| # taz.de -- Ausstellung „Heimat und Exil“: Der Weltenwanderer | |
| > Das Osnabrücker Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrum komplettiert seine | |
| > Ausstellungsserie über den Aktivisten und Schriftsteller Armin T. Wegner. | |
| Bild: Armin T. Wegner 1964 auf der italienischen Insel Stromboli Foto: Michael … | |
| Osnabrück taz | Es gibt Gedanken, bei denen stockt dir der Atem. Dieser | |
| hier zum Beispiel: „Einmal war ich in allen Häusern zu Hause. Jetzt in | |
| keinem mehr. Die Fremdesten und Fernsten aller Völker sind mir vertrauter | |
| als die Heimat.“ | |
| Armin T. Wegner hat ihn niedergeschrieben, 1974. Der Dichter, der ein | |
| Weltenwanderer war, ein Sehnsuchtsreisender, hungrig nach neuen | |
| Begegnungen, Landschaften, Kulturen. Der Wirklichkeitssucher, der 1915, als | |
| deutscher Sanitätsoffizier, in der mesopotamischen Wüste Augenzeuge des | |
| türkischen Völkermords an den Armeniern wird, ihn öffentlich macht – seine | |
| Anklage findet kein Gehör. Der Menschenrechtskämpfer und Pazifist, der sich | |
| 1933 in einem Protestbrief an Hitler gegen die Judenverfolgung einsetzt – | |
| die Gestapo verhaftet und foltert ihn, Monate verbringt er in Gefängnissen | |
| und KZs. | |
| Armin T. Wegner – nach dem Dunkel der NS-Zeit vergessen, hochbetagt stirbt | |
| er fern des Landes, in dessen Sprache er bis zuletzt schreibt – hat uns zum | |
| Thema „Heimat und Exil“ viel zu sagen. Düsteres und Melancholisches. Hartes | |
| und Augenöffnendes. Und wer sich die gleichnamige Wanderausstellung im | |
| Osnabrücker Erich-Maria-Remarque-Friedenszentrum ansieht, lernt viel | |
| dazu, auch für Gegenwart und Zukunft. Jetzt in keinem mehr: Auch dieser | |
| todtraurige Satz fällt in ihr. | |
| „Heimat und Exil“ ist nicht die erste Wegner-Schau, die das Friedenszentrum | |
| zeigt. 2015 hat es „Widersetzt Euch viel und gehorcht wenig“ nach Osnabrück | |
| geholt, über den Aktivisten Wegner, 2016 „Fotograf eines Völkermords“ – | |
| Wegners erschütternde Armenien-Dokumentation. | |
| ## Parallelen zu Remarque | |
| Thomas Schneider, der das Zentrum leitet, betont: „Er war schon immer eine | |
| wichtige Persönlichkeit für uns.“ Verständlich, denn die Parallelen | |
| zwischen Wegner und Remarque sind augenfällig: beide Weltbürger, beide | |
| Exilanten, beide Anti-Kriegs-Mahner. Schneiders Dauerpräsentation zu | |
| Remarques Leben und Werk, nur wenige Schritte entfernt, lässt sich also als | |
| Ergänzung zu „Heimat und Exil“ betrachten, und wer mag, dem steht das | |
| Remarque-Archiv offen, die „Forschungsstelle Krieg und Literatur“. Stadt | |
| und Universität Osnabrück sind gemeinsam die Betreiber. | |
| „Durch die inhaltliche Klammer zu Remarque“, sagt Judith Schönwiesner von | |
| der Armin-T.-Wegner-Gesellschaft in Wuppertal, die Kuratorin von „Heimat | |
| und Exil“, „ist das einfach ein perfekter Ort für uns.“ Sie setzt nicht … | |
| Spektakuläreffekte. Sie setzt auf ruhiges Sicheinlassen. Auf die | |
| Bereitschaft zu lesen – viel zu lesen. Einige wenige, meist biografische | |
| Fotos. Ein paar Textfaksimiles. Ein paar Kunstfaksimiles, wie Lea Grundigs | |
| Kaltnadelradierung „Flüstern und Lauschen“ – das legendäre Blatt 7 ihrer | |
| Serie „Unterm Hakenkreuz“ von 1936. Betont sparsam ist das alles, sehr | |
| zurückhaltend. | |
| Schönwiesners blau-weiße Infowürfel bieten allerdings auch Hörstationen an. | |
| Das Gedicht „Einwanderer“ der Zionistin Lola Landau etwa, bis 1939 war sie | |
| mit Wegner verheiratet: „Wir tragen von fremden Ländern die Spuren / ins | |
