Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Europa-League-Finale in Baku: Angeblich nur ein Fußballspiel
> Die Uefa lässt sich von einem spendablen Despoten einspannen – Fans,
> Spieler und Klubs haben nichts zu melden. Es geht um viel Geld.
Bild: Das Stadion in Baku ist von England aus schwer zu erreichen
Mit dem Slogan „Together to Baku“ werben die Europäische Fußball-Union
(Uefa) und die Veranstalter aus Aserbaidschan für das Europa-League-Finale
am Mittwoch. Der große europäische Fußballzirkus macht Station in
Vorderasien. Um 23 Uhr Ortszeit wird das Londoner Stadtduell [1][zwischen
dem FC Chelsea] und dem FC Arsenal im Nationalstadion von Baku angepfiffen
werden, zu bester zentraleuropäischer Fernsehzeit (21 Uhr).
Vielen in England dürfte das Motto „Together to Baku“ wie der blanke Hohn
erscheinen. Denn dorthin schaffen es nur die wenigsten. Bis zu 6.000
Tickets haben beide Klubs insgesamt nach jüngsten englischen
Medienberichten zurückgehen lassen. Dabei hat sich insbesondere Arsenal
London nach Erreichen des Finales noch beschwert, das Kontingent von
jeweils 6.000 Eintrittskarten sei bei einer Stadionkapazität von knapp
70.000 Zuschauern viel zu gering.
Die Reise in die Kaukasusrepublik aber ist beschwerlich und immens teuer.
Zwischen London und Baku gibt es in der Finalwoche keine Direktflüge, der
kleine Flughafen in Baku ist ohnehin nicht dafür geschaffen, derart großen
Besucherandrang aufzufangen. Als „nicht akzeptabel“ kritisierte Arsenal die
Standortwahl der Uefa.
Dass sich der europäische Verband aber über die absehbaren logistischen
Schwierigkeiten hinweggesetzt hat und Baku mit Bedacht ausgewählt hat,
weist auf viel größere Probleme hin.
Die Uefa und Aserbaidschan pflegen seit geraumer Zeit ein exklusives
Bündnis. Die [2][von Staatschef Ilham Aliyev autoritär regierte ehemalige
Sowjetrepublik] zählt zu den wichtigsten Förderern der Uefa. Über den
Energie- und Staatskonzern Socar, der mit den Reichtümern des Landes
(Erdgas und Öl) Geschäfte macht, wurde im Jahr 2013 ein Sponsorenvertrag
abgeschlossen, welcher der Uefa jährlich etwa 20 Millionen Euro Einnahmen
sichert, wie „Sport Sponsorship Insiders“ schätzt. Ende September 2016
zeigte sich Aliyev über den Besuch des frisch gewählten Uefa-Präsidenten
Aleksander Čeferin bei ihm in Baku besonders erfreut. Er unterstrich die
Bedeutung dieses Akts so kurz nach dessen Amtsantritt. Despoten sind für
solche Aufmerksamkeiten sehr empfänglich. Auch das beflügelt deren
Investitionsbereitschaft in den Sport.
So gesehen kann man den Slogan „Together to Baku“ auch als Pilgeraufruf zu
einer der wichtigsten Geldquellen des europäischen Fußballs verstehen. Bei
der Europameisterschaft 2020 geht es im Namen der Uefa erneut gemeinsam
nach Baku. Drei Gruppenspiele und eine Viertelfinalpartie werden in der
Hauptstadt Aserbaidschans ausgetragen.
Die Klagen der Fans, die Baku nun fernbleiben, dürfte die Uefa kaum
irritieren. Faninteressen haben den Verband nie sonderlich interessiert.
Vergangenes Jahr beim Champions-League-Finale in Kiew übernachteten
Anhänger von Liverpool gar noch im knapp 500 Kilometer entfernten Charkiv,
weil sowohl die Flüge als auch die Hotelzimmer in Kiew ausgebucht waren.
Gerade für osteuropäische Städte ist es nicht einfach, den wachsenden
Anforderungen der großen europäischen Fußballevents gerecht zu werden.
Ein Daheimgebliebener wirft jedoch einen großen politischen Schatten auf
das zweitwichtigste Vereinsfußballspiel Europas. Arsenal London teilte vor
gut einer Woche mit, ihren armenischen Nationalspieler Henrich Mchitarjan
zu Hause zu lassen. Man habe sich im gemeinsamen Gespräch mit dem Spieler
und nach Prüfung der Lage aus Sicherheitsgründen so entschieden. Der
30-Jährige sagte: „Es ist eines dieser Spiele, die wir als Spieler nicht
oft erleben, und ich muss zugeben, dass es mich sehr schmerzt, es zu
verpassen.“ Armenien und Aserbaidschan pflegen wegen der umstrittenen
Grenzregion Bergkarabach schon lange eine feindselige Beziehung.
Dass ein politischer Konflikt die Aufstellung eines Fußballspiels diktiert,
diese Botschaft, die da aus London gesendet wurde, konnte der Uefa nicht
gefallen. So ist der Verband seither eifrig bemüht, die Politik aus dem
Spiel zu halten. In einem Statement versicherte die Uefa mit der Regierung
von Aserbaidschan einen umfassenden Sicherheitsplan für Mchitarjan
entwickelt zu haben, man respektiere aber die „persönliche Entscheidung“
des Spielers.
