# taz.de -- Pflegenotstand in der Praxis: Ein Tag im Leben des Altenpflegers | |
> Medizin dosieren, Wasser bringen, einsalben, anziehen, Arbeit | |
> dokumentieren – und reden. Aber schnell, denn die Zeit für Matthias | |
> Bauerkamp rast. | |
Bild: Alltag im Pflegeheim: Matthias Bauerkamp untersucht die Wunde einer Bewoh… | |
BERLIN taz | Ganz früh morgens, wenn draußen die Dunkelheit noch den | |
Kirchturm der St.-Antonius-Kirche im Berliner Stadtteil Oberschöneweide | |
einhüllt, tritt Matthias Bauerkamp seine Frühschicht an. Denn das gehört zu | |
seinem Job als Altenpfleger, wach zu sein, bevor andere aufwachen. | |
Es ist kaum etwas zu hören, als er mit Sportschuhen den langen Flur in der | |
dritten Etage des Seniorenheims St. Konrad entlangeilt. Nur hinten im | |
Aufenthaltsraum läuft leise ein Radio, eine Frau wischt, eine andere | |
bereitet in der offenen Küche Brote, Käse und Wurstscheiben vor. In aller | |
Ruhe, der Ruhe vor dem Aufwachen. | |
Bauerkamp geht zum Stationszimmer, eine Art einsehbares Büro, grüßt seine | |
Kolleginnen und Kollegen, um dann einen Blick in den Tagesplaner zu werfen. | |
„Wir sind heute sechs Leute statt drei“, sagt er verwundert, „Das wäre | |
schön, wenn das immer so wäre.“ | |
Die Einrichtung der katholischen Caritas hat zugestimmt, den 35-Jährigen | |
eine Schicht lang begleiten zu dürfen. Nur wurde offenbar zum Pressebesuch | |
das Personal verdoppelt. Normalerweise versorgen auf dieser Etage eine | |
Pflegefachkraft und zwei Pflegehelfer 30 Menschen. | |
## Früher Morgen: Medikamente dosieren | |
Matthias Bauerkamp öffnet Schränke, hinter denen Medikamente und | |
Patientenakten verstaut sind. Er tröpfelt Flüssigkeiten in kleine Becher, | |
vor allem Schmerzmittel, aber auch Mittel gegen epileptische Anfälle, und | |
ordnet sie verschiedenen Namen zu. Medikamente, die auf nüchternen Magen | |
verabreicht werden sollen. | |
Nebenbei unterhält er sich mit einer Kollegin, die kurz in ein privat | |
betriebenes Heim wechselte und nun wieder zurückgekehrt ist. Sie winkt ab. | |
„Ach, ich könnte Ihnen Geschichten erzählen. Ich wollte näher an meinem | |
Zuhause arbeiten. Aber die Arbeitsbedingungen dort waren eine Katastrophe.“ | |
Die Politik [1][nennt diese Katastrophe Pflegenotstand]. Fehlendes | |
Personal, schlechte Bezahlung und miserable Arbeitsbedingungen, all das ist | |
bekannt. Ein Pflegepersonalstärkungsgesetz soll die Situation verbessern. | |
Seit Januar können 13.000 Vollzeitstellen in der stationären Altenpflege | |
[2][neu geschaffen werden] – ohne die Pflegebedürftigen finanziell zu | |
belasten. | |
Für Zentrumsleiterin Melanie Micka-Herzmann bedeutet es „ein Mehr an | |
Personal, das aber erst gewonnen werden muss“. Und das wiederum scheint | |
nicht so einfach zu sein. „Wir hatten gestern eine, die Probe gearbeitet | |
hat, eine Gute“, erzählt eine andere Kollegin, „sie kommt auch aus der | |
Pflege, aber sie hat ein kleines Kind und könnte deshalb nur Frühdienste | |
arbeiten. Nun, das wäre den anderen gegenüber auch nicht fair.“ Ein | |
Gespräch über Dienstpläne, Mütter mit kleinen Kindern, Kitaöffnungszeiten, | |
Teilzeit und Vereinbarkeit nimmt Fahrt auf, da schlurft die Pflegerin vom | |
Nachtdienst zur Übergabe rein. Sie trägt ein langes rosa Hemd, auf dem | |