| Antlitz geschnitten mit schmerzhaftem Schnitt …“ QR-Codes verlinken zu | |
| Zusatzquellen – auch zu einem Youtube-Video, das den palästinensischen | |
| Pianisten Aeham Ahmad zeigt, der 2015 in den Straßenruinen des belagerten | |
| Jarmuk Klavier spielt, des Flüchtlingsstadtteils in Damaskus, in dem er | |
| geboren ist. Stark ist das, würdig. | |
| Die Schau beginnt mit Wegners Biografie. Und sie endet mit einem Aufruf zur | |
| Partizipation: mit Block und Stift, und mit einer leeren Fläche, die auf | |
| des Besuchers eigene Gedanken zum Thema Heimat wartet. | |
| Dazwischen ein Bogenschlag über Bert Brecht und Mascha Kaléko bis zu den | |
| Regimekritikern der DDR und dem chinesischen Autor Liao Yiwu, der 1989 über | |
| das Massaker auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens schrieb: „Im | |
| Namen des Vaterlands massakrieren wir die Verfassung. / Im Namen der | |
| Verfassung massakrieren wir die Gerechtigkeit.“ | |
| Wer sich auf all das einlässt, geht sehr nachdenklich nach Hause. Gut, | |
| manchmal lässt die technische Qualität zu wünschen übrig, etwa beim sehr | |
| unscharfen Video „Was soll ich hier?“, dem legendären Soloabend von Ulrike | |
| Schloemer als Else Lasker-Schüler, 1991 im Schauspielhaus Bochum („Ich | |
| suche allerlande eine Stadt / die einen Engel vor der Pforte hat.“). Aber | |
| das tut der Wirkung keinen Abbruch. | |
| ## Exemplarische Geschichte | |
| „Wir wollen greifbar machen, nahebringen“, umreißt Judith Schönwiesner ihr | |
| „Denkangebot“, das Schicksale zeigt, nicht abstrakte Zahlen. Wegner ist | |
| dafür nur der Einstieg. „Seine Geschichte steht exemplarisch. Ihre | |
| Perspektivlinien weisen weit hinaus bis auf das, was derzeit im Mittelmeer | |
| geschieht.“ | |
| Die Crux des Ganzen ist die Location, baulich. Ein Foyer zwischen Büros, | |
| Fenstern, Türen, Treppen. Gut, wenigstens gibt es für „Heimat und Exil“ e… | |
| paar Punktstrahler – Remarque muss sich mit trüben Neonröhren begnügen. | |
| Aber der Fußboden ist wirklich ein Problem: Nachkriegs-Schwarz-Weiß, | |
| brachial großmustrig, in Steinsplitteroptik. Schönwiesners | |
| Informationswürfel fallen darauf fast nicht auf. | |
| ## Erinnerung erneuert | |
| Aber das Ende dieses erbarmungswürdigen Zustands ist zumindest abzusehen. | |
| Denn das Zentrum wird baulich saniert. Wichtiger noch: Es wird eine moderne | |
| Dauerausstellung bekommen, die die jetzige, reichlich angestaubte, ersetzt. | |
| 220.000 Euro wird sie kosten. Eine Erneuerungsphase, die sich auf die | |
| gesamte Erinnerungskultur der Stadt erstreckt und schon lange überfällig | |
| ist. „Jahrzehnte gab es hier einen katastrophalen Stillstand“, sagt Thomas | |
| Schneider. „Wegen der desolaten Finanzsituation der Kommune.“ | |
| Für die Villa Schlikker, einst Osnabrücks NSDAP-Zentrale, steht ein neues | |
| Ausstellungskonzept an. 1,2 Millionen Euro fließen in die Gedenkstätte | |
| Augustaschacht, einst Arbeitserziehungslager der örtlichen Gestapo, und die | |
| Gedenkstätte Gestapokeller im Osnabrücker Schloss – 2020 eröffnen hier zwei | |
| hoch aufwendige neue Dauerausstellungen. | |
| 2023 bricht dann auch Schneiders Zentrum auf in seine neue Zeit. „Eines der | |
| wichtigsten Elemente ist die Klimatisierung. Solange die fehlt, können wir | |
| Remarques Originale nicht zeigen. Und Originale bauen ja eine intensive | |
| Aura auf …“ | |
| Eine Aura? Auch von Wegner geht sie aus. | |
| 25 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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