## Jede Menge Hassbekundungen
Möglicherweise wollte Mchitarjan mit seiner Entscheidung bewusst politische
Signale senden. Bei den Europaspielen 2015 in Baku traten 25 armenische
Sportler an, die danach wieder unversehrt in ihre Heimat zurückkehrten. Die
politische Dimension der sportlichen Begegnung blieb aber auch damals
unüberhörbar. Bei ihren Wettkämpfen mussten die Armenier jede Menge
Hassbekundungen über sich ergehen lassen. Vermutlich wäre es Mchitarjan im
Nationalstadion von Baku nicht anders ergangen. Ein Szenario, das die Uefa
noch mehr in die Bredouille gebracht hätte.
Aber auch so macht die Uefa gerade bei ihrem Versuch, die Folgen ihrer
Kooperationen mit despotischen Machthabern zu entpolitisieren, eine
schlechte Figur. Am Montag wurde bekannt, dass die Arsenal-Spieler beim
Aufwärmen alle ein Trikot mit dem Namenszug von Henrich Mchitarjan tragen
wollten, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Uefa untersagte das mit dem
Hinweis auf die Regeln, nach denen Kleidungsstücke, die „politischen,
religiösen oder rassistischen Inhalt haben“, verboten seien.
In dem Wirbel um den Armenier Henrich Mchitarjan geht vor dem Finale
völlig unter, dass es noch viel triftigere Gründe gibt, Baku als Finalort
zu problematisieren. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
berichtet Jahr für Jahr in ihren Aserbaidschan-Reports von Folter und
Misshandlungen in Gefängnissen, einer Willkürjustiz und massiven
[3][Einschränkungen der Arbeit von Oppositionsparteien und Journalisten].
In der Rangliste der Pressefreiheit, welche die NGO Reporter ohne Grenzen
erstellt, belegt Aserbaidschan im Jahr 2018 Platz 166 von 180 Ländern.
Uefa-Präsident Aleksander Čeferin sagt dazu in der jüngsten
Spiegel-Ausgabe: „Die Menschenrechtslage ist ein Problem. Aber das ist sie
in anderen europäischen Staaten auch. Verdienen die Fans in Baku deswegen
keinen Live-Fußball?“ Ein Statement, das erstaunt.
„Die Verteidigung der Menschen- und Arbeitsrechte hat für die Uefa höchste
Priorität“, erklärte Čeferin noch im Mai 2017, als im Zuge des
Bewerbungsverfahren für die Euro 2024 die Bewerber erstmals an
„spezifischen Kriterien bezüglich des Respekts der Menschenrechte“ gemessen
werden sollten. Der Türkei wurde dann im Evaluationsbericht vorgehalten,
dass ein „Aktionsplan“ fehle. Ob das Einfluss auf die Wahl Deutschlands
ausgeübt hat, bleibt jedoch höchst spekulativ. Die Abstimmung im
Exekutivkomitee der Uefa ist geheim, niemand muss sich erklären.
Čeferin kündigte damals an, dass von nun an jeder Ausrichter von Turnieren
oder Finalspielen in seinem Konzept die Verteidigung der Menschenrechte
berücksichtigen müsse. Im Evaluationsbericht der Uefa für die Vergabe des
Champions-League-Finals an Istanbul im kommenden Jahr taucht indes das Wort
Menschenrechte nicht einmal auf.
29 May 2019
## LINKS
[1] /Chelsea-Trainer-Maurizio-Sarri/!5598654
[2] /Wahl-in-Aserbaidschan/!5247175
[3] /Pressefreiheit-in-Aserbaidschan/!5575267
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Aserbaidschan
Uefa
Henrich Mchitarjan
Ilham Aliyev
Fußball
Uefa
FC Chelsea
Eintracht Frankfurt
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Schwerpunkt Bergkarabach
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Press-Schlag: 4.000 Lichtjahre von zu Hause
Der FC Chelsea gewinnt zum zweiten Mal die UEFA Europa League. Er erzielt
ein 4:1 gegen den Stadtrivalen Arsenal – im weit entfernten Baku.
Chelsea-Trainer Maurizio Sarri: Keine Kompromisse, kein Anzug
Maurizio Sarri hat den FC Chelsea ins Finale der Europa League geführt.
Dennoch steht der Italiener vor dem Rauswurf.
Halbfinale der Europa League: Bröseliger Zement
Eine runderneuerte Frankfurter Eintracht möchte gegen den FC Chelsea ins
Finale der Europa League einziehen. So weit kam sie zuletzt 1980.
Arsenals Fehlstart in der Premier League: Wengers Geist
Mit zwei Niederlagen hat die Saison für Arsenal London begonnen. Trainer
Emery will Ruhe bewahren, doch vieles ähnelt dem Werk seines Vorgängers.
Streit um Konfliktregion Berg-Karabach: Sie wollen wieder verhandeln
Nachdem es im April erneut zu Gefechten kam, wollen Armenien und
Aserbaidschan nun eine Lösung finden. Im Juni werden die Konfliktparteien
verhandeln.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.