# taz.de -- Aus Le Monde diplomatique: Fukushima – sieben Jahre später | |
> Die Katastrophe löschte einen kompletten Küstenstreifen Japans aus. Heute | |
> boomt die Bauindustrie, die Menschen haben sich noch nicht erholt. | |
Bild: Sieben Jahre sind vergangen, seit die Katastrophe über Fukushima hereinb… | |
An jenem 11. März 2011 lagen – auf hunderten Kilometern Küste verstreut – | |
Hausteile, Möbel, Autos, Eisenbahnwaggons, landwirtschaftliche Geräte, | |
Fischerboote. Dazwischen Tierkadaver und menschliche Leichen. Wüsste man | |
nichts von der Katastrophe, die vor sieben Jahren über die Nordostküste | |
Japans hinwegrollte, würde man nicht glauben, dass hier einmal | |
hunderttausende Menschen gelebt, geliebt und ihre Felder bestellt haben, | |
dass Nahverkehrszüge Kinder in Schulen brachten und in Krankenhäusern Babys | |
zur Welt kamen. | |
Südlich der Millionenstadt Sendai erstreckte sich bis zu jenem | |
schicksalhaften Tag ein fruchtbarer Streifen Land an der Pazifikküste: | |
Reisfelder, Apfelplantagen, Gewächshäuser, dazwischen kleine Städte und | |
Fischerdörfer mit Häfen und Sandstränden – Ausflugsziele für erschöpfte | |
Großstädter. Die Gegend war dicht besiedelt, Einfamilienhäuser reihten sich | |
aneinander. Von alldem ist heute nichts mehr zu sehen. | |
Wo früher Häuser standen – in Japan traditionell aus Holz und Gipsplatten | |
gebaut –, sind höchstens noch Betonfundamente erkennbar. Landeinwärts | |
ziehen sich nun grasbewachsene Brachen und Reisfelder kilometerweit dahin. | |
Die einst belebten Straßen wurden neu geteert, an einigen wird noch gebaut. | |
Da und dort ragten noch Jahre nach dem Tsunami Autowracks aus dem Morast | |
heraus oder Teile von größeren Gebäuden wie Schulen oder Ämter, deren | |
Stahlbetonwände der über zehn Meter hohen Welle standgehalten hatten. | |
Inzwischen haben Bagger und Abrisstrupps auch den Rest erledigt. Was die | |
Arbeiter in tage- und nächtelanger Arbeit aufgesammelt haben, wurde auf | |
riesigen Halden entlang der Küste aufgeschüttet und in mobilen | |
Verbrennungsanlagen entsorgt. Zwei Jahre lang waren die schwarzen | |
Rauchsäulen von Sendai aus zu sehen. | |
Heute dominiert eine Betonmauer die Landschaft. Kurz nach der dreifachen | |
Katastrophe (Erdbeben, Tsunami und der GAU in Fukushima 1) hatte die | |
Regierung in Tokio beschlossen, auf gut 400 Kilometern Länge jeweils 15 | |
Meter hohe und 9 Meter breite Betonwälle zu errichten, die die Küste der | |
Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima vor künftigen Tsunamis schützen | |
sollen. Die meisten Bewohner der Katastrophengebiete waren froh, Geld für | |
ihr verwüstetes Land zu bekommen, und überließen die Entscheidungen den | |
Behörden. | |
## Falsches Sicherheitsgefühl | |
Die „Große Japanische Mauer“ wird die Landschaften und Ökosysteme auf | |
Jahrhunderte hinaus verändern. Ob sie jemals ihren Zweck erfüllt, ist | |
fraglich, denn ein Naturereignis dieses Ausmaßes kommt statistisch nur ein- | |
bis zweimal im Jahrtausend vor. 2011 waren die Schutzmaßnahmen jedenfalls | |
nicht ausreichend. In Kamaishi, wo der zwei Jahre zuvor eingeweihte und | |
eine Milliarde Euro teure Tsunami-Schutzwall die Stadt in einem falschen | |
Sicherheitsgefühl wiegte, schwappte die Welle mehrere Meter über den Damm, | |
1.250 Menschen starben oder sind seither vermisst. | |
Die neue, bis zu 7 Milliarden Euro teure Mauer, die derzeit hauptsächlich | |
Reisfelder schützt, dürfte inzwischen etwa zu einem Drittel fertig sein. | |
Kritiker vermuten hinter dem Mauerprojekt ein großzügiges Geschenk an die | |
