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# taz.de -- Künstler über das Gute im Menschen: „Ich suche den roten Faden�…
> Sönke Busch malt, schreibt und hält Reden – unter anderem von einem
> Weserufer zum anderen. Mit seinen Mitmenschen hat er erfreulich gute
> Erfahrungen gemacht.
Bild: Sönke Busch will Wärme unter die Bremer*innen bringen
taz: Herr Busch, sind Sie ein Lebenskünstler?
Sönke Busch: In der Beschreibung dessen, was ein Lebenskünstler ist,
schwingt ja auch immer etwas Despektierliches mit. Ich forsche selbst
danach, was der rote Faden ist innerhalb dessen, was ich tue. Also, wie
verbinde ich belletristisches Schreiben, politische Aktivität und Malerei?
Wie kriege ich es im besten Fall auf die Kette, dass irgendwo ein Bild von
mir hängt, eine Idee durch die Stadt geistert und ein Text von mir
existiert, wo kein Name drübersteht – und der Rezipient denkt sich: Ah, das
kommt doch irgendwie aus der gleichen Richtung. Das ist für mich die Suche
danach, was der rote Faden ist – der das nicht durchspinnt, sondern der das
einwickelt. Ich glaube, das ist das, was letztlich mit einem Lebenskünstler
beschrieben ist. Eine Eselsbrücke, um jemanden einzufangen, ein Werk
einzufangen, das vielleicht zerfranst ist. Aber das bedeutet nicht, dass es
keinen Kern hat.
Wie würden Sie sich denn stattdessen selbst kategorisieren?
Ich würde mich mir selber nähern, wie ich mich anderen Menschen nähere, und
zwar über die Frage: Woher kommt das alles? Wieso tust du, was du tust?
Nicht als Künstler, sondern als Mensch.
Sie haben Fachabitur in Bremen gemacht, waren danach in Wien und Berlin,
kamen 2005 zurück und haben sich dem gewidmet, was Sie bis heute machen –
malen und schreiben. Welches von beiden war zuerst da?
Als ich zurückkam, war ich auf der Suche danach, womit ich mir am meisten
Geltung verschaffen kann. Und da war Malen damals durch die
Hip-Hop-Sozialisation Anfang der 90er-Jahre das einfachste Mittel, um
möglichst laut zu sein. Das Schreiben kam etwas später. Ich habe vorher
viel probiert, hatte in Wien ein Stipendium für ein Jahr. Da hab’ ich Filme
gemacht, geschauspielert, Drehbücher geschrieben, produziert. Dabei habe
ich aber schon gemerkt, dass mir Produzieren viel zu stressig ist, dass
Regie bedeutet, dass man den ganzen Tag mit Schauspielern rumhängen muss.
Und was letztendlich übrig blieb, war Bock auf die Bühne – und die
Fähigkeit zu schreiben. Und das ist die Essenz von Lesungen, meiner Meinung
nach: ein guter Text und jemand, der auf der Bühne wirken kann. Und da fiel
mir auf: Ich fand meine Texte nie stark genug, um Menschen damit komplett
alleine zu lassen.
Das heißt?
Ich weiß, wie man einen Raum ruhig kriegt, und das ist so ziemlich die
Hauptsache. Man muss es irgendwie hinbekommen, dass die Leute eine Lesung
als das erachten, was es ist, nämlich eine Stunde lang ruhig zu sein und
zuzuhören. Was ich übrigens selbst nur sehr schlecht kann.
Wie ist es mit dem Malen?
Malen gehört zu meiner Prägung. Das war schon immer da. Was mir daran
besonders gefällt, ist, dass dieser Prozess komplett anti-konsumistisch
ist. Wenn ich mich hinsetze und ein Bild male, dann dauert das acht
Stunden. In dieser Zeit bin ich komplett mit mir alleine. Ich kann, wenn
ich male, einen unheimlich langen Gedankenbogen verfolgen, ohne dass mich
etwas ablenkt.
Wann wussten Sie, dass Sie mit dieser Art Leben Ihren Unterhalt verdienen
können?
Ich habe den Vorteil, dass ich aus einem Elternhaus komme, wo die
Hierarchien der Werte im Leben nicht kapitalistisch geprägt waren. Geld als
Strategie war in meinem Kopf nie ein Thema. Ich mag die Idee von Quid pro
quo im Sozialen – ohne den Umweg über Geld, ohne den Tauschwert. Dass wir
uns gegenseitig darum sorgen, dass es uns an nichts mangelt. Und ich habe
den Vorteil, dass ich in meinem Leben noch nie viel Geld gehabt habe.
Was treibt Sie an?
