# taz.de -- Zu wenig Kitaplätze in Bremen: Notlösung in Sicht | |
> Mindestens 1.000 Kinder warten derzeit auf einen Kitaplatz. Die | |
> Personalnot will die Behörde mit anderen Pädagog*innen lindern. | |
Bild: Dem Bedarf nach würden in dieser Bremer Kita noch viel mehr Kinderjacken… | |
BREMEN taz | 30 neue Kitas wurden seit 2016 in Bremen gebaut – laut | |
Bildungsbehörde gehört der Stadtstaat damit in Deutschland zu den | |
Vorreitern im Kitaausbau. Nicht alle neuen Gruppenräume aber sind auch | |
belegt. An der mangelnden Nachfrage liegt das nicht, im Gegenteil. | |
Es gibt schlicht nicht genügend Erzieher*innen, um ausreichend Gruppen | |
einzurichten. Für 1.000 Kinder, deren Eltern eine Betreuung wünschen, gibt | |
es keinen Platz. Das ist die Zahl, die der Behörde bekannt ist. Die | |
Elternbeiräte vermuten noch eine hohe Dunkelziffer. Der Mangel ist seit | |
Beginn des Kitajahrs im August noch um hundert Plätze angestiegen, weil | |
sich weitere Eltern angemeldet haben. | |
Besonders eklatant ist der Mangel in Vegesack mit 151 fehlenden Plätzen, | |
Hemelingen (144), Huchting (122) und der Vahr (104). In reicheren | |
Stadtteilen wie Borgfeld, Horn-Lehe, Oberneuland und der Östlichen | |
Vorstadt fehlen dagegen jeweils weniger als 20 Plätze. | |
Noch im Frühling hatte die Bildungsbehörde sich beim Kitaausbau auf einem | |
guten Weg gesehen. Doch nicht gerechnet hatte man mit den Eltern. Die | |
melden ihre Kinder immer häufiger für Kita-Plätze an, seit die Betreuung | |
für Über-Dreijährige kostenfrei geworden ist. Die tatsächliche Nachfrage | |
liegt laut Bildungsbehörde nicht nur über der Zahl der angebotenen Plätze, | |
sondern „in einigen Stadtteilen bereits über den geplanten | |
Zielversorgungsquoten“. | |
## Im Notfall tun's auch Quereinsteiger | |
Als „Zielversorgung“ gilt für Über-Dreijährige eine Versorgungsquote von… | |
Prozent, für die bis-Dreijährigen eine von 50 Prozent. Das Problem | |
beschränkt sich nicht auf Kitas. Nächstes Jahr werden 5.000 Erstklässler | |
eingeschult – 500 mehr, als 2019. Für die 16 Klassenverbände, die neu | |
eingerichtet werden, werden zunächst Container aufgestellt. Wie die 40 | |
benötigten Lehrer*innen gefunden werden sollen? Unklar. | |
Der Zentralelternbeirat (ZEB) Bremen und der Gesamtelternbeirat Katholische | |
Tagesstätten (GEB) haben sich nun mit einem Brandbrief an die Behörde | |
gewandt. „Es reicht nicht. Nichts reicht – nicht die Plätze, nicht das | |
Personal und nicht die Leistungen“, heißt es da. Die Behörde solle endlich | |
zugeben, „dass es nicht läuft, wir auf keinem guten Weg sind, sondern | |
schlichtweg auf dem Rücken unserer Kinder ins Chaos schlittern“. Man | |
brauche handfeste Lösungen für handfeste Probleme. | |
Für Martin Stoevesandt vom ZEB heißt das konkret: Im Notfall müsse man auch | |
bei der Qualität Kompromisse machen – und Quereinsteiger wählen. Besonders | |
nimmt er hier die Einstellungspraxis in Schulen in den Blick. Bisher würden | |
Referendare nur genommen, wenn sie passgenau das Stellenprofil erfüllen. | |
Bei falschen Fächerkombinationen seien sie raus. „Wir sterben hier ein | |
bisschen in Schönheit und in Formalien“, so Stoevesandt. Man solle erst | |
einmal alle Pädagog*innen nehmen. | |
## Bildungsdeputation beschließt Plan | |
„Ist ein bisschen schlechter rechnen lernen als vor 30 Jahren nicht immer | |
noch besser als gar nicht rechnen lernen 2019?“ fragen ZEB und GEB im | |
Brief. | |
Zumindest was die Kitas angeht, scheint die Landesregierung auf die | |
Elternbeiräte zu hören. In der gestrigen Sitzung der Bildungsdeputation | |
wurde ein Plan beschlossen, der erlaubt, befristet bis Mitte 2022, auch | |
Quereinsteiger*innen als Erzieher*innen einzustellen. | |
Allerdings bleibt auch dieser Quereinstieg pädagogisch Vor-Qualifizierten | |
vorbehalten. Dazu gehören berufserfahrene Kinderpfleger*innen sowie | |
Personen, die im Haupt- oder Nebenfach Pädagogik studiert haben, aber | |
beispielsweise auch Hebammen, Logopäd*innen oder Arbeitstherapeut*innen. | |
„Die multiprofessionellen Teams, die wir so bekommen, sind auch ein | |
Vorteil“, meint Bürgerschaftsabgeordnete Solveig Eschen (Grüne). | |
Über neun Monate hinweg nehmen diese Kandidat*innen neben der Arbeit in der | |
Kita an einer Nachqualifizierung teil. Insgesamt möchte die Behörde so in | |
zweieinhalb Jahren bis zu 192 Quereinsteiger*innen gewinnen. Die ersten 24 | |
sollen schon am 1. Februar mit ihrer Nachqualifizierung beginnen. | |
So richtig möchte sich niemand gegen diesen Plan zur Personalgewinnung | |
stellen: Die Oppositionsparteien in der Deputation enthalten sich; der | |
Personalrat der Kita Bremen „begrüßt alle Maßnahmen, die helfen, Personal | |
in die Kitas zu bekommen“. Kritik gibt’s trotzdem: „Ich glaube nicht, dass | |
uns die Hebammen retten werden und in Heerscharen in die Kitas rennen“, so | |
Sandra Ahrens, bildungspolitische Sprecherin der CDU. „Wir greifen hier | |
auch auf Mangelberufe zurück.“ | |
Stefanie Lehmann vom Personalrat von Kita Bremen weist darauf hin, wie | |
desillusionierend es für eine Erzieherin nach vierjähriger Ausbildung sein | |
könne, dass andere ihre Stellung mit einem 278-Stunden-Crashkurs erreichen. | |
Außerdem glaubt sie nicht an den Vorteil multiprofessioneller Teams. | |
„Die hätte ich zwar super gerne“, so Lehmann, „aber eine Logopädin kommt | |
nicht als solche in meine Einrichtung, sondern als hauptberufliche | |
Erzieherin. Die hat keine Zeit, ihre logopädischen Kenntnisse | |
einzubringen.“ | |
5 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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