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# taz.de -- Krise im Sudan: Die Miliz frisst die Revolution
> Sudans Grenztruppe RSF, hervorgegangen aus Mordmilizen in Darfur, ist
> zentral im Machtkampf. Anführer Hametti kann die Demokratisierung
> blockieren.
Bild: RSF-Milizenchef Hametti spricht für den Militärrat auf einer Pressekonf…
Khartum taz | Die Hoffnung auf einen neuen Sudan und die Unsicherheit, ob
der alte Sudan noch einmal zuschlagen wird, liegen in Khartum nur wenige
Straßenzüge voneinander entfernt. Rund um das Militärhauptquartier der
Hauptstadt haben Demonstranten seit Anfang April ihr Protestlager
aufgeschlagen und fordern unermüdlich eine zivile Regierung, nachdem
Diktator Omar al-Bashir gestürzt wurde und ein Übergangsmilitärrat die
Geschicke des Landes übernahm.
Aber draußen vor den Barrikaden geben bewaffnete Männer den Ton an. Fast an
jeder Straßenecke in Khartum sind Pick-up-Trucks mit aufgepflanzten
Maschinengewehren postiert. Manche tragen die Nummernschilder der regulären
Armee, die meisten von ihnen gehören aber einer Miliz an, die sich Rapid
Support Force (RSF) nennt.
Es sind diese Männer mit ihren Camouflage-Uniformen und
Schnellfeuergewehren, die die Demonstranten am meisten beunruhigen. Die RSF
ist hervorgegangen aus den berüchtigten arabischen Janjaweed-Reitermilizen,
die ab 2003 mordend, brandschatzend und vergewaltigend durch die Dörfer der
sudanesischen Region Darfur zogen und dort im Namen des Bashir-Regimes
Rebellen bekämpften. Über eine Viertelmillion Menschen wurden in Darfur
getötet, über zwei Millionen vertrieben, Bashir wird deswegen vom
Internationale Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesucht.
„Im gegenwärtigen Machtpoker zwischen Militärs und Demonstranten sind die
RSF-Milizen eine Schlüsselfigur bei den politischen
Entscheidungsprozessen“, glaubt der sudanesische Menschenrechtler Majid
Maali. Der sudanesische Journalist Faisal Saleh bestätigt: „Heute ist der
RSF-Miliz in Khartum stärker vertreten als die Armee.“ In Khartum werden
die Milizionäre als Fremdkörper wahrgenommen. „Sie kommen vom Land und
nicht aus urbanen Zentren. Sie kamen in die Hauptstadt und wurden zur
Quelle von Spannungen“, analysiert Saleh.
RSF-Anführer Muhammad Hamdan Dagolo, im Sudan unter dem Namen „Hametti“
bekannt, hält im gegenwärtig regierenden Militärrat offiziell die
zweithöchste Stelle. Manche glauben aber, dass Hametti eigentlich den Ton
angibt, nicht der offizielle Chef des Rates, General Abdel Fatah Burhan.
„Hemeti ist möglicherweise das Mitglied des Militärrates mit dem größten
Einfluss. Es wird keine Abkommen geben im Sudan geben, die er nicht mit
unterzeichnet“, ist sich Saleh sicher.
Hametti hat eine gewaltige Karriere hinter sich. Geboren in ärmlichen
Verhältnissen, einst als Kamelhirte unterwegs, fand er seine Berufung als
Krieger, zunächst bei Janjanweed-Milizen, deren Anführer er in Darfur
wurde, und dann als Chef des RSF, die schließlich in die Armee integriert
wurde und mit EU-Finanzhilfe im Rahmen der Flüchtlinngsabwehr zur
Grenzschutztruppe mutierte.
Abgesehen vom eigenen Vorteil scheint er keine große politische Agenda zu
haben, sondern er hat immer guten Instinkt bewiesen. Er weigerte sich zu
den Beginn der Proteste im Sudan, für Bashir den Aufstand niederzuschlagen.
„Damals erhielt er Lob von den Demonstranten“, blickt der Journalist Saleh
auf die Tage des Umsturzes Anfang April zurück.
## „Die Milizen schossen wild um sich“
Die Flitterwochen zwischen den Demonstranten und der RSF währten allerdings
nur kurz. Am 15. Mai versuchten bewaffnete Männer, eine der Barrikaden zu
räumen. Mehrere Menschen wurden verletzt und die Demonstranten zeigten
schnell mit dem Finger auf die RSF. „Die RSF-Milizen kamen, um die
Barrikaden wegzuräumen, sie schossen erst in die Luft und dann wild um sich
auf die Demonstranten“, erzählt Atef Baqr, der mit einer Schussverletzung
im Krankenhaus liegt.
Vor allem jene, die aus Darfur nach Khartum gereist sind, um am
Protestlager teilzunehmen, haben die Zeiten der marodierenden Janjaweed
nicht vergessen. „Wenn ich die RSF-Milizen jetzt in Khartum sehe, dann
denke ich zurück an die Massaker zwischen 2003 und 2005 in Darfur, vor
denen ich damals geflohen bin“, sagt Idris Adam, einer der Aktivisten, die
sich in einem speziellen Protestzelt der Darfuris jeden Abend versammeln.
„Die RSF ist ein Instrument des alten Regimes. Ihre Präsenz in der
Hauptstadt ist völlig unakzeptabel“, meint auch die Darfur-Aktivistin
Halima Ashak.
Die Stärke der Nachfolger der Janjaweed-Milizen entspringt auch ihrem
Einsatz im Jemenkrieg. Dort werden sie von den Arabischen Emiraten und
Saudi-Arabien als Söldner-Bodentruppen gegen die Huthi-Rebellen eingesetzt.
Das hat ihnen viel Geld und Macht im Sudan verschafft. Und das macht die
RSF-Milizen möglicherweise auch zu einem willfährigen Instrument der
Golfautokraten, die keinerlei Interesse an einem demokratischen Experiment
im Sudan haben.
„Die Beziehungen der Golfstaaten zur RSF sind stärker als zur sudanesischen
Armee“, beschreibt der Journalist Saleh. Dass Hamettis erste Auslandsreise
in seiner neuen Position als Vizechef des Militärrates ihn nach
Saudi-Arabien führte, wo er den umstrittenen Kronprinzen Muhammed Ben
Salman traf, ließ bei den Demonstranten in Khartum alle Alarmglocken
läuten.
3 Jun 2019
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Sudan
Khartum
Darfur
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