# taz.de -- Fraktionsklausur der Berliner Linken: Ganz schön ausgenüchtert | |
> Man könne sich leider nicht aussuchen, mit wem man regiert, bilanziert | |
> Linken-Kultursenator Klaus Lederer auf der Fraktionsklausur seiner | |
> Partei. | |
Bild: Immerhin, sie lächeln noch: Die Linke-FraktionschefInnen Udo Wolf und Ca… | |
Sie müssen da etwas missverstanden haben. Udo Wolff und Carola Bluhm, die | |
Chefs der Linksfraktion, hatten im taz-Interview beklagt, dass man sich in | |
der rot-rot-grünen Koalition gegenseitig Beine stelle. Dass man auch | |
[1][nach zweieinhalb Jahren] überhaupt nicht im verabredeten Politikmodus | |
auf Augenhöhe sei. Und dass man darüber reden müsse bei der | |
Fraktionsklausur am Wochenende in Rheinsberg. | |
Die Chefkollegen von den anderen beiden Koalitionsfraktionen, die als Gäste | |
am ersten Abend dazustoßen, sehen das ganz anders. „Wir sind nicht nur auf | |
Augenhöhe, wir haben uns auch ganz schön lieb“, sagt Grünen-Fraktionschefin | |
Antje Kapek. Und auch SPD-Kollege Raed Saleh findet alles lange nicht so | |
beklagenswert wie die Linksfraktionschefs. | |
Es ist ein neues Format, dass die Linkspartei-Abgeordneten als Teil ihrer | |
Klausur ausprobieren: auf offener Bühne die gelegentlichen montäglichen | |
Treffen der Fraktionsvorsitzenden quasi nachspielen, wie es Bluhm | |
beschreibt. Und all das eben an dem Ort, an dem Kurt Tucholsky sein | |
„Bilderbuch für Verliebte“ spielen ließ. „Na, schlottern dir schon die | |
Knie?“, hat Innenpolitiker Niklas Schrader den SPD-Mann Saleh begrüßt, als | |
der in Rheinsberg in den Tagungssaal kommt, eine Mehrzweckhalle im | |
Untergeschoss des örtlichen Seehotels. Aber von Schlottern ist nichts zu | |
merken, als Saleh anekdotenreich ein gutes Klima bei Rot-Rot-Grün | |
beschreibt, das so im Kontrast zu Wolfs und Bluhms Kritik steht. | |
Bevor der Besuch von SPD und Grünen dazustößt, hat die Fraktion unter sich | |
[2][bilanziert, wie es war in den ersten zweieinhalb Jahren]. Auch da | |
klingt manches so gar nicht nach koalitionärem Liebhaben, von dem die Grüne | |
Kapek ein paar Stunden später schwärmen wird. „Die sind, wie sie sind“, | |
sagt etwa Kultursenator Klaus Lederer, man könne sich nicht aussuchen, mit | |
wem man regiert – „wir können nur mit denen tanzen, die im Saal sind“. D… | |
klingt weit weg von der großen Euphorie zum Start der ersten rot-rot-grünen | |
Koalition in Berlin Ende 2016, die weiterhin auch bundesweit die erste | |
unter SPD-Führung ist. | |
Neben solchen strategischen Überlegungen ist die Mietenpolitik auch an | |
diesem Wochenende ein zentrales Thema. Schon im Dezember hatte sich ein | |
Parteitag der Linken hinter das [3][Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. | |
enteignen“] gestellt. In den Diskussionen fällt auf, dass Bluhm, Wolf und | |
andere nicht mehr von „enteignen“ sprechen, sondern von | |
„vergesellschaften“. | |
Das überrascht, denn das unterstützte Volksbegehren benutzt ausdrücklich | |
den anderen Begriff. Für die Fraktionsspitze ist das kein Widerspruch, weil | |
Vergesellschaftung das Weitreichendere sei. „Wenn ich mir das Ziel einer | |
Initiative zu eigen mache, dann hießt das nicht, dass ich jeden einzelnen | |
Punkt teile“, versucht es Wolf später, Journalisten zu erklären. | |
## Streitthema Mietendeckel | |
Mehr Raum als das Volksbegehren nimmt das ein, was einige SPD-Politiker | |
Mitte Januar unter dem [4][Etikett „Mietendeckel“] vorgeschlagen haben. Und | |
das wird in Rheinsberg klarer denn je: Für die Linkspartei ist dieser | |
Begriff gar nicht auf das festgelegt, was die SPD darunter versteht, | |
nämlich die jetzigen Mieten stadtweit für ein paar Jahre einzufrieren. „Das | |
wäre nicht das, was wohnungspolitisch sinnvoll ist“, sagt | |
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Sie denkt eher an eine | |
differenziertere Deckelung abhängig von Miethöhe und Stadtviertel. | |
Am Rande räumt ein prominenter Linksparteiler etwas später gegenüber der | |
taz ein, dass ein solcher Weg durchaus noch schwieriger wäre als das | |
rechtlich ja auch noch längst nicht sichere Einfrieren. Was wiederum Kritik | |
aus der SPD stützen würde, die Linkspartei verzögere den | |
