| # taz.de -- Acht Jahre nach Fukushima: Alles soll ganz normal wirken | |
| > Sind die Unfallfolgen acht Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima | |
| > überwunden? Japans Regierung und Betreiber Tepco sagen: ja. | |
| Bild: Erfurcht an einem Denkmal in Kamaishi: Mehr als 20.000 Menschen starben b… | |
| Fukushima taz | Auf dem zerfetzten Dach von Reaktor 1 greift eine gewaltige | |
| Zange, die an einem Kranhubseil hängt, nach Betonteilen und Metallstreben. | |
| An der Westseite von Reaktor 2 wurde ein Vorbau angedockt und die Wand des | |
| Reaktorgebäudes geöffnet. Über Reaktor 3 thront eine röhrenförmige Kuppel | |
| mit einem Bergungskran. Acht Jahre nach der dreifachen Kernschmelze ist die | |
| Atomanlage Fukushima Nr. 1 laut Betreiber Tepco unter Kontrolle. „Wir haben | |
| Fortschritte erzielt“, berichtet Sprecher Hideki Yagi bei einer | |
| Besichtigungstour für ausländische Journalisten. | |
| Die Reporter dürfen in Alltagskleidung bis auf 40 Meter Luftlinie an die | |
| Reaktoren heran. Gemäß ihren Dosimetern werden sie in zwei Stunden weniger | |
| verstrahlt als bei einem Flug nach Deutschland. Die Radioaktivität sank, | |
| weil alle Bodenflächen mit Spritzbeton versiegelt wurden. | |
| Daher brauchen die aktuell 4.200 Arbeiter auf 96 Prozent des AKW-Geländes | |
| keine Atemmasken und Schutzanzüge mehr zu tragen. Aber direkt über den | |
| Meilern herrscht eine solche Strahlenhölle, dass alle Arbeiten | |
| ferngesteuert ausgeführt werden müssen. Als Nächstes plant Tepco, die 1.573 | |
| abgebrannten Brennelemente aus ihren Lagerbecken über den zerstörten | |
| Meilern zu holen. Die Bergung beginnt in diesem Monat an Reaktor 3. | |
| Nicht nur in der Atomanlage versucht die Regierung, den Anschein von | |
| Normalität zu erwecken. Auch außerhalb soll alles harmlos wirken. Zwar | |
| lässt sich die Radioaktivität dort nicht zubetonieren – die | |
| [1][verstrahlten Orte Futaba] und Okuma am AKW bleiben gesperrt. Aber seit | |
| dem Jahr 2014 wurden neun Gemeinden in der ursprünglichen Evakuierungszone | |
| nacheinander für bewohnbar erklärt. | |
| ## Radioaktivität über dem Grenzwert | |
| In Nahara, in zwanzig Kilometer Entfernung vom AKW, [2][ist mehr als die | |
| Hälfte der Bewohner zurückgekehrt]. Doch insgesamt leben nur 23 Prozent der | |
| 160.000 Evakuierten wieder an ihren alten Wohnorten. Die Mehrheit davon | |
| sind ältere Menschen. Dagegen haben sich kaum Familien mit Kindern an ihre | |
| einstigen Wohnorte zurück gewagt. | |
| Dass ihre Gesundheitssorgen berechtigt sind, beweisen Messungen von | |
| Greenpeace im Herbst 2018 in Fukushima. An fast 10 Prozent von 17.000 | |
| Stellen maßen die Umweltschützer eine Strahlung vom bis zu 100-fachen des | |
| offiziellen Dekontaminationsziels von 0,23 Mikrosievert pro Stunde. An fast | |
| allen Stellen lag die Radioaktivität über dem international empfohlenen | |
| Grenzwert für Kinder von jährlich 1 Millisievert. | |
| „Die Regierung ignoriert mit ihrer unverantwortlichen Siedlungspolitik das | |
| Ausmaß und die Risiken der Strahlenbelastung“, erklärte | |
| Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Außerdem würden viele | |
| Dekontaminierungsarbeiter bei ungenügender Vorbereitung und schlechter | |
| Bezahlung hoher Strahlung ausgesetzt. | |
| Die scharfe Kritik dürfte bei der japanischen Regierung auf taube Ohren | |
| stoßen. Bei den [3][Olympischen Spielen 2020 in Tokio] unter dem Slogan | |
| „Reconstruction Olympics“ will sie beweisen, dass die Region ihren | |
| Schrecken verloren hat. | |
| ## Ballspiel in Fukushima | |
| Die Laufstrecke für die Träger der olympischen Fackel soll ab März 2020 | |
| ausgerechnet an der Sportanlage J-Village beginnen, die nach der | |
| AKW-Katastrophe sechs Jahre als Tepco-Krisenzentrale diente. Außerdem hat | |
| das japanische Olympiakomitee sechs Softball- und ein | |
| Basketball-Turnierspiel in Fukushima angesetzt, damit das negative Erbe des | |
| Atomunfalls vergessen wird. | |
| Diese Absicht stößt vielen weiterhin evakuierten AKW-Anwohnern sauer auf. | |
| Die staatlich heruntergespielte Strahlengefahr erschwere ihnen die | |
| Aufklärung über ihr Schicksal und ihre Heimat. „Niemand kümmert sich mehr | |
| um die Folgen des Atomunfalls, sodass wir unsere Sorgen wegen der | |
| Radioaktivität unterdrücken müssen“, klagte Noriko Tanaka von der | |
| Organisation „Mothers’ Radiation Lab“. | |
| 11 Mar 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-Folgen-von-Fukushima/!5046828 | |
| [2] /Rueckkehr-in-die-Sperrzone-bei-Fukushima/!5282409 | |
| [3] /Olympische-Spiele-in-Tokio-2020/!5217534 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Fritz | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Fukushima | |
| Japan | |
| Tepco | |
| Radioaktivität | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pläne für die Atomruinen in Japan: Fukushima-Kühlwasser ins Meer | |
| Tonnenweise lagert das Kühlwasser in Tanks. Weil für viel mehr kein Platz | |
| ist, soll es in den Pazifik geleitet werden. Nicht nur Fischer | |
| protestieren. | |
| Gerichtsprozess um Atomkatastrophe: Freispruch für Fukushima-Manager | |
| Die Atomkatastrophe in Japan bleibt ohne strafrechtliche Konsequenzen. Doch | |
| die klagenden Bürger und ihre Anwälte wollen nicht aufgeben. | |
| Fukushima nach dem GAU: Blumen wachsen noch, immerhin | |
| Seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima sind sieben Jahre vergangen. Die | |
| wirtschaftliche Struktur der Region ist zum größten Teil zerstört. | |
| Aus Le Monde diplomatique: Fukushima – sieben Jahre später | |
| Die Katastrophe löschte einen kompletten Küstenstreifen Japans aus. Heute | |
| boomt die Bauindustrie, die Menschen haben sich noch nicht erholt. |