# taz.de -- Proteste im Sudan: Angst nach einer Nacht der Gewalt | |
> Kaum zeichnet sich im Sudan eine Einigung zwischen Miltär und | |
> Protestbewegung ab, überfallen Bewaffnete die Demonstrierenden in | |
> Khartum. | |
Bild: Trotz Ramadan gehen die Demonstrierenden im Sudan auf die Straße | |
NAIROBI taz | Wut, Trauer und Unsicherheit herrschen in Sudan, nachdem in | |
der Nacht zu Dienstag fünf Demonstranten und ein Soldat auf dem | |
Protestplatz vor dem Armeehauptquartier getötet wurden. Dutzende Verletzte | |
mit Schusswunden werden in Krankenhäusern behandelt. Opposition und Armee | |
glauben, dass die Täter, die Militäruniformen trugen, Getreue des vor gut | |
einem Monat [1][gestürzten Ex-Präsidenten Omar al-Bashir] sind. Sie | |
schossen auf die Demonstranten, nachdem der Militärrat und die zivile | |
Opposition Montagnacht bekannt gegeben hatten, dass sie kurz vor einer | |
Einigung über die zukünftige Führung des Landes stehen. | |
Panik herrschte, nachdem die ersten Schüsse über den Platz hallten. Tote | |
und Verwundete wurden schnell weggetragen, während Menschen ins Dunkel der | |
Nacht flohen. Aber kurz darauf marschierten Hunderte von Menschen zurück | |
auf den Platz zu und riefen: „Wohin gehen wir? Zum Tod! Wo ist der Tod?“ | |
Als die Sonne aufging, kehrte die Ruhe in die Stadt zurück. | |
„Das haben wir schon immer gefürchtet“, berichtet der junge Geschäftsmann | |
Mohamed el-Munzir Salman am nächsten Morgen. „Deshalb haben wir drei | |
Barrikaden um den Platz aufgestellt, wo unsere eigenen Ordner jeden auf | |
Waffen durchsuchen. Es gibt so viele aus dem Bashir-Regime, die versuchen, | |
uns gegen das Militär aufzuhetzen, um Chaos zu stiften und dann wieder die | |
Macht zu ergreifen.“ | |
Sudans gefürchteter Inlandsgeheimdienst NISS erklärte direkt, dass er | |
nichts mit der Schießerei zu tun habe. Anfang April hatte NISS auf | |
Demonstranten vor dem Militärhauptquartier das Feuer eröffnet, woraufhin | |
Soldaten als Beschützer der Opposition zurückschossen. Das endete ein paar | |
Tage später mit dem Sturz von Bashir. | |
Die Armee schützt seitdem die Demonstranten auf dem Platz. Aber die Armee | |
ist gegen eine Ausbreitung der Barrikaden in der Stadt, und das führte | |
tagsüber am Montag schon zu großen Spannungen, als Demonstranten einige | |
Hauptstraßen blockierten und den Dienstag zum „Tag des zivilen Ungehorsams“ | |
ausriefen. Die Miliz RSF (Rapid Support Force) vertrieb die Demonstranten | |
mit Tränengas, Schüssen in die Luft und sogar Peitschen. Dabei wurden | |
einige Demonstranten verletzt. | |
## Eine Rückkehr des Ex-Präsidenten ist unwahrscheinlich | |
Mit der Ausweitung ihrer Aktionen wollen die Demonstranten den Druck auf | |
das Militär erhöhen, um die Übertragung der Macht an eine zivile Regierung | |
zu beschleunigen. Die Opposition glaubt, dass der seit Bashirs Sturz | |
regierende Militärrat die Gespräche über eine Übergangsregierung in die | |
Länge zieht – in der Hoffnung, dass der Ramadan die Demonstranten schwächen | |
wird und sie nach Hause gehen. | |
Aber die Opposition hat Vorsorge getroffen. In Zelten können Fastende im | |
Schatten sitzen, während die Temperaturen draußen über 40 Grad steigen und | |
die pralle Sonne unerträglich ist. Morgens kommt ein ständiger Strom von | |
