| # taz.de -- Arbeit in Serie: ImmobilienmaklerIn: „Skrupellosigkeit gehört da… | |
| > Wolf und Barbara Bütten* sind ganz unverhofft Immobilienmakler geworden. | |
| > Ihr Einblick in die Branche ist vernichtend. | |
| Bild: Was für Leute, die „auf dicke Hose machen“: Das Maklergeschäft | |
| ## Der Arbeitsort | |
| Bis vor kurzem hatten Herr und Frau Bütten noch ein Büro mit guter Adresse, | |
| sogar mit Besucherecke, Grünpflanzen. „Aber für Immobilienmakler ist das | |
| unwichtig, es gibt keine Besuche von Kunden und auch keine Laufkundschaft“, | |
| sagt Wolf Bütten. Das Paar hat eine Ecke im heimischen Wohnzimmer, da | |
| stehen der Rechner und der Drucker. „Ich kann da im Schlafanzug arbeiten, | |
| vieles läuft ohnehin übers Internet“, sagt er. Der Rest auf der Straße, vor | |
| dem Objekt, abends im Café, „wo die Deals besprochen werden“, beim Notar, | |
| in ganz Deutschland. Die Firmen, für die früher beide tätig waren, und für | |
| die inzwischen nur noch Wolf Bütten arbeitet: „Milliardenunternehmen“. Die | |
| Verhandlungspartner: „Deutsche Wohnen und Konsorten“. | |
| ## Die Menschen | |
| Die Büttens sehen nicht wie die typischen Vertreter einer Branche aus, die | |
| sie ungefähr so umschreiben: „Frauenfeindlich, homophob, traditionelle | |
| CDU-Wähler“. Eine Welt, in der dominantes Auftreten alles, das Auto ganz | |
| wichtig und der Anzug sichtbar teuer sei. In der nur die ganz großen Fische | |
| nicht mehr so auf dicke Hose machten. „Ich habe mich nie so angepasst, ich | |
| trage nie einen Anzug und bin auch schon in Flip Flops zum Notar“, sagt er. | |
| „Das kam aber nicht gut an“, sagt sie. „War mir aber egal“, sagt er. | |
| ## Wie alles begann | |
| Wolf Bütten erzählt: „Ich hatte ein Geschäft in Charlottenburg, für das | |
| habe ich jeden Monat 3.500 Euro Miete gezahlt. Ich hab meinen Vermieter | |
| gefragt, ob ich die Gewerbeeinheit nicht kaufen kann. Fünf Jahre lang haben | |
| die nein gesagt. Dann starb das Familienoberhaupt, und die Frau wollte das | |
| ganze Haus für dreieinhalb Millionen verkaufen. | |
| Uff, dreieinhalb Millionen, das war ein sehr fairer Preis, aber wie sollten | |
| wir als Privatpersonen das stemmen?! Dann haben wir einen befreundeten | |
| Immobilienmakler gefragt und der hat gesagt: Das machen wir. Er hat sich um | |
| das rechtliche Konstrukt gekümmert, hat noch einen dazu geholt, der sich um | |
| die Finanzierung kümmert. Ich wurde Geschäftsführer der GmbH, die den Kauf | |
| und späteren Verkauf gemanagt hat. Wir haben das dann zu dritt sehr gut | |
| gewuppt. | |
| Ich habe aber gleich am Anfang gesagt: Hier wird nicht aus sechs Euro zwölf | |
| Euro Miete gemacht – dann bin ich nicht dabei, dann springe ich sofort ab. | |
| Darauf hatten wir uns mit Ehrenwort geeinigt. | |
| Das Haus war ziemlich runter, und wir haben das dann gut saniert, die Miete | |
| von sechs auf acht Euro erhöht, aber auch ein Euro Heizkosten gespart. Fast | |
| alle Mieter sind geblieben, viele haben sogar selbst gekauft. Die waren | |
| alle happy danach, das war cool. Auch die Verkäufer waren sehr zufrieden | |
| und es stellte sich dann heraus, dass die in Berlin zu den großen Playern | |
| gehörten – weit über 100 Häuser waren in deren Besitz. | |