Pudel aufgedruckt sind. Sie grüßt kurz und legt dann los: | |
Herr Braun hat nachts 'ne Zigarette geraucht“, sagt sie. „Frau Breu ist auf | |
den Boden geglitten und hat etwas erbrochen. Sie ist weinerlich und | |
sturzgefährdet. Wir haben eine neue Bewohnerin aus Chemnitz, eine alte | |
Krankenschwester. Herr Schmitt ist gestern ohne Jacke ausgerissen und wurde | |
von einem Notarzt aufgefunden und zurückgebracht.“ | |
Sie geht routiniert ihre Liste durch, was am Vortag und in der Nacht | |
passiert ist, wer wann was bekommen hat, wer wurde gelagert, wer hatte | |
Geburtstag. Nachdem sie ihre Übergabe beendet hat, fünf nach sieben, sagt | |
sie, „Vielen Dank. Gute Nacht, ihr Lieben.“ Auch das bedeutet Pflege: | |
Arbeiten im Schichtdienst, Schlafen gehen, wenn andere anfangen zu | |
arbeiten. | |
## Morgen: Wasser bringen, Beine einsalben | |
Kurz einigen sich die Pflegekräfte der Frühschicht, wer welche Aufgaben | |
übernimmt, dann läuft Bauerkamp mit seinem Medikamententablett auch schon | |
zur ersten Tür, klopft kurz und fragt: „Frau Wust, darf ich reinkommen?“ | |
„Ja“, antwortet eine Stimme, die noch etwas verschlafen klingt. | |
Bauerkamp öffnet die Tür, es ist noch dunkel im Raum, außen im Flur | |
leuchtet ein grünes Licht auf, das Zeichen dafür, dass eine Pflegekraft im | |
Zimmer ist. Er flüstert fast: „Guten Morgen. Ich stell Ihnen das auf den | |
Nachttisch. Und ein Glas Wasser, ja? Sehen wir uns später beim Frühstück?“ | |
„Ja.“ Dann ist Bauerkamp auch schon wieder draußen und geht zum Zimmer | |
nebenan, wo Frau Schuster wohnt. „Sie ist neunzig, relativ fit, hat aber | |
eine starke demenzielle Erkrankung.“ Er fragt sie, ob es okay ist, jemanden | |
von der Zeitung mit ins Zimmer zu nehmen. „Ja“, sagt Frau Schuster, „warum | |
denn nicht?“ Sie freut sich und ist gerade in Unterwäsche aus dem Bett | |
gestiegen. | |
„Legen Sie sich doch nochmal kurz hin, ich schaue mir die Beine an.“ | |
Bauerkamp fährt das Kopfteil des Bettes hoch, damit der Oberkörper | |
aufgerichtet ist, und greift dann behutsam die nackten Beine der Frau und | |
streicht über eine Stelle. „Juckt das hier?“ | |
Sie schüttelt den Kopf. Über dem Bett hängt ein großes Bild eines Bergsees, | |
an einer anderen Wand hat sie Familienfotos aufgehängt. „Die | |
Wassereinlagerungen in den Beinen sind aber besser geworden.“ Der Umgang | |
wirkt vertraut zwischen den beiden, Bauerkamp bandagiert eine Stelle am | |
Bein und zieht ihr Kompressionsstrümpfe an, hilft ihr, in die Hose und | |
Schuhe zu kommen, und setzt ihr die Brille auf. Neben ihrem Bett steht ein | |
Gehstock, beschriftet mit ihrem Namen. | |
„Frau Schuster, Sie hatten doch mal einen Friseursalon“, sagt Bauerkamp. | |
„Ja“, antwortet sie kurz, bevor sie gleich wieder ins Schweigen fällt. „… | |
viele Angestellte hatten Sie denn?“ | |
Dann überlegt die Neunzigjährige, die seit vier Jahren im Altenheim wohnt, | |
und sagt: „Ich weiß es nicht mehr.“ Mit jeder neuen Tür, die Bauerkamp | |
öffnet, strömen den Besuchern unterschiedliche Gerüche entgegen, mal riecht | |
es muffig nach Schlaf, mal beißend, mal nach Krankheit und mal nach | |
frischen Blumen. Gerüche, die daran erinnern, um was es beim Pflegen geht: | |
möglichst respektvoll mit der Intimsphäre eines Menschen umzugehen, | |
