| # taz.de -- Europawahlkampf der AfD: Nur eine kleine Nummer | |
| > Auf EU-Ebene gilt die AfD als eher unbedeutend. Auch Parteichef und | |
| > Europa-Spitzenkandidat Jörg Meuthen ist angeschlagen. | |
| Bild: Für den AfD-Vorsitzenden und Europakandidaten Jörg Meuthen läuft es ni… | |
| BERLIN taz | Ende vergangenen Jahres hat sich Jörg Meuthen das noch so | |
| schön ausgemalt. Die Umfragewerte für die AfD waren zweistellig. Bis zu 20 | |
| Prozent könnte die AfD bei den Europawahlen Ende Mai holen, tönte der | |
| AfD-Chef auf dem Parteitag in Magdeburg, der ihn zum Spitzenkandidaten für | |
| das EU-Parlament kürte. Dann werde er an einem Bündnis mit den anderen | |
| europäischen Rechtspopulisten arbeiten, versprach Meuthen den Delegierten: | |
| mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, Lega-Chef Matteo Salvini und | |
| Hans-Christian Strache von der FPÖ – den „natürlichen Verbündeten“ der… | |
| Am Samstag nun, sieben Wochen vor der Wahl, wird die AfD ihren | |
| Europawahlkampf in der Oberrheinhalle im baden-württembergischen Offenburg | |
| eröffnen. Meuthen und sein Co-Parteichef Alexander Gauland sind als Redner | |
| angekündigt, auch Guido Reil wird sprechen, der AfD-Vorzeige-Malocher aus | |
| dem Ruhrgebiet, der auf Listenplatz zwei für das Europaparlament | |
| kandidiert. Doch so euphorisch wie gedacht ist die Stimmung bei den | |
| deutschen Rechtspopulisten nicht. | |
| Orbáns Fidesz, die vielen in der AfD das große Vorbild ist, bleibt zunächst | |
| weiter mit der Union in der Europäischen Volkspartei. Eine gemeinsame | |
| Fraktion mit Lega, FPÖ und den anderen europäischen Rechten steht noch | |
| nicht. Bei den Versuchen, sie vorzubereiten, tut sich vor allem der Chef | |
| der italienischen Lega, Matteo Salvini, hervor, der auch deshalb für Montag | |
| nach Mailand geladen hat. Die Lega ist in Italien an der Regierung | |
| beteiligt, in den Umfragen für die EU-Wahl liegt sie bei über 30 Prozent. | |
| Die AfD, erst sechs Jahre alt und in der Opposition, gilt manchen dagegen | |
| in Europa eher als kleine Nummer. | |
| Zu Hause steht die Partei, vom Verfassungsschutz bestätigt, unter amtlichem | |
| Extremismusverdacht, und die Brexit-Blockade im britischen Parlament macht | |
| derzeit tagtäglich deutlich, in welches Chaos populistische EU-Gegner ein | |
| Land führen können. Dass sich auch dies negativ auf die Zustimmung der | |
| Wähler für die AfD auswirken könnte, hat Gauland schon auf dem Magdeburger | |
| Parteitag vorhergesagt. Er scheint recht zu behalten. In den Umfragen ist | |
| die erfolgsverwöhnte AfD von ihren selbst gesteckten Zielen weit entfernt: | |
| Sie liegt bei gut 10Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen hat im März sogar | |
| nur 9 Prozent Zustimmung gemessen. Einstellig also. | |
| ## Applaus von den einen, Buhrufe von den anderen | |
| Und auch für Spitzenkandidat Meuthen läuft es nicht rund. Im Gegenteil: Der | |
| AfD-Chef ist angeschlagen, auch parteiintern. Das hat mit dem | |
| Verfassungsschutz zu tun, mit Spenden aus der Schweiz und seiner Haltung, | |
| sich mit Zugeständnissen an den Rechtsaußen-Flügel in der Partei an der | |
| Macht zu halten. | |
| An einem Samstag Ende Februar hält Meuthen auf dem Landesparteitag der | |
| baden-württembergischen AfD eine erstaunliche Rede. Er kritisiert einige | |
| „komplett rücksichtslose Radikale“ in den eigenen Reihen, spricht von | |
| Intrigen und innerparteilichen Kleinkriegen und sagt: „Wer hier seine | |
| gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausleben möchte, dem sage ich ganz | |
| klar: Sucht euch ein anderes Spielfeld für eure Neurosen!“ Dafür gibt es | |
| Applaus, aber auch viele Buhrufe. Die Kategorie „gruppenbezogene | |
| Menschenfeindlichkeit“ stammt vom Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer, | |
| der wohl zu dem gehört, was der AfD-Chef so gerne das | |
| „linksgrünversiffte-68er-Deutschland“ nennt. | |
| Mit seiner Kritik zielt Meuthen vor allem auf die AfDler, die sich wenig | |
| zuvor im schwäbischen Burladingen versammelt hatten, um gegen | |
| Parteiausschlussverfahren zu demonstrieren. Den Thüringer Björn Höcke, der | |
| für diese Mitglieder eine wahre Lichtgestalt ist, nahm Meuthen von seiner | |