| Sie haben mir dann weitere vier Häuser angeboten. Mit diesen ersten Deals | |
| haben wir 40 bis 50 Millionen Euro Volumen umgesetzt. So wurde ich zum | |
| Immobilienmakler.“ | |
| Sie: „Ich bin auch so quer reingerutscht, komme eigentlich aus einem | |
| sozialen Arbeitsfeld. Ich habe dann noch die Fortbildung zur | |
| Immobilienfachwirtin und vor allem die Arbeit im Backoffice-Bereich | |
| gemacht.“ | |
| ## Die Branche | |
| Barbara Bütten erzählt: „Das ist eine Branche, in der nur die Männer das | |
| Sagen haben. 'Wir stellen ‚ne Mullemaus ein, was fürs Auge, die setzen wir | |
| dann an den Empfang.‘ – So wird da über Frauen gesprochen. Von Männern um | |
| die 50. Da mitzumischen ist als Frau ganz schwer, auch wenn du mehr Wissen | |
| hast. Wenn bei Besprechungen der Kaffee alle war, haben alle mich | |
| angeschaut. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass unter Maklern immer | |
| erst mal rumgeprahlt wird: ‚Ja, ich hab‘ da den Deal abgeschlossen, das war | |
| so geil und das ist übrigens meine Yacht, wenn ihr mal gucken wollt, da war | |
| ich neulich mit der und der heißen Braut drauf.' Auspacken, wie toll man | |
| ist – das ist normal für die Branche. Was du sonst in 20 Minuten abhandeln | |
| kannst, dauert dann drei Stunden. Und dann kommen die da raus und sagen: | |
| ‚Ach, was haben wir heute wieder gearbeitet.‘ Da musst du mental voll drauf | |
| einsteigen. Sonst tütest du keine Deals ein.“ | |
| Wolf Bütten: „Man muss da keine Ausbildung machen. Die Makler an sich, da | |
| haben wir einige kennenlernt, ich weiß nicht, ob die jemals einen | |
| Hauptschulabschluss gemacht haben. Die sind seit 20 Jahren im Geschäft und | |
| haben nicht mal das Basiswissen. Was zählt, sind Kontakte, Netzwerke. Und | |
| wie du dich verkaufen kannst, wer dir glaubt. Ohne Connections oder extreme | |
| Skrupellosigkeit kannst du nicht mitspielen, da kannst du noch so ein guter | |
| Makler sein.“ | |
| ## Die Arbeitszeit | |
| Es gebe eigentlich keine Halbtagsmakler, 60-70 Stunden die Woche seien | |
| keine Seltenheit, kein Privatleben, immer verfügbar sein, kaum Urlaub und | |
| wenn, dann noch mal schnell zwei Tage zurück für einen Deal, 80 | |
| Handytelefonate am Tag. Die Arbeit mit den Hausverwaltungen, den Banken, | |
| das passiere in den normalen Geschäftszeiten. Aber die Partnersachen, die | |
| Deals, das laufe abends. | |
| Um so einen Deal abzuschließen, erzählen die Büttens, reichten vier Zeilen: | |
| Größe, Lage, Mieteinnahmen, Wunschpreis. Und dann war klar: Kaufen oder | |
| nicht kaufen. Die Feinheiten wurden später abgecheckt. | |
| „Und auch als kleiner Makler – von privat an privat – hast du super viel | |
| Arbeit. Da schauen sich 30 Leute eine Wohnung an, du mailst mit 30 Leuten, | |
| bis zum Notartermin kann der Käufer jederzeit abspringen und das passiert | |
| auch regelmäßig. Klar läuft auch mal ein Verkauf super – so einen Schuss | |
| gibt es auch. Aber bei vielen musst du dir dein Geld hart erarbeiten. Da | |
| schließt du nicht einfach nur mal eine Wohnungstür auf und hast 5.000 Euro | |
| verdient“, sagt Barbara Bütten. | |
| ## Die Bezahlung | |
| „Wir haben ganz gut verdient, das muss man wirklich sagen“, sagt Wolf | |
| Bütten. Gewinn hatten sie durch die ganzen Deals wohl um die 100.000 Euro | |
