# taz.de -- Jugendringvorsitzender zum Wahlrecht: „Altersgrenzen sind willkü… | |
> Auch 14-Jährige sollten wählen dürfen, findet Tobias Köck, Vorsitzender | |
> des Bundesjugendrings. Sein Verband regt sogar ein Wahlrecht ab 0 Jahren | |
> an. | |
Bild: Junge Menschen sind nicht nur bei den „Fridays for Future“-Demos poli… | |
taz: Herr Köck, Bundesjustizministerin Katarina Barley forderte kürzlich | |
eine [1][Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre], die CDU will beim aktuellen | |
Stand bleiben. Ist Ihnen das genug? | |
Tobias Köck: Grundsätzlich ist es gut, dass die Forderung nach einer | |
Absenkung des Wahlalters wieder im politischen Diskurs auftaucht. Da ist | |
gerade eine große Bewegung unterwegs auf den Straßen und in den | |
Jugendverbänden. Wir als Deutscher Bundesjugendring fordern die Absenkung | |
des Wahlalters auf 14 Jahre. 16 wäre ein guter Zwischenschritt. Das | |
Wahlrecht steht allen Bürger*innen zu, und Altersgrenzen sind relativ | |
willkürlich. Wir haben in den letzten hundert Jahren ja schon öfter eine | |
Wahlalterabsenkung erlebt. | |
Sie sagen, Altersgrenzen seien immer willkürlich. Ihr Verband regt sogar | |
ein Wahlrecht ab 0 Jahren an. Unter welchen Bedingungen sollte dies möglich | |
sein? | |
Der Wahlwunsch ist persönlich und darf nicht von Eltern oder | |
Erziehungsberechtigten wahrgenommen werden. Sobald ein junger Mensch in der | |
Lage ist zu wählen, sollte er das tun können. Und wenn ein Kind das selbst | |
entscheidet, dann wäre das auch umsetzbar. Bei Kommunal- oder | |
Landtagswahlen ist die Wahl ab 16 schon teilweise umgesetzt, auf | |
Europaebene geht das beispielsweise in Österreich. | |
Die Bundesregierung ist sich nicht einmal bei der Absenkung auf 16 einig. | |
Die SPD hat jetzt wieder einen Aufschlag gemacht, das zu ändern. Warum CDU | |
und CSU sich nicht dafür einsetzen, verstehen wir nicht. Die Union fördert | |
eigentlich verlässlich seit vielen Jahren Jugend- und Verbandsarbeit, | |
ehrenamtliches Engagement und die Selbstorganisation junger Menschen. Das | |
Europaparlament hat parteienübergreifend die Empfehlung zur Absenkung auf | |
16 gegeben, auch mit den Stimmen der Europäischen Volkspartei (EVP), also | |
der Konservativen. Die Umsetzung muss jedoch auf nationaler Ebene erfolgen. | |
Die Union begründet ihre Ablehnung damit, dass das Wahlrecht mit der | |
Volljährigkeit und der vollen Geschäftsfähigkeit einhergehen müsse, sogar | |
die Entwertung des Wahlrechts wird befürchtet. Was entgegnen Sie ihr? | |
Auch die Volljährigkeit ist relativ willkürlich, die lag schließlich auch | |
mal bei 21. Das Wahlrecht ab 16 gibt es in anderen Ländern auch, dort wird | |
es nicht an die Volljährigkeit gekoppelt und man verzeichnet eine | |
überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligung der Erstwähler*innen. Es gibt | |
Studien, darunter die Shell-Jugendstudie, die zeigen, dass Jugendliche mit | |
16 den Wahlakt ernst nehmen und sich beispielsweise mehr mit den | |
Wahlprogrammen auseinandersetzen als manche ältere Menschen, die in ihren | |
Wahlentscheidungen sehr festgefahren sind. | |
In der angesprochenen Shell-Studie ist davon die Rede, dass zwar das | |
Interesse an Politik unter jungen Menschen zunehme, sie sich aber weniger | |
für Parteien interessierten. Woran liegt das? | |
Wenn eine Gesellschaft immer älter wird, wird es für Jugendliche immer | |
schwieriger, in den Gremien und Strukturen mitzuarbeiten und gehört zu | |
werden. Gerade in Parteien ist es für sie schwer, eine Stimme zu bekommen, | |
auf Listen und in Parlamenten zu landen. Der Altersdurchschnitt in den | |
Parlamenten ist zu hoch. Junge Menschen sind nicht ausreichend | |
repräsentiert. Stattdessen organisieren sie sich mehr in Jugendverbänden | |
und unter ihresgleichen. | |
Eine Skepsis gegenüber Institutionen bemerken Sie also weniger? | |
Ich weiß nicht, ob es eine Skepsis gegenüber Institutionen ist. Verbände | |
und Gruppen vor Ort werden weniger skeptisch gesehen. Ich merke schon, dass | |
junge Menschen Fragen an politische Institutionen haben und sie | |
kritisieren. Die [2][Fridays-for-Future-Bewegung] etwa fordert, den | |
Klimaschutz ernst zu nehmen. Einzelne Politiker wie Christian Lindner tun | |
das dann ab und sagen, dass das nichts für junge Menschen, sondern für | |
Profis sei. Das ist ein Unding. | |
Seit 1996 veranstalten Sie bereits bundesweite U18-Wahlen. Wie entwickelt | |
sich die Beteiligung daran, und welche Altersgruppen geben ihre Stimme ab? | |
Das Gros der Teilnehmer*innen ist zwischen 14 und 17 Jahre alt. Unsere | |
Statistiken zeigen aber auch, dass viele unter 14-Jährige mitmachen. Bei | |
der letzten U18-Bundestagswahl 2017 haben knapp 220.000 Kinder und | |
Jugendliche in den etwa 1.600 selbst organisierten Wahllokalen ihre Stimme | |
abgegeben. | |
In den vergangenen Jahren wurde beispielsweise über sogenannte | |
Jugendparlamente in den Kommunen versucht, Jugendliche verstärkt | |
einzubinden. Wie bewerten Sie diesen Schritt? | |
Die wichtigste Beteiligung in unserem demokratischen System ist es, jungen | |
Menschen das Wahlrecht zu geben. Die Freitagsdemos oder Pulse of Europe | |
zeigen, dass Jugendliche ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen wollen. Auf | |
kommunaler Ebene sind die Jugendparlamente ein guter Weg. Aber insgesamt | |
ist es falsch, Parallelparlamente zu initiieren, in denen junge Menschen | |
nur scheinbar eine Stimme haben, aber nicht wirklich ernst genommen werden. | |
14 Mar 2019 | |
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[1] /Wahlrecht-ab-16-Jahren/!5574724 | |
[2] /Fridays-for-Future-weltweit/!5578109 | |
## AUTOREN | |
Kevin Culina | |
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