Bürgern, die Wasser, Essen und Medikamente spenden. Sobald die Sonne | |
untergeht, steht Essen und Trinken bereit für die Demonstranten. | |
Auch jenseits des Platzes vor dem Militärhauptquartier geht der Protest | |
weiter. Die Arbeitnehmer der Stromgesellschaft streiken, weil sie glauben, | |
dass die häufigen Stromausfälle nicht nötig sind, und weil Kunden sie | |
manchmal angreifen aus Wut. Sie fordern die Entlassung des Direktors. | |
Manche Einwohner vor allem von Arbeitervierteln glauben, dass die Armee | |
hinter dem Strommangel steckt. | |
Trotz der Ankündigung von Opposition und Militärrat vom Montagabend, sie | |
seien einem Kompromiss nah, ist noch immer vieles unklar. Die beiden Seiten | |
sind sich einig über die Struktur und welche Macht der Präsidialrat, das | |
Kabinett und das Parlament in Zukunft haben sollen, nicht aber über die | |
Dauer der Übergangszeit und die Verteilung der Posten zwischen Militär und | |
Zivilisten. Die Opposition will eine vierjährige Übergangszeit, dem Militär | |
reichen zwei Jahre. Der schwierigste Punkt ist, ob es eine Mehrheit an | |
Zivilisten oder an Militärangehörigen geben soll und welche Seite damit das | |
letzte Wort hat. | |
Aber eine Rückkehr von Ex-Präsident Bashir erscheint immer | |
unwahrscheinlicher. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Anstiftung und | |
Beteiligung am Tod von Demonstranten angeklagt. Es gibt auch Ermittlungen | |
gegen ihn wegen Goldwäsche und Terrorfinanzierung. Bashirs Schicksal ist | |
unbekannt. Er soll verhaftet worden sein. | |
14 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Sudan-nach-der-Revolution/!5589388 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
## TAGS | |
Sudan | |
Omar al-Bashir | |
Protest | |
Sudan | |
Sudan | |
Sudan | |
Sudan | |
Algerien | |
Sudan | |
Sudan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zuspitzung im Sudan: Proteste gewaltsam aufgelöst | |
Nach zwei Monaten Dauerprotest in Khartum machen die Militärmachthaber | |
jetzt damit offenbar Schluss. Massive Gewalt fordert Tote und Verletzte. | |
Krise im Sudan: Die Miliz frisst die Revolution | |
Sudans Grenztruppe RSF, hervorgegangen aus Mordmilizen in Darfur, ist | |
zentral im Machtkampf. Anführer Hametti kann die Demokratisierung | |
blockieren. | |
Sudans Opposition ruft zum Generalstreik: Generäle graben sich ein | |
Die Gespräche zwischen dem Militär und der Protestbewegung stocken. Nun | |
sucht das Militär arabische Unterstützung, die Opposition will Streik. | |
Kommentar Gewalteskalation im Sudan: Die Feuerprobe steht noch bevor | |
Im Sudan gibt es Hoffnung auf Demokratie. Doch das Militär ist mächtig, die | |
Zivilbevölkerung wird alleingelassen. | |
Kolumne Schlagloch: Der zitternde Moment | |
Algerien, Sudan und Iran: in all diesen Ländern gibt es Umbrüche, | |
vielleicht Revolutionen. Wir können das nur mit stillem Respekt beobachten. | |
Sudan nach der Revolution: Mit Geduld in die Freiheit | |
Der Diktator ist gestürzt, Frauen legen ihr Kopftuch ab, Hunderttausende | |
demonstrieren friedlich. Was kommt nach der Revolution? | |
Proteste im Sudan: Zittern um die Revolution | |
Tage der Entscheidung in Khartum: Setzt sich die Protestbewegung gegen das | |
Militär durch? Oder behält Sudans „tiefer Staat“ die Oberhand? |