# taz.de -- Prinzessinnengärten in Kreuzberg: Endlich Kohl(e) | |
> Die Prinzessinnengärten in Berlin sind gesichert: Kurz vor knapp winkte | |
> R2G Förderung für das Öko-Vorzeigeprojekt durch. Der Freiraum bleibt | |
> erhalten. | |
Bild: Palme, Sonnenschein, Förderung: Marco Clausen vom Prinzessinengarten fre… | |
BERLIN taz | Marco Clausen steht im derzeit wohl lautesten [1][Garten] | |
Berlins. Er sagt: „Für 150 Millionen ziehen die hier nebenan Luxusgewerbe | |
hoch.“ Während er das sagt, röhrt auf der einen Seite der | |
[2][Prinzessinnengärten] ein Bagger, auf der anderen rattert ein | |
Presslufthammer. Große gelbe Kräne rotieren hinter Bauzäunen auf beiden an | |
die Prinzessinnengärten angrenzende Baustellen. | |
Früher war nebenan der Autoverleih Robben & Wientjes, der sein Gelände | |
profitabel [3][verkaufte]. 150 Millionen Euro will die Firma Pandion dort | |
investieren – entstehen soll hauptsächlich Gewerbe für Start-ups und | |
Gastronomie. Und auch auf der anderen Seite des Gartenprojekts sollen | |
[4][schicke Büroflächen] für „kreatives Arbeiten im Kreuzberg-Kiez“ | |
entstehen. | |
Die Prinzessinnengärten am Moritzplatz sind derzeit noch so etwas wie ein | |
grüner Tupfer inmitten eines sich immer weiter verändernden Stadtteils. | |
Clausen sagt: „Wenn sich die Nachbarschaft weiter so schnell wandelt, | |
wohnen die Menschen gegenüber hier in zehn Jahren nicht mehr.“ Er deutet | |
auf die Otto-Suhr-Siedlung, von der die Deutsche Wohnen 2013 große Teile | |
kaufte – Mieterhöhungen ließen in dem armen Kiez [5][nicht lange auf sich | |
warten]. Zwischen den Neubauprojekten ringsum ist der 2009 gegründete | |
Gemeinschaftsgarten hier einer der verbliebenen Freiräume. | |
Während Clausen am Mittwochnachmittag über den Kiez spricht, fürchtet er | |
noch um die Zukunft des Gartenprojekts. Doch die gute Nachricht ist: Später | |
am selben Tag ist die Existenz der Prinzessinnengärten gerettet. Der Senat | |
fördert das bedrohte Gartenprojekt erstmals für zwei Jahre. Kurz vor knapp | |
winkte der Haushaltsausschuss einen noch eilig eingebrachten rot-rot-grünen | |
Änderungsantrag durch, nachdem der Förderungsantrag zuvor im | |
Umweltausschuss versandet war. „Es war eine Not-OP in allerletzter | |
Sekunde“, sagt Daniel Wesener, der für die Grünen im Haushaltsausschuss | |
sitzt. | |
Auch das Weddinger Gartenprojekt Himmelbeet, das [6][dringend nach einer | |
Fläche sucht], soll gefördert werden. Zusammen 600.000 Euro für zwei Jahre | |
bekommen die beiden Projekte, die genaue Aufteilung des Geldes ist noch | |
unklar. Insgesamt fördert R2G Gartenprojekte und Ähnliches im Rahmen der | |
Strategie Stadtlandschaft im Doppelhaushalt 2020/21 mit jährlich 4,8 | |
Millionen Euro. | |
Bis zuletzt war unklar, wie Bildungsarbeit und Garten finanziert werden | |
sollten, nachdem ein großer Teil der Gärtner*innen Anfang des Jahres nach | |
Neukölln abgewandert war. Vielen war das Gärtnern auch unter dem Ansturm | |
von bis zu 800 Besucher*innen täglich zu anstrengend. Sie fanden eine | |
Fläche auf dem geschlossenen Neuköllner Jacobi-Friedhof ([7][taz | |
berichtete]). | |
Ein Teil des Kollektivs wollte jedoch aus stadtpolitischen Gründen | |
unbedingt bleiben, darunter auch Clausen. Er sagt, die vielen | |
Besucher*innen seien eine gute Möglichkeit, kulturelle und | |
sozialökologische Bildung anzubieten. Den Garten aufzugeben käme für | |
Clausen nie in Frage – auch weil das Projekt lange mit Anwohner*innen gegen | |
den Verkauf der landeseigenen Fläche an Investoren gekämpft hat. Man | |
kümmere sich auch um Obdachlose am Moritzplatz, federe so manchen Konflikt | |
ab. | |
Einen Mietvertrag hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bereits Ende | |
November in Aussicht gestellt. Der Prinzessinnengarten sei ein | |
