# taz.de -- Nazi-Plakat in Lichtenberg: Im Schutz der Zweideutigkeit | |
> In Lichtenberg taucht ein problematisches Plakat der rechtsextremen | |
> Partei Der III. Weg auf. Was lässt sich dagegen tun? | |
Bild: Neonazi-Demo im Februar im hessischen Fulda, „Der dritte Weg“ ist auc… | |
Im [1][Europawahlkampf] werben rechte Splitterparteien mit fragwürdigen | |
Plakaten. „Reserviert für Volksverräter“ steht auf einem Plakat der Partei | |
Der III. Weg, das seit der Nacht zu Mittwoch am Bahnhof Lichtenberg ganz | |
oben an einer Laterne hängt. Es liest sich wie ein Aufruf, „Volksverräter“ | |
– ein im Dritten Reich gängiger Begriff – an Laternenmasten aufzuhängen. | |
Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst (Linke), dessen Behörde durch | |
Anfrage der taz auf das Plakat aufmerksam wurde, sagt: „Wir prüfen, ob wir | |
– wie in Sachsen – ordnungsbehördlich gegen diese Plakate vorgehen können. | |
Und ob ich als Bezirksbürgermeister Strafanzeige wegen dieser Plakate bei | |
der Staatsanwaltschaft erstatten kann.“ Bei der Berliner Polizei sind | |
bisher noch keine diesbezüglichen Strafanzeigen eingegangen. Sprecherin | |
Mareike Rottig sagt: „Bisher haben wir noch keine strafrechtliche Relevanz | |
gesehen. Das prüfen wir aber weiter zusammen mit der Staatsanwaltschaft.“ | |
In verschiedenen sächsischen und bayerischen Kommunen tauchten die Plakate | |
schon früher auf. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des | |
Verdachts der Volksverhetzung. In Chemnitz wurden diese Ermittlungen | |
eingestellt. Die Stadtverwaltung Chemnitz hat nach Bürgerbeschwerden ein | |
Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen des Verdachts der Beeinträchtigung der | |
öffentlichen Ordnung eingeleitet und die Plakate abhängen und als | |
Beweismittel einlagern lassen. | |
So etwas kann aber auch schiefgehen, wie der Umgang der hessischen Gemeinde | |
Neukirchen mit einem umstrittenen Plakat der Splitterpartei Die Rechte | |
zeigt. Vor einem Judenstern steht dort „Israel ist unser Unglück“ – eine | |
Abwandlung des Zitats „Die Juden sind unser Unglück“ des Historikers | |
Heinrich von Treitschke (1834–1896), das ab 1927 meist auf den Titelseiten | |
des NS-Hetzblattes Der Stürmer stand. In Berlin ist dieses Plakat sehr | |
wahrscheinlich bisher noch nicht aufgetaucht. | |
Neukirchens Ortsbürgermeister Klemens Olbrich (CDU) ließ die Plakate diesen | |
Monat auf Bürgerbeschwerden hin abhängen. Die Splitterpartei drohte mit | |
juristischen Schritten, danach hingen die Plakate wieder. Kommunale | |
Ordnungsämter haben wenig Möglichkeiten, gegen Wahlplakate vorzugehen. Sie | |
dürfen diese entfernen, wenn sie an Orten hängen, an die Wahlplakate nicht | |
hingehören, oder wenn sie im Auftrag der Staatsanwaltschaft handeln, weil | |
diese strafbare Inhalte erkennt. | |
## 2011 warb die NPD mit „Gas geben“ | |
Aber auch das ist schwierig. So scheiterte die Berliner Justiz 2011 mit | |
ihrem Vorgehen gegen das [2][NPD-Plakat „Gas geben“]. Auf diesem ist der | |
NPD-Politiker Udo Voigt zu sehen, der sich damals um ein Mandat für das | |
Abgeordnetenhaus bewarb, auf einem Motorrad, die Hand am Gaspedal. Das | |
Plakat weckte Assoziationen mit den Gaskammern in den Vernichtungslagern | |
der Nazis. Die NPD bestritt diesen Zusammenhang. Im aktuellen | |
Europawahlkampf hängt das Plakat erneut zahlreich im Pankower Ortsteil | |
Buch. Voigt sitzt im Europaparlament. | |
Anne Helm, die Rechtsextremismusexpertin der Linken, sieht in solchen | |
Wahlplakaten den Versuch rechter Parteien, „die Grenze des Machbaren nach | |
rechts zu verschieben. Gerichte müssen entscheiden, ob hier der Tatbestand | |
der Volksverhetzung gegeben ist.“ | |
Dies ist ihrer Meinung nach aber kein Selbstläufer, wenn die Aussagen der | |
Wahlplakate mehrdeutig sind. Nach Helms Überzeugung gehört die Partei Der | |
III. Weg [3][verboten]. „Es muss geprüft werden, ob diese Splitterpartei | |
tatsächlich Wahlkampf macht oder ob da Akteure aus der Kameradschaftsszene | |
nur die Organisationsform einer Partei gewählt haben, weil die schwerer zu | |
verbieten ist als ein Verein.“ Experten sehen die Partei als | |
Nachfolgeorganisation des mittlerweile verbotenen Neonazinetzwerks „Freies | |
Netz Süd“. | |
24 Apr 2019 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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