Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Urteil zur Bezahlung von Tageseltern: Ein bisschen Gerechtigkeit
> Tageseltern verdienen deutlich schlechter als Kita-Beschäftigte. Nach
> einem Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichts könnte sich das nun
> ändern.
Bild: Warten nicht nur auf Kinder, sondern auch auf gerechte Bezahlung: Tagesel…
Bremen taz | Einen wichtigen Etappensieg im jahrelangen Kampf gegen ihre
Benachteiligung haben die Tageseltern vor dem Bremer Oberverwaltungsgericht
(OVG) errungen. Das Urteil, das noch nicht schriftlich vorliegt, ist auch
überregional von Bedeutung.
Bisher verdienen selbstständige Tageseltern nämlich deutlich weniger als
abhängig Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen. Das liegt daran, dass
die Behörden einen sehr weiten Spielraum bei der Frage haben, wie viel sie
TagespflegerInnen bezahlen. Das wird sich nun ändern: Das OVG verlangt mehr
Transparenz von den Behörden und wird ihnen klarere Vorgaben machen.
„Das ist ein bedeutsamer Schritt für die Kindertagespflege“, sagt Holger
Anthonisen von der Gewerkschaft Ver.di, der die vier KlägerInnen vor
Gericht vertrat. Im Endeffekt wird das Urteil wohl dazu führen, dass die
Tageseltern mindestens in Bremen mehr Geld bekommen. Wie viel genau, sei
noch nicht absehbar, so Ver.di.
In Bremen bekam eine Tagesmutter 2014 – darum geht es zunächst im konkreten
Verfahren – laut Gewerkschaft nur 62 Prozent dessen, was eine Erzieherin
verdiente. Bei einer ungelernten Kraft, die in der Kindertagespflege
arbeitet, waren es schon 82 Prozent, also 1.913 Euro im Monat. Wer
alleinverantwortlich ist und Kinder auch in Randzeiten betreute, also
erschwerte Bedingungen hat, verdiente rund 200 Euro mehr. Und genau das
trifft auch auf viele Tageseltern zu.
Dennoch werden sie bis heute finanziell deutlich schlechter gestellt. In
Bremen bekamen die klagenden Tageseltern ab August 2014 genau vier Euro
Honorar pro Kind und Stunde. Davon entfallen 2,27 Euro auf den
Förderbeitrag, also den eigentlichen Lohn der Tageseltern, der Rest ist
eine Sachkostenpauschale.
Das [1][Bundesverwaltungsgericht] entschied 2018, dass 2,70 Euro je Kind
und Stunde „nicht zu beanstanden“ seien – ohne auf die hier strittigen
Fragen eingehen zu müssen. Das Bremer Sozialressort findet, dass es
[2][„weder sachfremd noch willkürlich“] sei, für Tagespflegepersonen ein
Honorar festzulegen, das unterhalb der tariflichen Vergütung liege.
Schließlich verfügten Tageseltern meist nicht über die gleiche
Qualifikation wie Kita-MitarbeiterInnen.
Stattdessen riet eine Juristin der Bremer Sozialbehörde, die
TagespflegerInnen könnten ja „Zusatzvergütungen“ von den Eltern kassieren…
und so womöglich „weitaus besser gestellt“ sein als abhängig Beschäftigte
in Kitas. Dabei wandte sich die grüne Sozialsenatorin selbst ausdrücklich
gegen solche Zusatzbeiträge, zumal in Bremen heute niemand mehr bezahlen
muss, wer sein Kind in den Kindergarten schickt. Eine leistungsgerechte
Bezahlung dürfe aber laut Gesetz nicht von solchen Zusatzbeiträgen abhängig
sein, betont Anthonisen, und deren Zulässigkeit ist rechtlich ohnehin
umstritten.
Auch bei anderen Punkten hatten die Bremer RichterInnen kritische Fragen an
die Stadt Bremen. So spielt der Förderbedarf der Kinder bei der Vergütung
der Tageseltern bisher keine Rolle, auch werden sie für Gespräche mit den
Kindeseltern – anders als Kita-Beschäftigte – nicht bezahlt.