| im Jahr. Aber die richtig fetten Makler gingen auch mal mit zwei bis zehn | |
| Millionen Euro nach Hause. Bei den ganz großen Büros stünden aber auch eine | |
| Menge Angestellte dahinter und die müssten dann auch in den Jahren bezahlt | |
| werden, in denen es mal gar nicht so gut läuft. | |
| ## Das Gewissen | |
| Beim ersten Deal, den sie gemacht hätten, erzählen die Büttens, hätten noch | |
| alle was davon gehabt: die Mieter, Die Verkäufer, die Käufer. Mit weiteren | |
| Deals sei die Gier gekommen. Da habe es auch bei ihnen angefangen zu | |
| kippen. | |
| Er: „Vom Makler wirst du nie einen echten Rat bekommen: Du bezahlst ihn | |
| zwar, aber sein ‚Freund‘ ist der Verkäufer, der hat ihn beauftragt und je | |
| höher der Verkaufspreis, desto höher seine Provision.“ Sie: „Das ist | |
| generell eine schwierige Sache, ich bin ein sehr ehrlicher Mensch und will | |
| niemanden über den Tisch ziehen, der da vielleicht sein ganzes Erspartes | |
| investiert.“ | |
| Er: „Also bist du ungeeignet für die Branche.“ | |
| Sie: „Ja, das ist so.“ | |
| Er: „Diese ethische Diskussion haben wir oft geführt. Generell würde ich | |
| sagen, jemand mit einem sozialen Gewissen hat in der Branche nichts zu | |
| suchen. Die Sachen, die wir gemacht haben, damit konnten wir moralisch | |
| leben. Wir haben keine Großmutter rausgedrängt, das war uns wichtig. Aber | |
| was nach fünf Jahren mit den Wohnungen passiert, wissen wir auch nicht.“ | |
| ## Die Wertschätzung | |
| „Es ist ein sehr hartes Geschäft , und man kriegt auch kein Dankeschön“, | |
| sagt Barbara Bütten. Wenn die Leute gefragt haben, was sie beruflich | |
| machen, hätten sie das Wort Makler gern vermieden, haben dann von | |
| Immobilienmanagement, Immobilienbewertung erzählt. Auch mit diesem Gespräch | |
| wollen sie lieber anonym bleiben. „Wir haben einen eher linken | |
| Freundeskreis, da ist es erst einmal schwierig. Aber wenn man dann mal | |
| erzählt hat, was man genau macht, kam sofort: ‚Habt Ihr ne Wohnung für | |
| uns?‘“, erzählt Wolf Bütten. Sie hätten auch an Freunde verkauft. „Gib… | |
| und zu noch Freibier.“ | |
| ## Die Perspektive | |
| „Jetzt ist es gerade erledigt. Der Markt ist leer. Wer jetzt kauft, hat | |
| nicht alle Tassen im Schrank. Im Wedding für 5.000 Euro pro Quadratmeter – | |
| das hält nicht. Nur in den richtig guten Lagen bleibt es so teuer“, | |
| prophezeit Wolf Bütten, der inzwischen nur noch einen Tag in der Woche als | |
| Geschäftsführer für die Abwicklung größerer Immobiliendeals mitmischt. Eben | |
| mal nach Frankfurt fliegen, die Sonne im Landeanflug, zum Notar und noch | |
| ein entspannter Kaffee vor dem Rückflug – „So was ist auch mal ganz | |
| witzig“. 4.000 Euro bekommt er dafür im Monat. Barbara Bütten ist | |
| inzwischen ausgestiegen. „Das war einfach keine Erfüllung“, sagt sie und | |
| ist inzwischen im therapeutischen Bereich tätig. „Wir wollen alt werden, | |
| wir haben Kinder, wir haben noch andere Leidenschaften und Perspektiven.“ | |
| ## Und zum Schluss: Was kaufen Sie sich für unverhoffte 100 Euro? | |
| „Wellness“, sagt sie. „Fliesen fürs Bad“, sagt er. In der eigenen | |
| Immobilie. | |
| *Namen geändert | |
| 8 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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