würdiges Altern zu ermöglichen, Begleitung auf der letzten Etappe. Die | |
einen reden kaum noch und vergessen. Manche sind körperlich relativ | |
eigenständig, andere leiden an Depressionen und sind kaum aus dem Bett zu | |
bekommen. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden alle Namen der | |
Pflegebedürftigen von der Redaktion geändert. | |
## Vormittags: Haare kämmen, sprechen und und und | |
Bauerkamp, der seit vier Jahren in der Einrichtung arbeitet, kennt alle, | |
die hier leben, und viele der Geschichten, die sie erlebt haben. Zu jeder | |
Person hat er eine eigene Beziehung aufgebaut. Mit Frau Klauert ist er | |
heimlich per Du, verrät er. „Eigentlich müsste ich es in die Pflegeplanung | |
eintragen, wenn ich eine Bewohnerin duze.“ Während er der alten Dame die | |
langen grauen Haare kämmt, sagt sie „Danke schön, mit meinen Händen schaffe | |
ich das nicht mehr.“ | |
Dann erzählt sie von ihrer Familie, von ihren Schwiegersöhnen, die sie sehr | |
gern hat und die nicht wollen, dass sie sich die Haare abschneidet. Am Ende | |
des Kämmens schaut sie Bauerkamp tief in die Augen und sagt verschmitzt: | |
„Gefalle ich dir jetzt?“ Dann lachen beide und sie fügt hinzu: „Er macht | |
das hier ganz toll.“ Und beim Gehen ruft sie ihm hinterher: „Danke für das | |
Gespräch.“ Auf dem Weg in den Frühstücksraum sagt er, „Das hier heute ist | |
kein realer Ablauf. So viel Zeit zum Reden haben wir oft nicht.“ | |
Matthias Bauerkamp, ein schlanker Mann mit ergrautem Haar, der schnell | |
durch die Flure eilt und gleichzeitig redet, ist als Mann in diesem Beruf | |
eher die Ausnahme. Altenpflege ist weiblich dominiert, 84 Prozent der | |
Pflegekräfte sind Frauen, viele arbeiten in Teilzeit. „Als männliche | |
Pflegekraft bin ich für viele eine willkommene Abwechslung“, sagt er, „Aber | |
manche Frauen wollen auch nicht von Männern gewaschen werden, das ist ja | |
ein sehr intimer Moment. Leider können wir diese Wünsche nicht immer | |
berücksichtigen. Ich frage mich, wie es sein wird, wenn wir in ein paar | |
Jahren auch muslimische Frauen hier haben werden. Wie kultursensible Pflege | |
aussehen kann.“ | |
Das Seniorenheim mit 89 Pflegeheimplätzen ist Teil des Seniorenzentrums St. | |
Konrad, zu dem auch ein Seniorenwohnhaus und eine Tagespflege gehören. Im | |
Frühstücksraum, einem hellen Raum mit Parkett, sitzen gegen acht Uhr | |
morgens acht Frauen und drei Männer verteilt an fünf Tischgruppen. Auch das | |
ist überall in Deutschland so: Es leben mehr Frauen in Pflegeheimen als | |
Männer. Bauerkamp sagt: „Viele der Bewohnerinnen sind über 90 Jahre alt. | |
Viele haben ihren Vater im Krieg verloren und ihren Mann, haben wieder | |
geheiratet und auch diesen später wieder begraben.“ | |
## Vom Frühstücken im Seniorenheim | |
Jede Person hat hier ihren festen Platz, gerade für Menschen mit Demenz ist | |
Routine wichtig. An einem Tisch wird etwas untereinander gequatscht. Aber | |
ansonsten sitzen viele ruhig über ihrem Teller, während in einer Ecke eine | |
kleine Wassersäule mit künstlichen Fischen vor sich hin blubbert. Kein | |
Smartphone liegt auf dem Tisch. | |
Im Seniorenheim zu leben bedeutet nicht nur, sich nicht mehr richtig zu | |
erinnern oder die Hose nicht alleine anziehen zu können. Es heißt auch, die | |
