# taz.de -- Schüler*innenstreiks für das Klima: Future ohne Fridays? | |
> Wie es mit „Fridays for Future“ weitergehen könnte? Darüber diskutieren | |
> drei taz-Schülerpraktikant*innen, die mitdemonstriert haben. | |
Bild: In ganz Deutschland – hier in Berlin – streiken Schüler*innen für i… | |
## „Das Interesse könnte bald einschlafen“ | |
Vor zwei Wochen kam [1][Greta Thunberg zur Fridays- for-Future-Demo nach | |
Berlin]. Mit ihr demonstrierten schätzungsweise 25.000 Menschen, darunter | |
viele Schüler. Doch das wird nicht so bleiben. Ich denke, das Interesse | |
vieler Schüler könnte bald einschlafen. Denn der Hype wird nachlassen. Es | |
ist ja fast schon normal geworden, an den Fridays- for-Future-Demos | |
teilzunehmen. Und wenn Dinge zur Gewohnheit werden, können sie schnell | |
langweilig werden. Während sich die meisten Kinder bei der Einschulung noch | |
freuen, endlich in die Schule gehen zu dürfen, finden sie später nichts | |
Besonderes mehr daran. Aber gut, sie müssen dann ja auch zur Schule gehen. | |
Das ist bei den Demos anders. Da dürfen wir ja eigentlich gerade nicht | |
hingehen, sondern müssten stattdessen in die Schule. Doch nach und nach | |
wurde der Protest von unseren Schulen und unseren Eltern gegen die | |
Demonstrationen immer geringer, viele fanden es sogar toll, dass wir auf | |
die Straße gehen. Dadurch fühlt es sich jetzt gar nicht mehr so rebellisch | |
an zu demonstrieren. Manche meiner Freunde haben sich schon gefragt, gegen | |
wen wir überhaupt noch demonstrieren, und finden, dass dabei der Reiz doch | |
etwas verloren gegangen ist. Fehlen uns also diejenigen Teile der | |
Bevölkerung, die anderer Meinung sind als wir und gegen die wir uns | |
auflehnen könnten? | |
Nein, leider nicht. Denn manch Konservativer fordert die Politiker dazu | |
auf, härter gegen das Schuleschwänzen vorzugehen. In sozialen Medien werden | |
wir zum Beispiel als „Rotzlöffel“ bezeichnet, die lieber zur Schule gehen | |
sollten. Doch noch schlimmer sind rechtsextreme Hasskommentare gegen Greta | |
und die demonstrierenden Schüler. | |
Aber wenn Politiker und Schulleiter doch noch [2][Sanktionen für das | |
Streiken beziehungsweise für das Schwänzen einführen], könnten die | |
Schulstreiks weitgehend beendet werden. Zumindest dürfte sich das Publikum | |
auf den Demonstrationen dann ändern. Es gehen ja nicht nur Schüler dorthin, | |
sondern auch Erwachsene, die sich für Klimaschutz einsetzen. Ich persönlich | |
will nach dem Besuch von Greta künftig öfter zu den Freitagsdemonstrationen | |
gehen – aber nur, solange keine Sanktionen eingeführt werden, die | |
schlimmere Folgen als einen unentschuldigten Fehltag haben. | |
Vielleicht sind auch andere Schüler erst durch die großen Demonstrationen | |
vor zwei Wochen motiviert worden, ein Teil der Fridays-for-Future-Bewegung | |
zu werden. Greta klang bei ihrem Besuch jedenfalls nicht danach, bald | |
aufhören zu wollen. Auch die Organisatoren der Demos in Deutschland sagen | |
immer wieder, dass sie nicht aufhören wollen, bevor die Politik handelt. | |
Es ist wichtig, dass wir Schüler weiter demonstrieren. Wir müssen den | |
Politikern, die immer noch nicht davon überzeugt sind, sich stärker für den | |
Klimaschutz einzusetzen, noch mehr Druck machen, damit sie endlich etwas zu | |
tun. | |
Ich fürchte aber, dass die Demonstrationen irgendwann trotzdem aufhören | |
werden. Aber der Gedanke dahinter, nämlich sich für den Klimaschutz | |
einzusetzen, wird es nicht. | |
FARIN LAU, 14, besucht die 9. Klasse am Askanischen Gymnasium im Berliner | |
Bezirk Tempelhof-Schöneberg | |
*** | |
## „Wir könnten die Hoffnung verlieren“ | |
Ich habe schon dreimal an den Demos teilgenommen. Und was hat das gebracht? | |
Noch ist nichts passiert. Die Politiker könnten etwas verändern, aber sie | |
tun nichts. Es wird viel darüber gesprochen, aber der Druck, den wir | |
aufgebaut haben, führt bisher nirgendwohin. Dabei fühlt es sich manchmal so | |
an, als wären alle auf unserer Seite, aber es verbessert sich nichts. | |
Ich habe viele auf den Demos sagen gehört, wir machen das, bis die Politik | |
etwas tut. Aber leider sehe ich schwarz für beides. Den Hype wird es | |
vermutlich bald nicht mehr geben und die Politik wird so verschnarcht | |
weitermachen wie bisher. | |
Vielleicht wird man hier und da ein Kohlekraftwerk abschalten, aber dass es | |
schnell konkrete Lösungsansatz geben wird, halte ich für unwahrscheinlich. | |
Ich weiß, dass das schwierig ist und – wie mir Erwachsene immer wieder | |
