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# taz.de -- Bebauung der Rummelsburger Bucht: Freiheit für die Fische
> GegnerInnen der Bebauung der Rummelsburger Bucht präsentieren eine
> Alternative: ohne Aquarium, dafür mit Platz für Natur und bisherige
> Nutzer.
Bild: Der Alternativentwurf: blau – soziale Infrastruktur, lila – Gewerbe, …
Berlin taz | Viel Grün, deutlich mehr Sozialwohnungen, Erhalt der
bestehenden Bebauung – und vor allem kein Aquarium. Ginge es nach den
Aktivist*innen der Initiative Rummelsburger Bucht retten, würde so die
Zukunft der letzten noch unentwickelten Fläche am Ufer des Rummelsburger
Sees aussehen. Am Donnerstag präsentierte die Initiative ihr
Alternativkonzept zu der vom Bezirk Lichtenberg favorisierten Bebauung, die
teure Wohnungen, Gewerbeflächen und den Touristenmagneten Coral World
vorsieht. Ob ihre Ideen vom Bezirk berücksichtigt werden, ist allerdings
fraglich.
Das Konzept ist das Ergebnis monatelanger Proteste gegen den umstrittenen
„Bebauungsplan Ostkreuz“, der nach jahrzehntelanger Planung voraussichtlich
im Mai von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg beschlossen
werden soll. „Das, was der Bezirk dort plant, entspricht nicht einer
solidarischen und zukunftsgerechten Stadt“, erklärt Aktivist Iver Ohm
während der Präsentation.
Stein des Anstoßes ist vor allem das Aquarium „Coral World“, das der
Milliardär Benjamin Kahn für 40 Millionen Euro dort errichten will.
Außerdem sollen Büro- und Gewerbeflächen entstehen, überdies rund 500
Wohnungen, mehrheitlich durch private Investoren. Darunter ist auch die
aufgrund ihrer rabiaten Entmietungspraktiken umstrittene Padovicz Gruppe.
Nur ein kleiner Teil der Fläche soll durch die landeseigene
Wohnungsbaugesellschafft HoWoGe bebaut werden.
Ein Großteil der über 30.000 Quadratmeter großen Fläche am Ostkreuz liegt
zwar derzeit brach, ungenutzt ist sie dennoch nicht. Es befinden sich dort
unter anderem die Kulturstätte Rummelsbucht, ein Kanuverleih, zwei
Wohnblöcke und ein durch die Sozialgenossenschaft Karuna e.V. betreutes
Obdachlosencamp. Sie alle würden durch die neue Bebauung verdrängt.
## 42.000 Unterschriften
Seit September letzten Jahres wächst der Widerstand gegen die geplante
Bebauung. Es gab zwei Demonstrationen mit über tausend TeilnehmerInnen, die
Onlinepetition „Rummelsburger Bucht retten“ hat bereit 42.000
Unterschriften. Die in der Petition formulierten Kritikpunkte sind
vielfältig: zu wenig bezahlbarer Wohnraum, dringend benötigte Schul- und
Kitaplätze fehlen, schützenswerte Natur würde zerstört und angestammte
Nutzer*innen würden verdrängt.
„Es geht uns nicht darum, eine Bebauung zu verhindern“, erklärt Ohm,
„sondern um eine am Gemeinwohl orientierte Nutzung des Geländes.“ „Die
Planung des Bezirks ist aus der Zeit gefallen“, kritisiert auch Aktivist
Florian Hackenberger, „wir denken, das geht besser.“ In dem von Architekten
und Stadtplaner*innen entwickelten Alternativkonzept der Aktivist*innen
soll die bestehende Nutzung erhalten, aber trotzdem deutlich mehr
Wohnfläche geschaffen werden. Des weiteren sieht der Entwurf deutlich mehr
Kitaplätze als der offizielle Bebauungsplan vor. Biotope und
schützenswerter Baumbestand soll erhalten bleiben und dazu noch Raum für
alternative Wohnformen und Gemeinschaftsgärten geschaffen werden.
Platz dafür sei vorhanden, ließe man „Coral World“ und die vor allem für
Parkraum vorgesehenen Zufahrtsstraßen weg. „Dadurch würde Raum für
öffentliches Leben geschaffen“, erklärt Hackenberger, „und nicht nur ein
Aquarium für Touristen.“ Selbst das Obdachlosencamp könnte in verbesserter
Form erhalten werden. „Das funktioniert derzeit sehr gut, warum sollte man
das räumen?“, fragt Hackenberger.
Zu scheitern droht der Alternativentwurf jedenfalls nicht an der
städteplanerischen Machbarkeit, sondern an politischen Hürden. Lichtenbergs
Bürgermeister Michael Grunst (Linke) selbst bemängelte vergangene Woche auf
Facebook ausführlich, dass der Bezirk wenig Handlungsspielraum habe. Die
Grundstücke seien in „letzter Sekunde von der SPD/CDU Koalition verkauft
und so der öffentlichen Hand entzogen“ worden, so Grunst dort. Der Bezirk
sei damit vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Tatsächlich hatte noch der frühere rot-schwarze Senat den Deal vorbereitet
und in seiner letzten Sitzung im Sommer 2016 den Verkauf der Fläche an die
Investoren beschlossen – mit einem Preis von insgesamt 20 Millionen Euro
deutlich unter Marktwert.
## „Politik des Ausverkaufs“
Der Bezirk setzte mit dem Bebauungsplan nun lediglich die vom Land
festgesetzten Planungsziele um, die sowohl ein „Wasserhaus“ – das geplante
Aquarium – als auch eine Beteiligung privater Investoren vorsehen. „Das
Bau- und Planungsrecht des Bezirks wird den im Land begangenen Fehler des
Grundstücksverkaufs nicht heilen können“, so Grunst in seiner
Stellungnahme. Käme es zu einer Ablehnung des Bebauungsplans durch die BVV,
würde sich eine Bebauung das Areals um mindesten fünf Jahre verzögern,
schätzt der Bezirksbürgermeister.
Die Aktivist*innen fordern genau das, und hoffen, dass sich die
Bezirksverordneten bis zur Abstimmung noch umentscheiden. Weitere
Überzeugungsarbeit wollen sie auf einer Informationsveranstaltung des
Bezirks leisten, die nächste Woche Mittwoch im Cinestar in Treptow
stattfinden wird.
Scheitert der Bebauungsplan, würden auch die Verkaufsverträge
rückabgewickelt werden, so Ohm. Auf das Land kämen zwar
Schadensersatzforderungen für den bisher geleisteten Planungsaufwand zu,
aber die seien in Anbetracht der Bedeutung des Areals zu verkraften. „Diese
Politik des Ausverkaufs muss gestoppt werden“, fordert Ohm und verweist auf
das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel der auf Gemeinwohl orientierten
Entwicklung landeseigener Flächen.
14 Mar 2019
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Rummelsburger Bucht
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Bauen
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Elke Breitenbach
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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Elke Breitenbach
Rummelsburger Bucht
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