Was mich angetrieben hat: Ich wollte immer Sicherheit haben, aber
Sicherheit war für mich nie verknüpft mit Geld haben. Sondern damit zu
sagen: Okay, wenn ich Hunger hab’, dann geh’ ich halt irgendwo hin und
sage: „Ey, ich hab’ Hunger.“ Und das Interessante ist: Wenn du offen und
ehrlich in irgendeinen Nahrungsladen reingehst und sagst: „Es lief bei mir
gerade nicht so gut, ich hab Hunger“ – zack, du kriegst was zu essen. Wenn
du zu jemandem gehst, der etwas hat, und du sagst: „Ich hab’ das gerade
nicht“ – dann ist doch wohl klar, was der andere Mensch tut. Das erwarte
ich von der Menschlichkeit, die einem Menschen innewohnt. Das betrifft auch
andere grundsätzliche Dinge: „Ey, mir ist kalt.“ Oder: „Ey, meinem Kopf
geht’s gerade scheiße, kannst du mir mal zuhören? Ich brauch gerade
jemanden.“ Und jeder Mensch, der der Meinung ist, sich ein Stück
Menschlichkeit bewahrt zu haben, der ist bereit, das zu teilen.
Dahinter steht ein positives Menschenbild.
Ja! Weil ich die Erfahrung gemacht habe! Wenn man sich in diesem
Businesskontext bewegt, dann ist das natürlich was anderes.
Sie sagen, wenn die Leute sehen, dass Sie Hilfe brauchen, sind sie bereit
zu helfen. Wieso sind sie das nicht bei den Flüchtlingen im Mittelmeer?
Weil sie Faschisten sind. Weil Menschen aus einer anderen Gruppe für sie
weniger zählen als aus der eigenen, wie es scheint.
Aber Sie glauben weiter grundsätzlich an den Menschen?
Ich glaube sehr daran, dass Kleinstgruppen, die sich automatisch und
emotional gefunden haben, im Kern sehr gut funktionieren. Wenn’s künstliche
Gebilde sind wie Nationalstaaten oder Militärbündnisse oder Dinge, die von
oben drauf gestanzt wurden im Sinne von „Ihr seid jetzt eine Gruppe“, dann
– vergiss es. Ich glaube, das Problem ist die emotionale Kälte, die
entsteht, wenn Räume zwischen den Menschen zu groß werden.
Wenn man sich mit Ihren Texten und Bildern beschäftigt, kommt viel Wärme
zum Vorschein. Auch „die lauteste Rede“ im Sommer 2014 am Weserufer
gehalten, war ja im Grunde auch eine Liebeserklärung an die Stadt und an
die Jugend. Geht es darum, diese Wärme unters Volk zu bringen?
Ja, absolut. Ich hab ein Reflexionsbedürfnis den Menschen gegenüber: Zu
sagen, wie es mir geht, sehr oft in einer großen Offenheit – was aber
oftmals auf Ohren trifft, die mich vereinnahmen möchten; sie sagen, ich
wäre zynisch und ironisch, weil sie selbst zynisch oder ironisch sind.
Dieser Text war eine komplette Liebeserklärung: daran, wie es ist, mit 16
Jahren am Deich zu liegen, vom Leben noch nicht auf die Fresse bekommen zu
haben, noch die Illusion zu haben, dass alles möglich ist. Das war ein
Dankeschön an die Stadt, dass die mich so hat sein lassen, wie ich bin.
Dennoch gab es negative Stimmen – was will der eigentlich, was ist das für
ein eigenartiges Sendungsbewusstsein. Wie sind Sie damit umgegangen?
Na ja, ich hab schon gedacht, was für ein Quatsch, das ganze Ding hat,
glaube ich, 18 Minuten gedauert. Schon seltsam – es gibt kein Problem, wenn
das Weserstadion alle zwei Wochen das Viertel lahmlegt, aber da regt man
sich auf.
Planst Du ähnliche Aktionen?
Ja, es kommt etwas ganz Großes, am Ende des Jahres, was aber im Moment noch
sehr unter Verschluss ist. Daneben schreibe ich gerade ein Theaterstück ,
und auch ein neues „Bomben für Utopia“ wird kommen.
Und nebenbei werden Sie gerne von Wirtschaft und Politik als Redenschreiber
angeheuert. Wie passt das eigentlich zusammen mit den ganzen künstlerischen
Aktivitäten?
Zum einen haben ich in diesen Reden immer auch eine andere Ebene drin, und
zum anderen nehmen sich die beiden Bereiche absolut nichts. Ich bin den
letzten fünf Jahren, in denen ich mich extrem viel mit Wirtschaftsleuten
rumgetrieben hab, unglaublich dankbar, weil ich darüber viel mehr
verstanden habe, worüber Leute funktionieren, als ich das in der Kunst
jemals verstanden habe. Wie Menschen agieren, warum sie tun, was sie tun.
Was greifbarer Erfolg ist, wie Geld Menschen verändert – und auch die
Offenlegung dieser Tiefe von Menschen, die hast Du ganz krass, wenn es ums
Geld geht. So ist es halt. Alle bemühen sich, die Kunst ernst zu nehmen,
kriegen es aber ganz selten auf die Kette. Wenn Du in der Wirtschaft bist,
merkst Du, das ist ernsthaft existenziell.
18 Mar 2019
## AUTOREN
Frank Schümann
## TAGS
Menschlichkeit
Bremen
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