sagen – ja nicht von heute auf morgen geht. Aber ich weiß auch: Viel Zeit | |
haben wir nicht mehr. Und mit den Konsequenzen muss meine Generation dann | |
leben. | |
Klar, es ist ein schwieriges Thema und das Problem ist nicht einfach zu | |
lösen, aber es gibt immer Möglichkeiten, etwas zu verändern, um Stück für | |
Stück den Mist, den wir gebaut haben, wieder aufzuräumen. | |
Die Forderungen zeigen ja konkrete Schritte auf. Wir Schülerinnen und | |
Schüler versuchen zum Beispiel unseren Alltag anzupassen und bewusster und | |
nachhaltiger zu leben, denn wir wissen, jeder Einzelne macht einen | |
Unterschied. Aber es geht noch so viel mehr, das wir nicht von unseren | |
Zimmern aus steuern und nur geringfügig beeinflussen können. | |
Es ist frustrierend, dass es nur darum zu gehen scheint, wie Politiker | |
verhindern können, dass Schüler am Freitag in der Schule fehlen. Wir wollen | |
doch nur, dass endlich etwas für das Klima passiert. Aber man will uns | |
zuerst wieder in die Schule schicken, bevor sich Politiker mit dem | |
auseinandersetzen, was wir fordern. Viele haben gesagt, wie sehr sie uns | |
unterstützen, aber es passiert nichts. | |
Wir werden nicht das Interesse und auch nicht den Grund verlieren, auf die | |
Demonstrationen zu gehen. Aber wir könnten die Hoffnung verlieren, dass | |
sich dadurch etwas verändern wird. Dann werden wir vielleicht unseren | |
Antrieb verlieren, jeden Freitag aufs Neue unsere Kraft für etwas zu | |
verwenden, das am Ende doch nicht mehr als eine Debatte über die | |
Schulpflicht auslöst. | |
NORA JAHNKE, 15, besucht die 9. Klasse am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in | |
Berlin-Pankow | |
*** | |
## „Wir werden nicht ernst genommen“ | |
Wenn Angela Merkel die Demonstrationen der Schüleraktivisten lobt und | |
glücklich über das Engagement der Jugend ist, klingt das doch erst einmal | |
nach einem großen Sieg für die Jugendlichen, oder? Schließlich ist die | |
Debatte darüber, ob das Streiken der Schüler gerechtfertigt ist, in vollem | |
Gange und die Demonstrationen sind populär. Die Politiker, die sich mit den | |
Demonstrationen auseinandersetzen und ihre Meinung dazu sagen, nicken mit | |
den Köpfen und sprechen ihre Zustimmung aus – abgesehen von der AfD, die | |
auf den Demos einen „Klima-Quiz“ mit Falschinformationen verteilt hat, um | |
die Jugendlichen davon zu überzeugen, dass es den Klimawandel ja gar nicht | |
gebe. | |
Aber die heuchlerische Zustimmung vieler Politiker schadet der Bewegung | |
mehr, als es ihr letztlich hilft. Denn wir Schüler werden nicht richtig | |
ernst genommen, wenn Politiker die Streiks einerseits anerkennen, aber | |
andererseits nicht auf Augenhöhe mit uns Jugendlichen diskutieren und auch | |
nichts konkret verändern. Unsere Eltern geben uns quasi die Erlaubnis, die | |
Schulpflicht zu verletzen. Das widerspricht dem Kerngedanken, der den | |
Demonstrationen zugrunde liegt. Nämlich, dass man uns nur wahrnehmen wird, | |
wenn wir etwas Verbotenes tun, sprich: die Schulpflicht verletzen. | |
Auflehnung gegen Autoritäten, aber mit der Erlaubnis der Autoritäten – wie | |
überheblich haben sich die Politiker über die Proteste und unsere | |
Forderungen gestellt! | |
Trotz Beifall und Zustimmung von allen Seiten passiert bisher auf der | |
politischen Ebene nichts. Sie gehen weder auf unsere Forderungen ein noch | |
tun sie etwas, um den Klimawandel zu stoppen. Stattdessen gibt es viele | |
Diskussionen darüber, ob Schüler die Schule schwänzen dürfen oder nicht, ob | |
Schüler sich überhaupt positionieren sollten, ob sie das alles nicht lieber | |
den Experten überlassen sollten und so weiter. Abgesehen davon, dass sich | |
ja jeder – auch wir Schüler – ausführlich zu dem Thema informieren kann u… | |
wir [3][wissenschaftliche Erkenntnisse auf unserer Seite haben], wird damit | |
nur von dem eigentlichen Problem abgelenkt. | |
Wie wird es jetzt weitergehen? Wenn nach den Ferien vielleicht weniger | |
Schüler auf die Straße gehen, wird die Klimapolitik dann weiter | |
stillstehen oder werden die alten Politiker ihre Klimapolitik doch noch | |
überdenken? | |
JURIJ KÖNIGER, 14, besucht die 9. Klasse am Askanischen Gymnasium im | |
Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg: | |
12 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /SchuelerInnenstreik-Fridays-For-Future/!5581752 | |
[2] /Lehrerverbandschef-zu-Fridays-for-Future/!5575715 | |
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## AUTOREN | |
Farin Lau | |
Nora Jahnke | |
Jurij Königer | |
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