Vorzeigeprojekt und „wichtiger Beitrag zur sinnvollen Nutzung des | |
öffentlichen Raumes, zum Stadtklima und zur Ergänzung einer wohnortnahen | |
Versorgung“, ließ Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) mitteilen. | |
Unter Wowereit sollten die rund 5.600 Quadratmeter noch verscherbelt | |
werden. Der Widerstand der Gärtner*innen stieß 2012 eine breitere | |
Diskussion über Liegenschaftspolitik an. „Wir wollen hier weiter für | |
Freiräume kämpfen“, sagt Clausen heute – „in jedem Kiez braucht es Orte… | |
Naturbildung.“ Nach zehn Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit wolle er gemeinsam | |
mit Anwohner*innen ein festes ökologisches Bildungszentrum aus dem Garten | |
machen und dazu gehöre eben auch Finanzierung. | |
Bisher hat das Land finanziell weder die Bildungsarbeit noch die Pflege der | |
ökologischen Naherholungsfläche gefördert. Was den Senat aber nicht daran | |
hinderte, auf seinem Touri-Portal Visit Berlin mit dem kultigen | |
Urban-Gardening-Projekt um Touris zu buhlen. Hashtag Be Berlin. Die New | |
York Times und CNN berichteten, deutsche Medien sowieso. | |
Über die nun doch noch zustande kommende Förderung ist Clausen gleichzeitig | |
erleichtert und überrascht: „Es muss nicht immer so ein Krimi sein, aber es | |
ist eine total gute Nachricht, dass es überhaupt eine Perspektive gibt“, | |
sagt er. | |
Umso optimistischer dürfte die Feier am Samstag in den Prinzessinnengärten | |
werden, bei der die vergangenen zehn Jahre gefeiert werden, aber auch | |
gemeinsam überlegt werden soll, wie es nun am Moritzplatz weitergehen soll. | |
Der [8][Chor der Statistik] wird singen, ebenso wird [9][the incredible | |
Herrengedeck] ihren Chanson-Punk spielen. Ab April 2020 sollen die | |
Prinzessinnengärten dann wieder regulär öffnen. | |
Die Unterstützung von Urban Gardening war ein Anliegen des rot-rot-grünen | |
Koalitionsvertrags. Einige der Vorhaben sind laut Senatsverwaltung für | |
Umwelt von Regine Günther (Grüne) auf dem Weg: Seit Oktober gebe es einen | |
festen Ansprechpartner für Urban Gardening. Man erarbeitete zudem ein | |
gesamtstädtisches Konzept für gemeinschaftliches Gärtnern, zudem soll eine | |
Website für Gartenprojekte Anfang des Jahres online gehen. Um zudem die | |
versprochenen grünen Hauptwege auszubauen, stünden für den Flächenkauf | |
weitere 10 Millionen Euro aus dem Siwana-Fonds zur Verfügung. Und auch die | |
Kleingärtnerei werden mit jeweils 150.000 Euro gefördert. | |
Vorstellbar sei nun vieles, so Clausen. Neben ökologischem Gärtnern soll | |
für stadtpolitische Projekte und Initiativen möglich sein, die hoffentlich | |
bald festen Räume der Gärten kostenfrei für Veranstaltungen zu nutzen. | |
Clausen sagt: „Es soll ein Ort zum Gestalten werden.“ | |
Berichtigung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es | |
fälschlicherweise, dass die Prinzessinnengärten mit 600.000 Euro über zwei | |
Jahre gefördert werden. Tatsächlich teilt sich das Projekt die Summe mit | |
dem Weddinger Himmelbeet. | |
5 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Urban-Gardening/!t5012921 | |
[2] /Friedhoefe-oeffnen-sich-fuer-Gartenprojekte/!5569212&s=robert+shaw/ | |
[3] https://www.morgenpost.de/berlin/article214831103/Robben-Wientjes-Gewerbe-u… | |
[4] https://www.gsg.de/de/projektentwicklungen/#prinzessinnenstrasse | |
[5] /Bewohnerin-der-Otto-Suhr-Siedlung/!5492924 | |
[6] https://himmelbeet.de/blogs/flaechenblog/beitrag/update-zukunft-himmelbeet-… | |
[7] /Friedhoefe-oeffnen-sich-fuer-Gartenprojekte/!5569212 | |
[8] https://hausderstatistik.org/veranstaltung/chor-der-statistik-0/ | |
[9] https://open.spotify.com/artist/55Ln1IxiqwkC6xohhQ1Pwt?autoplay=true&v=A | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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