Bauindustrie, die seit dem Boom der 1970er und 1980er Jahre äußerst | |
einflussreich ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDP), die in Japan seit | |
über 70 Jahren fast ununterbrochen regiert, schuf damals ein System von | |
Abhängigkeiten zwischen Politik, Bürokratie und Baulobby. Während die | |
großzügigen öffentlichen Bauaufträge zur exorbitanten Staatsverschuldung | |
beitragen, macht sich für viele Bürokraten und Politiker die Zusammenarbeit | |
mit den Bauunternehmen bezahlt – nach der Pensionierung bekommen sie dort | |
oft lukrative Managerjobs. | |
Jeder zehnte Arbeitnehmer in Japan ist in der Baubranche beschäftigt (in | |
Deutschland jeder fünfzigste). Als die Immobilienblase Anfang der 1990er | |
Jahre platzte, griff der Staat der Branche großzügig unter die Arme. Damals | |
entstanden ökonomisch und ökologisch höchst fragwürdige | |
Infrastrukturprojekte wie Tunnel und Autobahnen in entlegenen Regionen, | |
riesige Veranstaltungshallen oder Museen in kleinen Gemeinden sowie etliche | |
Flussregulierungen, Staudämme und Betonschutzmauern. In den 1990er Jahren | |
hat Japan 30-mal so viel Beton verbaut wie die USA. | |
## Flucht in die Berge | |
Die Saitos waren bis zum Tag des Tsunamis Erdbeerbauern gewesen. Dann | |
verschlang die Riesenwelle alles, was sie besaßen. Heute lebt die Familie | |
in Watari, ein paar Kilometer von ihrem früheren Wohnhaus entfernt. Nach | |
der Katastrophe hatten sie zunächst ein Wochenendhäuschen in den Bergen | |
angemietet, sodass ihnen die erniedrigenden Verhältnisse in den | |
Evakuierungszentren erspart blieben. Herr Saito bekam bald einen Job bei | |
einer Aufräumfirma. Zwei Jahre später mussten sie das Land, über das der | |
Tsunami hinweggerollt war, an den Staat zwangsverkaufen, weil dort niemand | |
mehr wohnen durfte. Die meisten Bewohner der Gegend zogen in höher | |
gelegene, neue kommunale Wohnungen. Die Saitos konnten mit dem Erlös für | |
ihr Land ein eigenes Haus jenseits des Autobahndamms bauen. | |
Als die Erde bebte, saß Frau Saito beim Augenarzt im Wartezimmer. Sie | |
kämpfte sich im dichten Gegenverkehr zu ihrem Haus zurück, um ihre | |
Schwiegermutter zu retten. Danach fuhren sie ins Gemeindezentrum, die | |
offizielle Tsunami-Evakuierungsstelle. Dort waren bereits hunderte | |
Menschen im zweiten Stock zusammengepfercht. Als das Wasser stieg, flohen | |
die Jüngeren über eine Leiter aufs Dach. Die Älteren wurden angewiesen, auf | |
Tische und Stühle zu steigen und abzuwarten. Das Wasser reichte ihnen schon | |
bis zu den Hüften, als es sich wieder zurückzog. Nach einer kalten Nacht | |
ohne Strom wurden sie mit einem Boot aus dem Ortszentrum, das sich in einen | |
riesigen See verwandelt hatte, evakuiert. | |
Die Saitos waren wohlhabend, angesehen, eine der ältesten Familien im Ort. | |
Das Wasser überflutete den ersten Stock ihres hundert Jahre alten Hauses, | |
aus dem zweiten konnten sie später ein paar Andenken retten. Das | |
Nachbarhaus wurde einfach weggespült und blieb an den Eichen im Garten | |
hängen. Ein paar Meter vom ehemaligen Anwesen der Saitos entfernt haben | |
Freiwillige aus ganz Japan einen buddhistischen Tempel und den Friedhof | |
wiederaufgebaut. | |
Der Toten- und Ahnenkult ist ein integraler Bestandteil des religiösen | |
Lebens der Japaner. Viele sind zugleich Buddhisten und Shintoisten. Das | |
Bedürfnis, den Verstorbenen Respekt zu zollen, war eines der ersten und | |
stärksten nach der Katastrophe. Wo einst das Wohnhaus der Saitos stand, ist | |
ein „Gedächtnis-Park“ entstanden: weite Grasflächen und ein begrünter | |