Und obwohl unter Dreijährige in Bremen nur einen Rechtsanspruch auf 20
Stunden Betreuung pro Woche haben, gehe die Stadt Bremen von
„Maximalannahmen“ aus, um zu begründen, warum Tageseltern auch bisher
angemessen bezahlt waren, sagt Ver.di. Wer zu Hause fünf fremde Kinder
zugleich betreue und 40 Stunden die Woche arbeite, kommt laut Senat auf
steuerpflichtige 2.364 Euro im Monat, plus 1.500 Euro an steuerfreier
Sachkostenpauschale. Nur arbeiten die Tageseltern im Schnitt ein Drittel
weniger, entgegnet Ver.di, das habe bisher „keine Berücksichtigung“
gefunden.
## Die KlägerInnen bekommen rückwirkend mehr Geld
Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ließ das OVG nicht zu. Laut
Ver.di sind noch zehn weitere Verfahren anhängig. Die KlägerInnen würden
rückwirkend mehr Geld bekommen, bestätigt das Sozialressort auf Nachfrage.
Die mittlerweile für die Tageseltern zuständige Bildungsbehörde in Bremen
will „das schriftliche Urteil abwarten und auswerten“, bevor sie Stellung
nimmt.
Doch mit den neuen Vorgaben des OVG Bremen könnten Tageseltern auch
anderswo vor Gericht mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen erstreiten,
hofft Ver.di. „Das ist die wichtigste Entscheidung der letzten Jahre für
die Kindertagespflege“, schrieb auch die Rechtsanwältin Angela Heinssen auf
Facebook; sie vertritt in Norddeutschland zahlreiche Tageseltern gegen die
örtlichen Behörden.
Auch Elisabeth Lahusen, eine der vier KlägerInnen vor dem OVG, spricht von
einer „Signalwirkung“. Ihr gehe es vor allem um die „Gerechtigkeit“
zwischen den verschiedenen Arbeitsfeldern, so die 58-jährige
Diplom-Heilpädagogin – und um die Frage, ob Tageseltern auch von ihrer
Rente leben können. Sie selbst arbeitet deshalb mittlerweile in einer
Kinderkrippe – dort bekommt sie für dieselbe Arbeitszeit rund 200 Euro mehr
im Monat, und sozial besser abgesichert ist sie auch. Dabei hatten die
Eltern des von ihr betreuten Kindes erhebliche Zusatzbeiträge bezahlt.
6 Feb 2019
## LINKS
[1] https://www.bverwg.de/pm/2018/2
[2] /!5528230/
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Tagesmütter
Kinderbetreuung
Bremen
Kita
Erzieherinnen und Erzieher
Kita-Ausbau
Bildung
Kita-Gebühren
Kita
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zu wenig Kitaplätze in Bremen: Notlösung in Sicht
Mindestens 1.000 Kinder warten derzeit auf einen Kitaplatz. Die Personalnot
will die Behörde mit anderen Pädagog*innen lindern.
Tagesmütter-Protest in Berlin: Stimmt doch nicht so
Kitakrise Berlin: Weil der Senat intransparent entlohnte, müssen
Tagespflegepersonen Steuern nachzahlen. Bei ihrer Demo fordern sie
gerechtes Gehalt.
Neues Kita-Gesetz in den Bundesländern: Gebührenfreiheit nicht überall
Das sogenannte Gute-Kita-Gesetz soll deutliche Verbesserungen für Kinder
und Eltern bringen. In den Bundesländern wird es unterschiedlich umgesetzt.
Schadenersatz bei fehlendem Kita-Platz: Mütter erringen Etappensieg
Drei Mütter erhalten trotz Rechtsanspruch zu spät einen Kita-Platz. Und
können deshalb nicht in den Job zurück. Mit ihrer Klage am BGH nehmen sie
eine wichtige Hürde.
Kinderbetreuung: Etwas Besseres als Penny …
TagespflegerInnen arbeiten selbstständig, für weniger als den Mindestlohn.
Das legte die Sozialdeputation fest. Dabei ist Bremen auf sie angewiesen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.