Mietendeckel-Vorstoß. Lompscher weist das allerdings zurück: Der Wille zu | |
einem Mietendeckel stehe in allen Fraktionen außer Frage – „was es bislang | |
noch nicht gibt, ist ein rechtssicherer Weg“. Den soll nun eine | |
Expertengruppe prüfen. | |
Das alles kann dauern. Aber im Saal geht man allgemein sowieso davon aus, | |
dass Rot-Rot-Grün auch nach der Wahl 2021 regiert: weil es gar keine | |
Alternative gebe und auch keine Konkurrenz. Die Oppositionsarbeit erledige | |
man doch eigentlich selbst, ist in Anspielung auf koalitionsinternen Streit | |
zu hören. Auf 57 Prozent kommen die Regierungsparteien derzeit in Umfragen, | |
auf nur 38 Prozent die Opposition aus CDU, AfD und FDP – und in deren | |
Richtung umschwenken wollen angeblich weder SPD noch Grüne. | |
Allein Innenpolitiker Schrader – der zuvor bei Saleh schlotternde Knie | |
vermutet hatte – ist vorsichtiger: „Wenn wir es beim Thema Mietendeckel | |
nicht hinkriegen, dann wird es ganz, ganz schwierig, die Berliner zu | |
überzeugen, dass Rot-Rot-Grün noch eine zweite Wahlperiode regieren soll.“ | |
Mehrheitlich gehen die Äußerungen in die Richtung, die Rechtspolitiker | |
Sebastian Schlüsselburg formuliert: „Die Opposition ist ein Totalausfall.“ | |
## Es fehlt eine echte Opposition | |
Ohne Konkurrenz fehlt der Koalition allerdings auch echter Druck, weniger | |
zu streiten. Udo Wolf wirkt bei den Wortbeiträgen der Chefkollegen von SPD | |
und Grünen zunehmend angespannt, massiert sich die Nasenwurzel, schaut an | |
die Hallendecke. Als die Grüne Kapek anekdotenhaft von einer anstrengenden | |
Fahrt der Fraktionschefs in den Spreewald berichtet, da kann Wolf merklich | |
nicht mehr: „Das ist ja gerade ein Beispiel dafür, dass unser Politikmodus | |
so schwierig ist.“ | |
Im Spreewald nämlich mussten die Chefs 2018 [5][das Mobilitätsgesetz | |
retten], das zu scheitern drohte – „das war absurdes Theater, wir haben | |
total viel Zeit verloren“, sagt Wolf. „Am meisten wahnsinnig“ mache ihn, | |
dass es in der Koalition keinen geschützten Raum gebe. Selbst bei | |
vertraulichen Runden dauere es maximal zwei Tage, bis ein Thema in der | |
Öffentlichkeit ist. | |
Bluhm fordert, „dass wir hier nicht rausgehen, ohne etwas verbindlich zu | |
verabreden“. Von Kapek – die den vielen Streit damit erklärt, „dass wir … | |
so wahnsinnig ähnlich sind“ – gibt es darauf lächelnd tatsächlich so etw… | |
wie ein Versprechen: „Ich nehme mir jetzt mal vor: nur noch brav sein.“ | |
17 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Archiv-Suche/!5580198&s=uwe+rada+rot-rot-gr%C3%BCn/ | |
[2] /Archiv-Suche/!5580797&s=uwe+rada+rot-rot-gr%C3%BCn/ | |
[3] /Archiv-Suche/!5578322&s=deutsche+wohnen/ | |
[4] /Archiv-Suche/!5578894&s=mietendeckel/ | |
[5] /Archiv-Suche/!5577750&s=mobilit%C3%A4tsgesetz/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Die Linke Berlin | |
Udo Wolf | |
Mietendeckel | |
Mobilitätsgesetz | |
Antje Kapek | |
Die Linke Berlin | |
Grüne Berlin | |
Mietenwahnsinn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klausurtagung der Grünen-Fraktion: „Bündnis90 spielt eine große Rolle“ | |
Die Grünen-Abgeordneten fahren nach Prag: Fraktionschefin Antje Kapek über | |
den Parteinamen, ein 365-Euro-Parkticket und Umfrage-Ergebnisse. | |
Mietenpolitik der Linkspartei: Enteignungen schön geredet | |
Die Linke macht es sich mit ihrer Unterstützung für das Volksbegehren | |
„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ zu einfach – leider. | |
Halbzeit von Rot-Rot-Grün in Berlin: Masse macht nicht Klasse | |
Die rot-rot-grüne Landesregierung rühmt sich zur Halbzeit vieler Wohltaten, | |
doch die großen Brocken bleiben liegen. Eine Analyse. | |
Rot-rot-grüne Landesregierung Berlin: Warten auf Betriebstemperatur | |
Wie sieht die Halbzeitbilanz aus in einer Stadt, die viele in Deutschland | |
inzwischen für gescheitert halten? Ein Blick ins Innenleben der Berliner | |
Verwaltung. | |
Debatte um Mietendeckel in Berlin: Mietendeckel, aber wie? | |
Der Senat hält sich über die rechtliche Machbarkeit eines Mietendeckels | |
noch bedeckt. Befürworter diskutieren gleichzeitig längst über konkrete | |
Konzepte. |