| # taz.de -- Eröffnung CityLab: Verwaltung bald digitalisiert ;) | |
| > Behörden in Berlin sollen schneller und digitaler werden. Die Ideen dafür | |
| > sollen aus dem neuen CityLab kommen. Bei Radwegen könnte WhatsApp helfen. | |
| Bild: Männer, die auf Roboter starren: Michael Müller (SPD) und Entourage bei… | |
| Berlin taz | Fahrradwege über WhatsApp planen und Bäume via Intranet | |
| vernetzen – so könnte Berlin als Smart City aussehen. Weitere Ideen für die | |
| digitale Stadt soll das CityLab liefern, das am Mittwoch am Tempelhofer | |
| Feld seine Eröffnung feierte. Bis voraussichtlich 2021 findet es in dem 800 | |
| qm großen Offiziershotel im Tempelhofer Flughafengebäude Platz. | |
| Das CityLab ist bundesweit die erste städtisch geförderte digitale | |
| Experimentierwerkstatt und soll als Ort der Bündelung von Wissenschaft, | |
| Wirtschaft und der Verwaltungen dienen. In enger Zusammenarbeit mit | |
| entsprechend ausgerichteten Start-ups sollen dort träge Behördenabläufe | |
| angekurbelt werden – und irgendwann soll dann die Umsetzung eines | |
| Zebrastreifens in Berlin vielleicht [1][keine drei Jahre mehr dauern]. | |
| Immerhin hat die Landesregierung erkannt, dass sie etwas gegen langsame | |
| Verwaltungsprozesse der stetig wachsenden Stadt tun muss und im Mai einen | |
| Zukunftspakt unterzeichnet. Die darin vereinbarte Verwaltungsreform sieht | |
| neben effizienterer innerbehördlicher Zusammenarbeit eine | |
| Prozessvereinfachung durch neue digitale Lösungen vor. Die dafür | |
| notwendigen binären Innovationen sollen aus dem von der Technologiestiftung | |
| Berlin ins Leben gerufene CityLab kommen. | |
| Dort finden Start-ups und NGOs eine Spielwiese aus Coworking-Spaces und | |
| Werkstätten vor, um ihre Ideen in Prototypen zu verwandeln und diese | |
| gemeinsam mit den Verwaltungen für die Stadt nutzbar zu machen. Viele der | |
| Organisationen kommen aus der am Gemeinwohl orientierten | |
| [2][Civic-Tech-Branche], wollen also technische Konzepte erarbeiten, die | |
| bürgerliches Engagement fördern und öffentliche Infrastruktur verbessern | |
| sollen. Berliner sind daher ausdrücklich eingeladen, selbst Ideen | |
| einzubringen – das CityLab soll durch Workshops und Meet-ups der breiten | |
| Öffentlichkeit digitale Teilhabe ermöglichen. | |
| ## „Anfangen zu sprechen“ | |
| Direktor des Digitallabors ist der Kulturwissenschaftler Benjamin Seibel. | |
| In einem Gespräch, das die taz vor Eröffnung führte, beschreibt er die | |
| Stagnation der Verwaltung bei der Umsetzung ihrer Strategiepapiere. Die | |
| Verwaltung benötige unbedingt mehr digitales Know-how, um nicht den | |
| Anschluss zu verpassen. „Digitalisierung ist wie eine Fremdsprache und | |
| irgendwann muss man anfangen zu sprechen“, sagt Seibel. | |
| Als Beispiel für zähe Verwaltungsprozesse zieht er den Bau neuer Radwege | |
| heran, der in Berlin mitunter zehn Jahre dauern kann. Seibel erläutert, | |
| dass er in seinem Digitallabor künftig Behördenprozesse analysieren und | |
| auch unkonventionellere Methoden erwägen will: „So könnte die | |
| Radwegsplanung auch über WhatsApp funktionieren statt über ein Papier, das | |
| drei Tage in der Hauspost zirkuliert.“ | |
| Für das Experimentieren ist Werkstattleiterin Sara Reichert zuständig. In | |
| ihren Räumlichkeiten werden derzeit Sensoren für Bäume getestet, die selbst | |
| mitteilen sollen, wann sie wieder Wasser benötigen. Erklärtes Ziel der | |
| studierten Elektrotechnikerin ist die digitale Eigenverantwortung der | |
| Bevölkerung: „Menschen sollen merken, dass sie nicht nur Konsumenten, | |
| sondern digitale Gestalter sind. Das ist alles kein Hexenwerk.“ | |
| Die Idee des CityLabs geht auf 2015 zurück, als der in der | |
| Technologiestiftung beheimatete Seibel samt KollegInnen die Idee einer | |
| digitalen Experimentierwerkstatt an den Senat herantrug. Später nahm | |
