| # taz.de -- Mullah Baradar bekommt ein Gesicht: Der Verhandler der Taliban | |
| > Erstmals lässt sich der afghanische Taliban-Vizechef Mullah Abdul Ghani | |
| > Achund, besser bekannt als Mullah Baradar, fotografieren – in Moskau. | |
| Bild: Der Vizechef der Taliban, Mullah Baradar (2. v.l), mit seiner Delegation … | |
| BERLIN taz | Es war ein Markenzeichen der afghanischen Taliban, dass sich | |
| ihre Anführer ungern fotografieren ließen. Von ihrem Vizechef Mullah Abdul | |
| Ghani Achund, besser bekannt als Mullah Baradar („Bruder“), kursierten | |
| diverse Aufnahmen, die aber in Wirklichkeit andere Personen zeigen. | |
| Am Dienstag dann trat er in Moskau vor die Kameras der Weltpresse. | |
| Würdevoll im Taliban-Stil – weißes Gewand, schwarzer Turban und Vollbart – | |
| stand er im Gruppenbild neben Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der | |
| auf der anderen Seite vom afghanischen Ex-Präsidenten Hamid Karsai und dem | |
| Chef des offiziell unabhängigen, aber regierungsnahen afghanischen Hohen | |
| Friedensrates Muhammad Karim Chalili flankiert wurde. | |
| 1994 gehörte Baradar zu einer Gruppe islamischer Geistlicher – deshalb der | |
| Beiname Achund –, die in der Koranschule des inzwischen verstorbenen | |
| Taliban-Gründervaters Mullah Muhammad Omar diese Bewegung ins Leben riefen. | |
| Seinen Rufnamen erhielt er von Mullah Omar, der ihn wegen ihrer | |
| gegenseitigen Nähe als Bruder betrachtete. | |
| Die Taliban beendeten bis 2001 fast den afghanischen Fraktionskrieg, mit | |
| Baradar als Vizeverteidigungsminister ihrer Regierung. Doch ihr Bündnis mit | |
| al-Qaida erwies sich als Fehler. Der US-geführte Nato-Einmarsch in | |
| Afghanistan nach den Anschlägen vom 11. September 2001, deren Vorbereitung | |
| den Taliban verborgen geblieben war, trieb sie zurück in die Berge. Baradar | |
| wurde Vizechef der Taliban-Guerilla. | |
| ## Verheiratet mit der Schwester von Mullah Omar | |
| Er soll 1968 in der Südprovinz Urusgan geboren und mit Mullah Omars | |
| Schwester verheiratet sein. Geburtsdaten sind aber gerade im ländlichen | |
| Teil Afghanistans kaum von Bedeutung, weil man dort wenig Behördenkontakt | |
| hat. Wichtiger ist, dass er zum Paschtunen-Stamm der Popalsai gehört, wie | |
| auch Karsai. | |
| So waren es Baradar und ein Bruder Karsais, die sich 2010 in einer | |
| afghanisch-pakistanischen Grenzstadt heimlich zum Gespräch trafen. Das | |
| brachte Baradar zehn Jahre Haft in Pakistan ein, denn die Machthaber des | |
| Nachbarlandes – vor allem die Armee – spielen zwar die Schutzmacht der | |
| Taliban, unterbinden aber jeden Kontakt, der nicht von ihnen abgesegnet | |
| ist. | |
| Das beiderseitige Verhältnis ist alles andere als spannungsfrei, denn als | |
| islamistische Nationalisten erkennen die Taliban wie bisher alle | |
| Regierungen in Kabul seit Pakistans Staatsgründung 1947 die umstrittene | |
| Grenze nicht an. | |
| Im Oktober 2018 wurde Baradar auf Druck der USA entlassen, die gerade in | |
| neue Verhandlungen mit den Taliban über einen Truppenabzug und die | |
| Beendigung des Krieges eingetreten waren. Die Taliban ernannten Baradar | |
| sofort wieder zum Vizechef. | |
| Damit steht er über dem Chef der Delegation, die seit Oktober 2018 in | |
| Katars Hauptstadt Doha mit den Amerikanern redet. Die USA erhoffen sich von | |
| Baradars Autorität, die aus seiner Nähe zum legendären Omar erwächst, dass | |
| er durchsetzen kann, dass ein Abkommen dann auch von den | |
| Taliban-Frontkommandeuren und ihren Kämpfern geachtet wird. | |
| Dies zu fördern, aber auch Russlands neue internationale Rolle zu stärken, | |
| dienen die zweitägigen Moskauer Treffen. | |
| 29 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Afghanistankrieg | |
| Taliban | |
| Hamid Karsai | |
| Sergej Lawrow | |
| Moskau | |
| Pakistan | |
| Friedensgespräche | |
| Schwerpunkt 9/11 | |
| Afghanistankrieg | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Afghanistans schwieriger Friedensprozess: Regierung will Taliban freilassen | |
| Präsident Ashraf Ghani gibt den Widerstand gegen die von den USA zugesagte | |
| Freilassung gefangener Taliban auf – und will sie schrittweise entlassen. | |
| Doku über Frauenfußball in Afghanistan: Heldin, nicht Opfer | |
| Die Arte-Doku „Frauenfußball in Kabul – Ein Tor für die Freiheit“ zeigt… | |
| schwierigen Weg einer Ex-Nationalspielerin – und die Gefahr für sie. | |
| Vierzig Jahre Krieg in Afghanistan: Frieden soll sein | |
| Ein Ende der Gewalt scheint möglich: US-Amerikaner und Taliban verhandeln. | |
| Nun schalten sich auch die afghanischen Frauen ein. | |
| Friedensprozess in Afghanistan: Pakistan lässt Taliban-Führer frei | |
| Pakistan hat einen der führenden afghanischen Taliban freigelassen. | |
| Afghanistan hatte mehrmals darum gebeten, um weiter um Frieden zu | |
| verhandeln. | |
| Vorwurf des UN-Sonderbotschafters: Pakistan sabotiert Taliban-Gespräche | |
| Der UN-Sondergesandte für Afghanistan wirft Pakistan vor, Geheimgespräche | |
| mit den Taliban zu torpedieren - durch Festnahme der Gesprächspartner. |