| Kritik später aus. Höcke steht an der Spitze der rechten Strömung in der | |
| AfD, die sich selbst „der Flügel“ nennt, und ist Spitzenkandidat bei den | |
| Landtagswahlen in Thüringen. | |
| ## Anbiedern bei Rechtsaußen | |
| Meuthen, 57, war vor seinem Wechsel in die Politik | |
| Volkswirtschaftsprofessor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in | |
| Kehl, er gilt als wirtschaftsliberal und ist das in vielen Positionen auch. | |
| Doch Meuthen hat – anders als die meisten anderen Wirtschaftsprofessoren – | |
| nach dem großen Knall beim Essener Parteitag 2015 die AfD nicht verlassen, | |
| sondern sich mit den Stimmen des „Flügels“ an der Seite von Frauke Petry | |
| zum Parteichef wählen lassen. | |
| Seitdem spricht er alljährlich beim Kyffhäusertreffen, wo sich die | |
| Parteirechten selbst feiern, hält seine Hand über Höcke und verteidigt | |
| immer wieder Grenzgänge weit ins rechtsextreme Lager hinein. Meuthen steht | |
| beim „Flügel“ in der Schuld. Man könnte auch sagen: Er ist von ihm | |
| abhängig. [1][Denn der „Flügel“ wird immer einflussreicher, gegen ihn ist | |
| in der AfD kaum noch etwas durchsetzbar]. | |
| Doch der „Flügel“ ist nicht begeistert davon, was Meuthen in Sachen | |
| Verfassungsschutz so treibt. „Politische Bettnässerei“ hat Höcke den | |
| Versuch genannt, einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz mithilfe | |
| rhetorischer Zähmung und einiger Parteiausschlussverfahren zu entgehen. Und | |
| die zahlenmäßig geschwächten und kraftlosen „Moderateren“ in der AfD fü… | |
| sich von Meuthen wegen der vielen Zugeständnisse an die Rechtsaußen ohnehin | |
| verraten. Zudem sitzt der Parteichef als derzeit einziger verbliebener | |
| Europaabgeordneter der AfD fernab in Brüssel und ist wenig präsent. | |
| Und jetzt tauchen, kurz vor der Europawahl, neue dubiose Details einer | |
| ohnehin fragwürdigen Wahlkampfunterstützung auf, die Meuthen 2016 vor der | |
| baden-württembergischen Landtagswahl von der Schweizer PR-Firma Goal AG | |
| erhalten hatte. Der Wert: knapp 90.000 Euro, geliefert in Plakaten, Flyern | |
| und Inseraten, auch Meuthens Website wurde betreut. Meuthen hat dies in | |
| einem Interview mit der Welt jüngst erstmals öffentlich eingeräumt, | |
| beteuert aber, nichts Illegales getan zu haben. Die Bundestagsverwaltung | |
| dagegen geht wohl davon aus, dass es sich um eine nicht zulässige | |
| Parteispende handelt, und hat eine Strafzahlung in dreifacher Höhe | |
| angedroht. Der endgültige Bescheid steht noch aus. | |
| ## Fragwürdige Parteispenden | |
| Zuletzt haben Recherchen des Spiegels und von „Report Mainz“ ergeben, dass | |
| es sich bei den angeblichen Finanziers, die laut einer von der AfD bei der | |
| Bundestagsverwaltung eingereichten Liste hinter der Spende stecken, um | |
| Strohleute handeln soll. Sie sollen dafür bezahlt worden sein, ihren Namen | |
| zu geben, um den wahren Geldgeber zu verschleiern. Die Stuttgarter | |
| Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Ermittlungen in dem Fall aufnehmen soll. | |
| Guido Reil, der in NRW für den Landtag kandidiert hatte und jetzt auf | |
| Listenplatz zwei für die Europawahl steht, [2][ist in eine ähnliche | |
| Spendenaffäre verstrickt]; gegen Alice Weidel, Fraktionschefin im | |
| Bundestag, [3][ermittelt bereits die Konstanzer Staatsanwaltschaft.] | |
| Auch das kommt im Wahlkampf nicht gut. Insbesondere nicht bei einer Partei, | |
| die von sich behauptet, Rechtsstaatspartei zu sein. | |
| Im Herbst könnte es für Meuthen dann auch innerparteilich eng werden. Mitte | |
| September, also noch vor der Landtagswahl in Thüringen, will die AfD auf | |
| einem Parteitag ein Rentenkonzept verabschieden. In dieser Frage ist | |
| Meuthen in der Tat wirtschaftsliberal. Ob er sich damit in der Partei noch | |
| durchsetzen kann, ist fraglich. Und Ende des Jahres steht die Neuwahl des | |
| Bundesvorstands an. | |
| In den kommenden Tagen aber wird sich Meuthen wohl erst einmal über schöne | |
| Bilder freuen können. Beim Wahlkampfauftakt in Offenburg mit Gauland und | |
| Reil, am Montag dann in Mailand mit dem vor Kraft strotzendem Lega-Chef | |
| Salvini und anderen europäischen Rechtspopulisten. | |
| 6 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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