# taz.de -- Schiffsunglück vor tunesischer Küste: Dutzende Tote im Mittelmeer | |
> Es ist eine der schlimmsten bekannten Schiffskatastrophen der vergangenen | |
> Monate: Mehr als 60 Menschen sind vor der tunesischen Küste gestorben. | |
Bild: Harrten stundenlang im Wasser aus: Überlebende im tunesischen Zarzis | |
SFAX taz | Bei einem Bootsunglück 83 Kilometer vor der tunesischen Küste | |
sind mindestens 64 Menschen gestorben, wie ein Vertreter des tunesischen | |
Roten Halbmondes am Sonntag der taz berichtete. | |
Ein Holzschiff mit Migranten aus Bangladesch, Marokko und westafrikanischen | |
Ländern war am Donnerstag von der libyschen Hafenstadt Suara in See | |
gestochen. Als die italienische Insel Lampedusa in Reichweite war, mussten | |
die Flüchtlinge auf ein Schlauchboot umsteigen, das völlig überladen zehn | |
Minuten später kenterte. Nach Angaben der Internationalen Organisation für | |
Migration (IOM) handelt es sich um das schlimmste Schiffsunglück im | |
südlichen Mittelmeer seit Januar. | |
Fischer brachten 16 Überlebende in den Hafen der tunesischen Stadt Zarzis. | |
Hubschrauber suchten auf der regelmäßig von Menschenschmugglern genutzten | |
Route nach weiteren Opfern und flogen zwei Menschen in das Krankenhaus der | |
Stadt Sfax. | |
In Zarzis zeigte sich der Fischer Ahmed Miladi gegenüber der taz | |
schockiert. Regelmäßig würden er und seine Kollegen auf Migranten stoßen. | |
„Da es kaum noch Rettungsboote vor der libyschen Küste gibt, sind wir meist | |
als Erste bei den oft seeuntauglichen Booten“, erzählt Miladi. „Häufig | |
finden wir Leichenteile in den Netzen. Viele von uns wollen mit der | |
Fischerei aufhören.“ | |
Wären die Fischer nicht auf die Menschen aufmerksam geworden, hätte es wohl | |
gar keine Überlebenden gegeben, ist Mongi Slim vom tunesischen Roten | |
Halbmond überzeugt. Die herbeigerufenen Boote der tunesischen Küstenwache | |
nahmen am Freitag lediglich drei Tote an Bord. | |
## Kämpfe in Libyen verschärfen sie Situation | |
Einer der Überlebenden ist der 21-jährige Ägypter Mandur Muhammad. Acht | |
Stunden seien sie auf hoher See getrieben, berichtet er. Dass keine | |
Rettungsleitstelle informiert war, erhärtet den Verdacht vieler Beobachter, | |
dass noch mehr Menschen vor der libyschen Küste ertrinken als bekannt. | |
Allein in diesem Jahr sind im Mittelmeer mindestens 443 Menschen gestorben. | |
Seit vergangenem Sommer ist innerhalb einer 90-Meilen-Zone vor der | |
libyschen Küste ausschließlich die libysche Küstenwacht für die Rettung von | |
Schiffbrüchigen zuständig. Die wenigen verbliebenen privaten Retter | |
beklagen jedoch, dass die Leitstelle in Tripolis oft nicht erreichbar sei. | |
Verschärft wird die Situation durch die jüngste Eskalation in Libyen. | |
Seitdem im Süden der Hauptstadt Tripolis wieder gekämpft wird, laufen kaum | |
noch Patrouillenboote aus. Von Italien gelieferte Schnellbote haben | |
beispielsweise Kämpfer einer Miliz an Bord genommen, um den Hafen vor einem | |
Angriff der ostlibyschen Nationalarmee des abtrünnigen Generals Chalifa | |
Haftar zu sichern. | |
Auf einem ihrer wenigen Einsätze konnten Patrouillenboote am Wochenende | |
allerdings mehr als 150 Menschen retten. Auf einem Schlauchboot seien 96 | |
Menschen gerettet worden, teilte die Küstenwache am Sonntag mit. Auf einem | |
anderen Boot hätten sich 51 Migranten befunden. Beide Rettungsaktionen | |
seien am Samstag erfolgt. | |
## Asylstatus ist in Tunesien wertlos | |
Die ins tunesische Zarzis gebrachten Überlebenden des Schiffsunglückes vor | |
der tunesischen Küste werden nun von der IOM oder dem Flüchtlingshilfswerk | |
der Vereinten Nationen (UNHCR) betreut, abhängig davon, ob sie als | |
arbeitssuchend gelten oder als Flüchtlinge anerkannt werden, weil sie aus | |
einem Krisengebiet kommen. Die von der UNO in tunesischen Flüchtlingslagern | |
ausgegebenen Plastikkarten mit Asylstatus sind in Tunesien allerdings | |
wertlos, da es keine Asylgesetzgebung gibt. | |
Einige der Überlebenden wurden am Sonntag in ein Lager in Medenine im | |
Südosten Tunesiens gebracht und weigern sich nach Angaben von Helfern des | |
tunesischen Roten Halbmondes, in ihre Heimat zurückzukehren. Sie berichten, | |
dass Insassen wegen der Überfüllung des Camps auf die Straße geschickt und | |
sich viele dann wieder auf den Weg in die Küstenstadt Zarzis machen würden. | |
Dort bieten tunesische Fischer Überfahrten nach Italien an. „Weil sie mit | |
der klassischen Fischerei nicht mehr leben können, wegen der Leichen in den | |
Netzen und wegen der illegal operierenden italienischen | |
Industriefangflotte“, sagt der Fischer Ahmed Miladi. | |
13 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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