählerInnen kriegen, wenn sie Grün wählen? | |
Das machen wir doch: Wer Grün wählt, kriegt echten Klimaschutz, sozialen | |
Zusammenhalt, bezahlbare Mieten und eine klare Haltung gegen | |
Rechtsextremisten. | |
Gerade diese Inhalte teilen Sie sich mit SPD und Linken. Warum sagen die | |
Grünen nicht, dass ihnen ein Linksbündnis lieber wäre? | |
Lange Zeit war es so, dass der linke Flügel der Partei gesagt hat, | |
Schwarz-Grün ist des Teufels und der andere Flügel hat gesagt, Rot-Rot-Grün | |
ist des Teufels. Dass wir heute so eine gefestigte Partei sind, liegt auch | |
daran, dass wir erwachsen geworden sind. Es ist doch so: Das Parteiensystem | |
ist massiv in Bewegung, die alten Gewissheiten sind überholt. Wir besinnen | |
uns nun auf uns selbst und unsere Inhalte. Jamaika war nie mein Traum. Aber | |
ich habe das trotzdem vor zwei Jahren sehr ernsthaft sondiert – als | |
Alternative zur Großen Koalition. Dass wir heute in der Lage sind, in | |
verschiedenen Koalitionen zu koalieren, ist also eine Stärke. | |
Die Grünen profitieren gerade vom Image der Bewegungspartei, getragen von | |
der Fridays-for-Future-Welle. Wird sich das abnutzten, falls Ihre Partei in | |
Regierungsverantwortung kommt? | |
Die Grünen haben eine lange Tradition als Bewegungspartei. Unser Ziel war | |
und ist es, Anliegen und Personen progressiver Bewegungen in die Politik | |
reinzuholen. Und ich freu mich erst mal wahnsinnig über diese | |
Politisierung. Wissen Sie, ich habe Wahlkämpfe 2014 und 2017 gemacht, da | |
haben wir auf die gleiche Weise versucht, das Klimathema zu setzen. Aber es | |
ist uns nicht gelungen, das Thema auf laut zu stellen. Erst danach ist die | |
Klimakrise so richtig im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen. Verspätet | |
zahlt es sich aus, dass wir da schon so lange dran gearbeitet haben. | |
Ein Streitpunkt in Bremen war die Lockerung der Schuldenbremse. Die Grünen | |
waren dagegen, die Linke dafür. Jetzt haben Sie sich kürzlich in einem | |
Interview ebenfalls für „Veränderungen“ bei der Schuldenbremse | |
ausgesprochen. | |
Manchmal wird vergessen, dass die Grünen damals gegen die Einführung der | |
Schuldenbremse gestimmt haben, weil sie Investitionen nicht berücksichtigt. | |
Wir sehen doch im Land einen wahnsinnigen Investitionsbedarf. Insbesondere | |
den Klimaschutz kriegen wir nicht vorangebracht ohne massive öffentliche | |
Investitionen. Es ist toll, wenn sich Start-ups gründen und Innovation | |
voranbringen, aber das alleine reicht nicht, wenn wir den Öffentlichen | |
Nahverkehr stärken oder die nötige Infrastruktur für Elektromobilität | |
aufbauen wollen. Grade in einer sich verschlechternden Konjunktur, ist es | |
notwendig, zu investieren. Wir sollten unseren Kindern keine verrottete | |
Infrastruktur hinterlassen, aber auch keine ruinierten Finanzen. | |
6 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Alicia Lindhoff | |
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