Hügel, über den sich ein Fußweg windet. | |
An der Küste sind aus dem bei den Aufräumarbeiten angefallenen Schutt | |
mehrere solcher Anhöhen entstanden; sie dienen nun als Evakuierungsplätze. | |
Mit dem unter der Sitzbank angebrachten Bausatz lässt sich die | |
Aussichtsplattform in eine Notunterkunft verwandeln. Von hier aus fällt der | |
Blick auf Sonnenkollektoren und neue Foliengewächshäuser. Auch Herr Saito | |
baut wieder Erdbeeren an, nachdem der Staat fast die gesamten Kosten für | |
die Investition übernommen hat. Er hat zwar nur noch halb so viel | |
Anbaufläche wie früher, aber er kann wieder davon leben. | |
## Leben im Containerdorf | |
Weiter südlich, an der Grenze zur Präfektur Fukushima, sind in der | |
1.500-Seelen-Gemeinde Sakamoto etwa 150 Menschen in der Tsunami-Welle | |
ertrunken. Auch hier waren es vor allem ältere Bewohner, die die Sirenen | |
nicht gehört hatten, zu schwach gewesen waren, um wegzulaufen, oder es auch | |
nicht ernst genommen hatten. Warnungen nach Erdbeben sind an den Küsten | |
Japans relativ häufig. Ihnen folgt meist nur eine kleine Flutwelle, die die | |
Boote im Hafen durcheinanderwirbelt. | |
Diesmal kam es anders. Feuerwehrmänner und freiwillige Helfer rasten durch | |
die Orte und forderten alle auf, sich in Sicherheit zu bringen. Frau | |
Shimada, eine Ernährungsberaterin im örtlichen Pflegeheim, versuchte | |
zusammen mit 25 Krankenpflegern die Evakuierung ihrer Schützlinge zu | |
organisieren. Ihnen blieb eine knappe Dreiviertelstunde, um alle Patienten | |
auf eine Anhöhe ein paar Kilometer weiter zu bringen. Sie hatten die Hälfte | |
der Patienten in Sicherheit gebracht, als sie der 13 Meter hohe Wasserwall | |
einholte. Frau Shimada, ihre Kolleginnen sowie die verbliebenen Rentner | |
kamen im zweiten Stock des Heims ums Leben. Auch davon ist heute nichts | |
mehr zu erkennen, das Terrain ist eingeebnet, am Betondamm und den | |
Bewässerungskanälen wird unermüdlich gebaut. Der Tsunami hat die | |
Küstenlinie verändert, alles mit Sand bedeckt und den schützenden | |
Kiefernwald weggespült. | |
Frau Shimadas Ehemann und seine 84-jährige Mutter haben das Unglück | |
überlebt. Sie wohnten zwei Jahre in einer Übergangsbehausung. Für die über | |
470.000 obdachlos gewordenen Menschen hatten die Behörden rund 53.000 | |
dieser kaum isolierten „Kasetsus“ aus dem Boden gestampft. Jede Familie | |
hatte Anspruch auf zwei winzige, möblierte Zimmer mit Küche und Bad. Die | |
Containersiedlungen waren zumeist weit von einer Stadt oder jeglicher | |
Infrastruktur entfernt. Viele Bewohner wurden depressiv, die Selbstmordrate | |
war hoch. | |
Obwohl in Japan nach einem Gesetz von 1947 niemand länger als zwei Jahre in | |
einer Notunterkunft untergebracht werden dürfte, lebten Mitte 2017 noch | |
36.000 Betroffene in diesen provisorischen Behausungen, die meisten in der | |
Präfektur Fukushima. | |
Bauarbeiter für den Wiederaufbau im Nordosten zu finden war wegen des | |
rapiden Bevölkerungsrückgangs von Anfang an schwer genug. Seit aber | |
Milliardeninvestititionen für die Olympischen Spiele 2020 nach Tokio | |
fließen, geht es im Katastrophengebiet erst recht langsam voran. Hinzu | |
kommt, dass das olympische Fieber die Preise für Baustoffe in die Höhe | |
treibt. | |
## Zögerliche Rückkehr | |
Noch komplizierter ist die Situation in der Präfektur Fukushima. Dort | |
können oder wollen viele Menschen nicht in ihre alten Gemeinden zurück. Von | |
den rund 123.000 Betroffenen, die nach der Dreifachkatastrophe in allen | |
