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# taz.de -- Friedhöfe öffnen sich für Gartenprojekte: Totenruhe und Bio-Toma…
> Die Prinzessinengärten ziehen auf einen verfallenden Friedhof nach
> Neukölln um und sind dort Ruhestätte und Gemeinschaftsgarten zugleich.
Bild: Will gerne bis zum Ruhestand einen Friedhof zum Prinzessinengarten machen…
Berlin taz | Robert Shaw sieht zufrieden aus. Er dreht sich eine Zigarette,
hockt auf einem Baumstumpf mit Blick auf die nicht mehr ganz preußisch
akkurate und etwas windschiefe Platanenallee des St.-Jacobi-Friedhofs in
Neukölln. Wenn alles gut läuft, kann er mit dem Urban-Gardening-Projekt
„Prinzessinnengärten“ für mindestens 30 Jahre hier bleiben. Ein Traum sei
das. Er wäre dann über 70 Jahre alt. „Friedhöfe“, so Shaw, „sind eine
Riesenüberraschung!“
Große Teile der innerstädtischen Friedhöfe liegen infolge klammer Bezirke
und Friedhofsverwaltungen brach. Die Eigentümerinnen wandelten aber nur
etwa zehn Prozent davon in Bauland und Grünflächen um – was mit dem Rest
passieren soll, wisse keiner, so Shaw. „Eine Lösung, von der beide Seiten
profitieren, sind Gartenprojekte wie wir.“
Die Prinzessinnengärten vom Moritzplatz, die auf der Suche nach einer neuen
Fläche waren, haben sich mit der evangelischen Friedhofsverwaltung vom
Jacobi darauf geeinigt, noch bestehende Gräber, den Friedhof und die Natur
zu pflegen – und nutzen im Gegenzug den unbelegten und brachliegenden
hinteren Teil des Friedhofs als Gemeinschaftsgarten. Der Modellversuch ist
gefördert von dem Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (Bene).
## Ungeheure Möglichkeiten
„Wir freuen uns sehr über den neuen Standort: Hier gibt es gewachsene
Natur, einen Friedhof im Umbruch, und wir haben Perspektive. Wir haben hier
70.000 Quadratmeter – das bietet uns ganz ungeheure Möglichkeiten“, sagt
Shaw. Ideen gibt es viele: Umweltbildungsflächen für Kitas und Schulen, ein
Workshop für Steinbildhauerei, der alte und verfallene Grabsteine zu Kunst
recyceln soll, ein Treffpunkt für „Solawi“ – biovegane solidarische
Landwirtschaft, und es gibt bereits Hochbeete, ein Café und einen
Gießkannenverleih.
Dazu sollen bald tatsächlich aus der Friedhofserde Neuköllner Bio-Tomaten
wachsen. „Wir haben Bodenproben machen lassen: Anbau in Bio-Qualität müsste
gehen – dafür allein haben wir 5.000 Quadratmeter. Das ist schon fast das,
was manch kleiner Bio-Hof in Brandenburg hat.“
Tatsächlich liegen viele Friedhofsflächen brach, wie auch May Buschke von
Stattgrün bestätigt. Sie hat im Auftrag für den Evangelischen
Friedhofsverband das Projekt vorangetrieben. Nur ein Viertel seiner Flächen
könne die Kirche wirtschaftlich betreiben. Ein [1][veränderte
Friedhofskultur seit den 1980ern] sorge dafür, dass immer mehr Menschen
sich für günstigere und weniger pflege-intensive Beisetzungen entschieden.
Urnen brauchen weniger Platz als Särge und kosten weniger – in der Folge
gebe es zu wenig Geld zur Bewirtschaftung verfallender Friedhöfe.
„Die Not ist groß, der Verband kann nicht anders, als über Umnutzungen
nachzudenken oder Flächen zu verkaufen“, so Buschke. Im evaluierten
[2][Friedhofsentwicklungsplan] sei vorgesehen, dass etwa ein Viertel der
Flächen in Berlin auf lange Sicht umgenutzt werden könnten. Bei einer
Gesamtfläche von 1.200 Hektar wäre das immerhin eine Fläche von 300 Hektar.
Zum Vergleich: Das [3][Tempelhofer Feld ist 303 Hektar groß].
## Drogenabhängige und unangeleinte Hunde
Die Zusammenarbeit mit den Prinzessinnengärten sei eine besonders spannende
Sache, weil auch noch viele Trauernde auf den Friedhof kämen. Es sei nicht
nur eine grüne Umnutzung, wie es schon einige gebe, sondern eben eine
richtige Übernahme, sagt Buschke: „Es ist eine Besonderheit, dass der
Friedhof für neue Begräbnisse zwar geschlossen ist, aber noch viele Gräber
da sind – die auch zum Teil noch bis zu 20 Jahren Gräber bleiben werden.“
Der Friedhofsverband wolle in Neukölln ausprobieren, ob ein
Nachbarschaftsgarten und Umweltbildungsflächen auf Friedhöfen auch von
Grabbesucher*innen angenommen würden – auch mit Blick auf andere
Standorte: „Es ist wirklich für Gesamtberlin ein großes Thema“, sagt
Buschke.
Im Wesentlichen sei der Rücklauf – die Kooperation begann im Juni
vergangenen Jahres – positiv. Zuvor hätten viele Grabbesucher sich eher am
Verfall des Jacobi-Friedhofs gestört, ein Problem seien neben Verfall auch
in unmittelbarer Nähe zur U8 Drogenabhängige und unangeleinte Hunde
gewesen. „Es gibt immer ein bis zwei, die meckern, aber es wird von den
meisten als Verbesserung angenommen“, sagt Buschke.
Auch Kieznachbarn fänden das Projekt toll. Das liege auch daran, dass sich
die Prinzessinnengärtner*innen so gut auf Vor-Ort-Bedürfnisse einließen.
Obwohl die Probelaufzeit noch bis zum nächsten Jahr gehe, betrachtet
Buschke das Modell schon jetzt als geglückt. Nun gelte es herauszufinden,
ob das auch an anderen Orten funktionieren könne. Gespräche für ähnliche
Projekte liefen bereits mit Gartenprojekten in Mitte und Reinickendorf.
Die Frei- und Grünfläche am Moritzplatz soll trotz des Umzugs der
Prinzessinnengärten Ende 2019 erhalten bleiben. Man kümmere sich um die
Übergabe an den [4][Nachfolgeverein Common Grounds]. Die
Prinzessinnengärtner*innen sind froh über den Umzug: „Der Moritzplatz
wurde zu eng“, sagt Shaw. Der enorme Bekanntheitsgrad der
Prinzessinengärten habe das Gärtnern schwierig gemacht. „Zuletzt war es am
Moritzplatz manchmal eher wie in einem touristischen Biergarten als in
einem kollektiven Gemeinschaftsprojekt. Wir hatten täglich bis zu 800
Besucher.“
12 Feb 2019
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!224986&s=friedhofskultur+berlin&SuchRahmen=Print/
[2] https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/friedhoefe_begraebnisstaette…
[3] https://gruen-berlin.de/tempelhofer-feld/ueber-den-park
[4] https://prinzessinnengarten.net/kontakt/
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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Feinstaub
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