eigene Wohnung, die Liebsten, das vertraute Umfeld zu verlassen und die | |
Individualität eines ganzen Lebens in wenige Quadratmeter zu quetschen und | |
sich dem Rhythmus des Altenheims anzupassen. | |
Von sieben bis zehn Uhr kann hier gefrühstückt werden. Auch das Mittag- und | |
Abendessen findet dort statt. Dazwischen gibt es ein Programmangebot, das | |
von Kraft- und Balancetraining über Gitarre und Gesang bis hin zu | |
Maltherapie oder Kuchenbacken reicht. Es gibt zusätzliche Arbeitskräfte, | |
die diese soziale Betreuung übernehmen. „Die Zukunft der Pflege muss noch | |
individueller werden“, findet Bauerkamp, „Wir arbeiten in einem starren | |
System, dann wird gegessen, dann gibt es Programm. Hier sitzen Menschen, | |
die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben. Aber die 68er-Babyboomer kommen | |
ja noch, sie werden andere Bedürfnisse haben. Natürlich brauchen wir mehr | |
Personal, aber wir haben noch nicht über Qualität gesprochen.“ | |
Dann geht Bauerkamp zurück ins Stationszimmer, nimmt sich kurz Zeit, um in | |
ein Mettbrötchen zu beißen. Nicht immer schafft er es, die halbe Stunde | |
Pause zu machen, die ihm zusteht. Heute übernehmen seine Kolleginnen mehr | |
Arbeit, damit er Zeit hat, zu erzählen. Über sich, über die Anstrengung des | |
Schichtwechsels, dass manchmal Teller geworfen werden und Alte aggressiv | |
werden können. Darüber, dass Pflege immer anspruchsvoller wird. | |
In der Gesundheitspolitik gilt der Leitsatz „ambulant vor stationär“. | |
Bauerkamp sagt: „Die Menschen kommen erst dann in ein Pflegeheim, wenn sie | |
nicht mehr zu Hause gepflegt werden können. Sie haben immer öfter | |
neurologische Erkrankungen, Mehrfacherkrankungen, Demenz. Demenziell | |
Erkrankte vergessen oft, wie viel sie schon getrunken haben, und manche | |
dürfen aufgrund anderer Erkrankungen nicht zu viel trinken. Wir müssen | |
jeden Tag Trinkprotokolle in Milliliter ausfüllen. Aber Sie sehen ja, es | |
ist unmöglich, alles genau im Auge zu behalten.“ | |
## Bauerkamps Weg vom Theater ins Altenpflegeheim | |
Matthias Bauerkamp kam über Umwege in die Altenpflege. Mit 16 Jahren fand | |
er seinen Weg ins Theater als Regieassistenz. Nach seinem Abitur studierte | |
er Musik und brach wieder ab, reiste ein Dreivierteljahr durch Südamerika, | |
machte später einen Bachelor in deutscher Literatur. Er ging wieder an die | |
Bühne, arbeitete sieben Jahre fest am Badischen Staatstheater und | |
inszenierte selbst. „Irgendwann hatte ich genug, ich war von zehn bis zehn | |
bei der Arbeit“, erzählt er. Er fing an, Theologie an der Berliner | |
Humboldt-Universität zu studieren, lernte dabei Althebräisch und | |
Altgriechisch, bis mitten im Studium seine Oma erkrankte. Der Wendepunkt in | |
Bauerkamps unruhigem Leben. | |
„Sie hatte seelische Leiden, Halluzinationen, ich fing an mich intensiv um | |
sie zu kümmern. Meine Oma war dankbar dafür, aber ich war es auch. Ich habe | |
mich gut in dieser Rolle gefühlt. Das Unmittelbare, was man zurückbekommt“, | |
erzählt er. Er schmiss nach vier Semestern also nochmal hin und begann die | |
dreijährige Ausbildung zum Altenpfleger. Er blieb dabei. | |
30 Stunden arbeitet Bauerkamp pro Woche, 2.000 Euro brutto verdient er | |
monatlich, mit Schichtzulagen bleiben ihm etwa 1.650 Euro und er bekommt | |