drei Präfekturen immer noch in Übergangsbehausungen, Mietwohnungen oder bei | |
Verwandten leben, kommen 80.000 aus der Präfektur Fukushima. Menschen, die | |
aus leicht verstrahlten und als unbedenklich deklarierten Orten weggezogen | |
sind, gelten jetzt als „freiwillige Flüchtlinge“ und erhalten seit März | |
2017 keine Mietbeihilfe mehr mit dem Argument, das Land sei dekontaminiert | |
und die Lebensmittelsicherheit wiederhergestellt. | |
Japans Regierung und die Betreiberfirma Tepco berichten gern über die | |
erfolgreiche Dekontamination. Immerhin konnten 2017 weitere kraftwerksnahe | |
Gemeinden für die Rückkehr von 32.000 Bewohnern freigegeben werden. Und | |
doch schrecken vor allem jüngere Leute vor diesem Schritt zurück. Bis | |
Anfang 2017 sind lediglich 13 Prozent der Bewohner in ehemals verstrahlte | |
Städte und Dörfer zurückgekehrt, die meisten von ihnen Rentner. | |
Im Mai 2017 führte der staatliche Fernsehsender NHK eine Umfrage unter den | |
Bewohnern der Kasetsus durch. Dabei stellte sich heraus, dass fast 15 | |
Prozent der meist älteren Menschen gar nicht mehr in ihr altes Leben | |
zurückwollen. Sie haben einfach resigniert, weil sich alles so lange | |
hinzieht. | |
Verzögerungen beim Wiederaufbau entstehen auch, weil die Besitzurkunden | |
vieler Grundstücke nicht vorhanden oder die Besitzer tot oder vermisst | |
sind. Und manche wollen ihr Land auch nicht verkaufen, weil sie die | |
Hoffnung, ihre vermissten Angehörigen doch noch zu finden, nicht aufgeben | |
können. | |
Der Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima 1 ließ die rund 18.500 Todesopfer | |
des größten Erdbebens in der Geschichte Japans und des darauffolgenden | |
Tsunamis im Ausland bald in Vergessenheit geraten. Das internationale | |
Interesse konzentrierte sich auch nicht so sehr auf die Binnenflüchtlinge | |
als vielmehr auf die aktuelle Lage im Unglücksreaktor und das Festhalten | |
der Regierung am Atomstrom. Und die Berichterstattung in Japan selbst | |
verlor sich in hochspezialisierten Details über die sogenannte kalte | |
Abschaltung. Der Zusammenhang zwischen dem Super-GAU und der [1][Häufung | |
von Schilddrüsenkrebs] bei Kindern aus Fukushima (derzeit 152 nachgewiesene | |
Fälle) wird von offizieller Seite heruntergespielt beziehungsweise | |
bestritten. Unterstützung erfahren die Eltern nur durch engagierte Anwälte, | |
wie den Antiatomkraftaktivisten Hiroyuki Kawai, der Spenden für die | |
ärztliche Versorgung der Kinder einsammelt. | |
## Streit über ein Handbuch | |
Etwa 70 Kilometer nordöstlich von Sendai, am Ufer des Kitakami und gut drei | |
Kilometer vom Pazifik entfernt, liegt der Ort Kamaya. Dort stand die | |
Okawa-Volksschule. Der halbrunde Betonbau, ohne Fenster und mit | |
eingestürzten Verbindungsgängen, steht nun als Mahnmal in der Einöde | |
zwischen Flussdamm und Berghang. Am Zaun erinnern Fotos und Tafeln mit | |
Kinderschrift an den Schulalltag, darunter liegen Plüschtiere und | |
Blumensträuße. Die Gesichter auf den Fotos sind unkenntlich gemacht, | |
ausgelöscht. Auf einer Mauer sieht man noch bunte Kinderzeichnungen. | |
Als am 11. März 2011 die Erde bebte, wurden die 78 Schüler zunächst auf den | |
Sportplatz evakuiert. Das Amt für Meteorologie erließ wenig später eine | |
Tsunami-Warnung, die eine bis zu zehn Meter hohe Welle ankündigte. Die | |
Lehrer zogen daraufhin das Unterrichtshandbuch zurate, das in Japan zentral | |
verfasst, aber in der Regel an die örtlichen Gegebenheiten angepasst wird. | |
Für die meisten küstennahen Schulen waren darin Evakuierungsplätze an höher | |
gelegenen Orten festgelegt. | |
