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# taz.de -- Verschärfter Kurs in der Flüchtlingspolitik: Kiel strebt Chartera…
> Mit Charterflügen die Zahl der Abschiebungen steigern: Das ist der Plan
> von Schleswig-Holsteins CDU-Innenministerium.
Bild: Von einem Stacheldraht zum nächsten: Flugzeug mit abgeschobenen Asylbewe…
Neumünster taz | Einen rigoros verschärften Kurs bei Abschiebungen will die
schleswig-holsteinische Jamaika-Regierung einschlagen. Abgelehnte
Asylbewerber sollen künftig mit gecharterten Flugzeugen abgeschoben werden.
Das kündigte Torsten Geerdts (CDU), Staatssekretär im Innenministerium,
gegenüber der Nachrichtenagentur dpa an. „Geplante Abschiebungen über
Linienflüge scheitern erfahrungsgemäß proportional viel häufiger als
Chartermaßnahmen“, begründete Geerdts das Vorhaben.
Zudem seien die Vorbereitungen und der Sicherheitsaufwand bei Linienflügen
sehr hoch. Wenn eine oder mehrere geplante Abschiebungen dann doch nicht
durchgeführt werden könnten, sei viel Zeit und Geld verschwendet worden.
„Hier ist verantwortungsvoller und letztlich effektiver Ressourceneinsatz
geboten“, formuliert Geerdts den Begriff „Nachhaltigkeit“ vollkommen neu.
Kritik an der „Intensivierung der Abschiebungen“ kommt umgehend von Martin
Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. „Die
Asylzuwanderungsraten rechtfertigen längst keine auf Ausschaffung
orientierte Flüchtlingspolitik“, sagt Link. Mit den geplanten
Charterabschiebungen mache die Landesregierung „den nächsten Schritt zu
einer auf Externalisierung von Schutzsuchenden ausgerichteten Politik“.
2018 beteiligte sich Schleswig-Holstein nur an Chartermaßnahmen anderer
Bundesländer. Die Zahl der Abzuschiebenden hätte „eigene Chartermaßnahmen
nicht gerechtfertigt“ so Staatssekretär Geerdts. 2018 wurden aus dem
nördlichsten Bundesland 152 Personen mit Charterflügen abgeschoben, 132
geplante Abschiebungen kamen aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande.
Mit Linienflügen wurden 191 Menschen in ihre Herkunftsländer
zurückgeschickt, 886 scheiterten dagegen.
„Wir haben definitiv ein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen“, hatte
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bereits im Oktober vorigen Jahres
die neue Richtung vorgegeben. Kurz zuvor hatte CDU-Innenminister
Hans-Joachim Grote vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags den
Rückgang bei Abschiebungen mit einem immer höheren Vollzugsaufwand erklärt.
„Mittlerweile stehen jeder durchgeführten Abschiebung drei gescheiterte
Versuche entgegen“, so Grote.
Nun soll das Landesamt für Ausländerangelegenheiten besonders
problematische Fälle identifizieren. „Wenn Asylsuchende keine
Bleibeperspektive haben, dauern die Verfahren von der Ankunft bis zur
Rückkehr noch immer zu lang“, sagte Geerdts. Zur Not würden Betroffene auch
in Abschiebungshaft genommen. Denn das Land plant gemeinsam mit Hamburg und
Mecklenburg-Vorpommern den Bau einer Abschiebehaft-Anstalt mit 60 Plätzen
in Glückstadt an der Unterelbe. Sie soll 2020 in Betrieb gehen. Zudem gibt
es einen Abschiebeknast in Containern am Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel
mit 20 Plätzen, davon stehen fünf Schleswig-Holstein zur Verfügung.
Um den Umgang mit Geflüchteten wird es auch am Donnerstag bei einer Debatte
im Kieler Landtag gehen: Die SPD beantragt, „humanitäre Grundsätze der
Flüchtlingspolitik auch in der Abschiebungshaft“ zu erhalten. Konkret will
sie, dass Kinder und Jugendliche in Glückstadt nicht in Abschiebehaft
genommen werden.
Inhaltlich gibt es dafür auch von den Regierungsparteien Zustimmung: „Wir
wollen keine Frauen und Kinder in den Knast stecken, da sind wir auch mit
den Koalitionspartnern einig“, sagt die Grünen-Fraktionschefin Eka von
Kalben.
Allerdings sei das eine „theoretische Debatte“, findet Tobias Koch (CDU):
„Es gibt die Fälle nicht, in denen Minderjährige in Haft genommen werden.“
Hauptproblem bei der Frage ist aber, dass die Abschiebehaft von der
Bundespolizei beantragt und von einem Gericht bewilligt werden kann – „und
wenn wir hier keine Plätze vorhalten, müssten wir die Kinder möglicherweise
bis nach Bayern schicken“, sagt Christopher Vogt (FDP).
Um die Abschiebehaft für Minderjährige dauerhaft zu verhindern, müsste das
Bundesgesetz geändert werden. Für Eka von Kalben eine sinnvolle Lösung,
auch Jan Marcus Rossa (FDP) kann es sich vorstellen: „Wenn das Gesetz es in
der Praxis keine Rolle spielt, kann man es ändern.“ Das könnten die Länder
über den Bundesrat erreichen, oder durch eine Änderung im Bund. Ralf
Stegner (SPD) will mit der Debatte ein Signal setzen: „Wir sind dagegen,
Kinder einzusperren und Jugendliche aus Ausbildungsplätzen abzuschieben.
Wir wollen die anderen zwingen, Farbe zu bekennen.“
13 Feb 2019
## AUTOREN
Esther Geißlinger
Sven-Michael Veit
## TAGS
Abschiebung
Flüchtlingspolitik
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