ein dreizehntes Monatsgehalt. Damit geht es ihm besser als den meisten | |
anderen in der Branche. Die Richtlinien für Arbeitsverträge in den | |
Einrichtungen der Caritas sind angelehnt an den Tarifvertrag für den | |
öffentlichen Dienst. Donnerstags und freitags studiert Bauerkamp nebenbei | |
Pflegewissenschaften an der Brandenburgischen Technischen Universität | |
Senftenberg. Pflege, das ist ein Thema, das ihn beschäftigt, egal ob | |
Roboter in der Pflege, Fachkräfte aus dem Ausland oder [3][die | |
Pflegepolitik von Jens Spahn]. | |
## „Alle Pflegenden hassen Merci“ | |
Als der Name des Gesundheitsministers fällt, lacht die Wundschwester laut | |
auf, die kurz zuvor ins Stationszimmer kam. Im Dezember 2018 besuchte Spahn | |
das Klinikum Dortmund und brachte den Pflegenden eine Packung Merci vorbei. | |
„Alle Pflegenden hassen Merci. Wenn wir Merci nur hören, macht schon alles | |
zu. Wir möchten lieber mehr Zeit“, erklärt Bauerkamp und erzählt etwas | |
amüsiert, dass der Gesundheitsminister unter Pflegenden oft „Spahnplatte“ | |
genannt wird. Aber er sagt auch: „Jens Spahn hat eine anspruchsvolle | |
Aufgabe. Er muss das Gesundheitssystem ins neue Jahrtausend führen.“ | |
Dann spricht sich Bauerkamp mit der Wundschwester ab, einer externen Kraft, | |
die regelmäßig vorbeischaut, Wunden versorgt und die Kommunikation mit den | |
Ärzten übernimmt. Mehrere Bewohnerinnen leiden unter einer sogenannten | |
Pergamenthaut, einer sehr dünnen Haut, die anfällig für Verletzungen ist. | |
Die beiden drehen gemeinsam noch eine Runde, Bauerkamp misst Blutdruck, | |
bevor er wieder in den Aufenthaltsraum geht zum Mittagessen. Es gibt Leber | |
oder Schaschlikpfanne. Und während die Alten am Tisch sitzen, verabreicht | |
er Augentropfen, wechselt ein Pflaster und spritzt Insulin. | |
„Wie viel sind zwei plus drei?“, fragt er einen Mann. | |
– „Fünf.“ | |
– „Gut, Sie kriegen jetzt fünf Einheiten.“ | |
## Dokumentieren – bis in den Tod | |
Nach dem Mittagessen hat Bauerkamp seine Frühschicht auch schon fast | |
geschafft. „Wir haben kaum Zeit, Azubis anzuleiten. Aber es ist eben nicht | |
einfach nur Waschen.“ Zum Ende jeder Schicht setzt er sich noch eine Stunde | |
in die Zentrale, um Pflegemaßnahmen, Medikamentengabe und den | |
Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen zu dokumentieren. Auf der Tastatur | |
des Rechners ist ein Zettel angeheftet, handgeschrieben steht darauf der | |
Name eines Bewohners, der kürzlich verstorben ist, und wann seine | |
Beerdigung stattfindet. | |
Matthias Bauerkamp hat für sich entschieden, dort nicht hinzugehen. Eine | |
Grenze, um sich selbst zu schützen. „Den ersten Toten vergisst man nie“, | |
sagt er, „Wir müssen ja den Arzt anrufen und stundenlang warten, bis dieser | |
zur Leichenschau kommt.“ Wenn die Leiche weggebracht ist und die | |
Angehörigen das Zimmer ausgeräumt haben, dann dauert es nicht lange, bis | |
die Zimmer an Neue vergeben werden, denn Pflegeplätze sind begehrt. Am Ende | |
zeigt sich der Tod in leiser Präsenz, zwischen all dem | |
Von-Tür-zu-Tür-Rennen und Dokumentieren, in einer Notiz am Rande. | |
3 Mar 2019 | |
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Jasmin Kalarickal | |
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