Da Kamaya aber nicht als Tsunami-Gefahrengebiet galt, hatte der Schulleiter | |
keine Anpassung vorgenommen. Dem Handbuch war nur zu entnehmen, dass die | |
Kinder bei einem Erdbeben „in ein freies Gelände in der Nähe der Schule“ | |
evakuiert werden sollten. Dabei stand das Schulhaus direkt neben einem 200 | |
Meter hohen Hügel, auf den die Kinder mühelos hätten hinaufklettern können. | |
Es kam zum Streit zwischen den Lehrern, den Eltern, die gekommen waren, um | |
ihre Kinder abzuholen, und den Dorfbewohnern, denn die Schule war | |
gleichzeitig der offizielle Evakuierungs- und Sammelort für Kamaya. Trotz | |
aller Warnungen und Aufforderungen aus den Lautsprechern setzten sich die | |
alten Männer über die Mütter hinweg. Die Lehrer beschlossen, den | |
Anweisungen im Handbuch zu folgen. Sie führten die Kinder auf die Straße, | |
in Richtung einer Verkehrsinsel und damit genau auf die Tsunamiwelle zu. 74 | |
Schüler und zehn Lehrer starben in den Fluten. Nur vier Kinder und ein | |
Lehrer überlebten. | |
Seitdem prozessieren die Eltern von 23 Kindern gegen die Präfektur Miyagi | |
und die Stadt Ishinomaki, Sitz der zuständigen Schulbehörde. Nachdem sie in | |
erster Instanz gewonnen haben, fordern sie, dass Schuldige benannt und zur | |
Verantwortung gezogen werden. Der Lehrer, der als einziger Klarheit in die | |
Sache bringen könnte, leidet an posttraumatischer Belastungsstörung und hat | |
seit der Tragödie kein Wort mehr gesprochen. | |
## Das Ende der Welt | |
Die am stärksten betroffene Sanriku-Küste im Nordosten hat einen spröden | |
Charme, sie erinnert an die Bretagne. Vor 2011 gab es dort keine | |
nennenswerte touristische Infrastruktur, lediglich ein paar | |
familiengeführte Herbergen ohne Internetanschluss und vereinzelte graue | |
Business-Hotels – erstaunlich für ein schon damals ziemlich zubetoniertes | |
Land. Wenn man von der Küstenstraße Richtung Meer abbog, kam man in kleine, | |
einsame Fischerdörfer, die wie das sprichwörtliche Ende der Welt wirkten. | |
Alte Männer in Minitrucks, beladen mit Fischernetzen, Bojen oder dem Fang | |
des Tages, waren der einzige Gegenverkehr. | |
Die Küste war eindrucksvoll, die kleinen Städtchen hingegen wirkten | |
heruntergekommen, wie ausgestorben. Rostige Industrieanlagen im Hafen von | |
Kamaishi, ein Meeresmuseum in Rikuzentakata, Großmütter, die ihre | |
Rollatoren am Straßenrand vor sich herschoben und alte Fischer beim | |
Netzeflicken. Zwar versuchte man da und dort mit einem Aquarium oder einem | |
Walfangmuseum Tagestouristen aus den Großstädten anzulocken, doch meist | |
vergeblich. Die Autobahn oder der nächste Shinkansen-Bahnhof war einfach zu | |
weit weg. | |
Sieben Jahre nach dem Beben und dem Tsunami ist der Wiederaufbau weit | |
fortgeschritten. Viele Fischer haben sich mit staatlicher Unterstützung | |
neue Kutter gekauft; viele Landwirte bestellen wieder ihre Felder; und die | |
meisten Evakuierten haben sich anderswo ein neues Leben aufgebaut. Und die | |
Technokraten des „Eisernen Dreiecks“ aus Politik, Bürokratie und | |
Bauwirtschaft haben ihren gewohnten Betonweg fortgesetzt. Dabei hätte man | |
den Landstrich zu einem attraktiven Naherholungsbiet mit Naturstränden und | |
Kiefernschutzwäldern entwickeln können. Aber dafür reichte die Fantasie der | |
„Entscheider“ wohl nicht aus. | |
11 Mar 2018 | |
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[1] /Sechs-Jahre-nach-dem-GAU-in-Fukushima/!5387577 | |
## AUTOREN | |
Marcin Pietraszkiewicz | |
Marcin Pietraszkiewicz | |
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