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# taz.de -- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Jetzt dürfen erst mal all…
> Vollbetreute Behinderte und psychisch kranke Straftäter dürfen nicht
> wählen. Das ist verfassungswidrig entschied nun das
> Bundesverfassungsgericht.
Bild: Insgesamt betrifft der Wahlrechtsausschluss bisher 84.000 Menschen. Sie d…
Karlsruhe taz | Während die Reform des Wahlrechts im Bundestag nicht
vorankommt, hat das Bundesverfassungsgericht jetzt Fakten geschaffen. Die
bisherigen Regelungen zum [1][Wahlrechtsausschluss bestimmter Menschen mit
Behinderung und psychisch Kranker] wurden für nichtig erklärt. Falls es
keine Mehrheit für eine Neuregelung gibt, wird es keine
Wahlrechtsausschlüsse mehr geben.
Bisher sind Menschen, für die in allen Angelegenheiten ein rechtlicher
Betreuer bestellt ist, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Betroffen sind
bundesweit rund 81.000 Personen. Auch Straftäter, die bei Begehung der Tat
schuldunfähig waren und deshalb in der Psychiatrie untergebracht sind,
dürfen derzeit nicht wählen. Hier geht es um rund 3.000 weitere Personen.
Gegen die Bundestagswahl 2013 hatten deshalb sieben Betroffene, die nicht
wählen durften, Wahlbeschwerde erhoben. Organisiert wurde das Verfahren von
der Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Caritas Behindertenhilfe und
Psychiatrie (CBP). Sie wollten damit nicht die Ungültigkeit der
Bundestagswahl erreichen, sondern eine Korrektur des Bundeswahlgesetzes für
die Zukunft. Nachdem der Bundestag die Wahlbeschwerde abgelehnt hatte,
landete das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht und hatte dort jetzt
Erfolg.
Die Regelungen zum Wahlrechtsausschluss verstoßen gegen das Prinzip der
allgemeinen Wahl und [2][diskriminieren zudem Behinderte], so der Zweite
Senat des Bundesverfassungsgerichts. Die betroffenen Gruppen würden „ohne
hinreichenden sachlichen Grund“ von der Wahl ausgeschlossen. Es werde
Menschen das Wahlrecht verwehrt, die teilweise durchaus selbstbestimmt
wählen könnten, während andere Gruppen wählen dürfen, obwohl an ihrer
Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeit Zweifel bestehen.
## Zufälligkeiten führen zu gerichtlichen Betreuern
So hänge es von Zufälligkeiten ab, ob gerichtlich ein Betreuer „in allen
Angelegenheiten“ bestellt wird oder ob dies nicht erforderlich ist, weil
jemand schon frühzeitig in einer Vorsorgevollmacht bestimmt hat, wer ihn
später einmal vertritt. Letztere Gruppe sei aber vom Wahlrechtsausschluss
nicht betroffen.
Auch der Ausschluss von schuldunfähigen Straftätern überzeugt die Richter
nicht. Wenn die psychische Beeinträchtigung – etwa ein Wahnzustand –
punktuell während einer Straftat vorlag, sei damit nicht dauerhaft die
Wahlfähigkeit beeinträchtigt.
Das Verfassungsgericht hält Wahlausschlüsse allerdings nicht generell für
unzulässig. Personen, „die typischerweise nicht über die Fähigkeit zur
Teilnahme am demokratischen Kommunikationsprozess verfügen“, könnten von
der Wahl per Gesetz durchaus ausgeschlossen werden, so die Richter.
Hierfür wäre aber ein neues Gesetz erforderlich. Ob sich die Koalition
darauf einigen kann, ist fraglich. Die CDU/CSU-Fraktionsspitze hat zuletzt
vorgeschlagen, in fraglichen Fällen individuell zu prüfen, ob jemand noch
wählen kann. Die SPD lehnt dies ab und befürchtet, dass es künftig mehr
Wahlausschlüsse geben wird als bisher. Auch Grüne und Linke wollen die
Wahlausschlüsse generell abschaffen.
21 Feb 2019
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## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
psychische Gesundheit
Bundesverfassungsgericht
Wahlrecht
Leben mit Behinderung
Opposition
Inklusion
Wahlen
Burkhard Lischka
Lesestück Recherche und Reportage
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