| Rot-Rot-Grün die Errichtung des CityLabs in sein 100-Tage-Programm auf, | |
| jedoch schlief das Vorhaben ein, da das ursprünglich als Standort | |
| vorgesehene Robert-Koch-Forum einem anderen Zweck versprochen wurde. Erst | |
| eine Bürgerinitiative, an der Abgeordnetenwatch-Gründer Boris Hekele | |
| mitwirkte, brachte das Lab zurück auf den Plan. | |
| Mittlerweile sitzt Hekele ebenfalls im Coworking-Space des CityLabs mit der | |
| zivilgesellschaftlichen Initiative [3][FixMyBerlin], einer | |
| Informationsplattform rund um den Berliner Radverkehr. Auf [4][interaktiven | |
| Karten] ist dort der Umsetzungsstand von Radwegen sowie deren Qualität | |
| öffentlich einsehbar. Die Karte soll eine Übersicht für die verschiedenen | |
| Behörden bieten und Antworten für Bürger liefern – beides soll die | |
| Verwaltung entlasten, da „zwischen 30 bis 50 Prozent der PlanerInnen mit | |
| Bürgeranfragen rund um den Radwegbau beschäftigt sind“, erläutert Hekele. | |
| Zudem wisse „Tempelhof-Schöneberg oft nicht, was Friedrichshain-Kreuzberg | |
| macht“. | |
| Für die Pilotphase in diesem Jahr erhält das BetreiberInnen-Team laut | |
| Direktor Seibel 360.000 Euro. Davon müssen sie den Jahresbetrieb samt | |
| Personalkosten stemmen. Insgesamt wurden für 2019 rund 1,5 Millionen Euro | |
| der Haushaltsmittel für das Lab locker gemacht. Der Großteil floss in die | |
| Sanierung der denkmalgeschützten Räumlichkeiten. Förderung für Projekte, | |
| insbesondere aus der Zivilgesellschaft, kann damit noch nicht geboten | |
| werden. | |
| Das könnte dem City Lab auf die Füße fallen, wenn es gerade auf | |
| BürgerInnenseite gute Ideen gibt, aber keine Finanzierungsmöglichkeiten. | |
| Auf Nachfrage der taz bei der Eröffnung reagierte Berlins regierender | |
| Bürgermeister Michael Müller (SPD) verhalten. Er priorisierte die zivilen | |
| Initiativen zunächst herunter, räumte dann jedoch ein, dass | |
| bürgerschaftliches Engagement „in einer bestimmten Phase und einem | |
| moderaten Rahmen durchaus gedeckt werden können“. | |
| 14 Jun 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/dokumentiert-wie-kompliziert-es-ist-in-b… | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Civic_Technology | |
| [3] https://fixmyberlin.de/ | |
| [4] https://fixmyberlin.de/planungen | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schmidt | |
| ## TAGS | |
| Digitalisierung | |
| Flughafen Tempelhof | |
| Verwaltung | |
| Behörden | |
| Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Michael Müller | |
| Digitalpakt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bürgerprojekte für mehr Nachhaltigkeit: Kreativer Freiraum | |
| Das CityLab will die Berliner Verwaltung mit digitalen Bürgerinitiativen | |
| für eine lebenswertere Stadt vernetzen. Wie ist die Bilanz nach einem Jahr? | |
| Pläne für vernetzten Bezirk in Kanada: Aus für Googles Stadtteil | |
| In der kanadischen Metropole Toronto sollte ein von Google total vernetzter | |
| Bezirk entstehen – bis klar wurde, was das für Einwohner:innen bedeutet. | |
| Aus Le Monde diplomatique: Die überwachte Stadt | |
| In Frankreichs Rathäusern setzt man auf Verwaltung per Algorithmus. | |
| Vorreiterin Nizza überlässt dem Rüstungskonzern Thales das Datensammeln. | |
| Berliner Verwaltungsreform: Ruck, zuck zum Zebrastreifen | |
| Senat und Bezirke haben einen Zukunftspakt Verwaltung unterschrieben. Was | |
| das heißt? Fragen und Antworten zur Verwaltungsreform | |
| Digitalpakt-Millionen für Berliner Schulen: Warten auf den Anschluss | |
| Bei einem Ortstermin an einem Zehlendorfer Gymnasium wird klar: Geld fürs | |
| Digitale gibt es nun reichlich, aber wo genau investiert werden soll, ist | |
| ziemlich unklar. | |
| Rot-rot-grüne Landesregierung Berlin: Warten auf Betriebstemperatur | |
| Wie sieht die Halbzeitbilanz aus in einer Stadt, die viele in Deutschland | |
| inzwischen für gescheitert halten? Ein Blick ins Innenleben der Berliner | |
| Verwaltung. |