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# taz.de -- Umstrittene Wahl im Kongo: Gericht erklärt Tshisekedi zum Sieger
> Das Verfassungsgericht hält Einsprüche für unbegründet. Beobachter halten
> die Präsidentschaftswahl dennoch für manipuliert.
Bild: Felix Tshisekedi hat für den Moment die Wahl gewonnen
Kampala taz | Und wieder geschah es mitten in der Nacht: Kongos
Verfassungsgericht hat kurz vor Mitternacht [1][die umstrittenen Ergebnisse
der Präsidentenwahl] vom 30. Dezember bestätigt. Die zwei Klagen des
führenden Oppositionskandidaten Martin Fayulu wurde zwar angenommen, seien
aber „mangels Beweisen unbegründet“. Kongos höchstes Gericht hat die
Wahlkommission (CENI) letztlich aufgerufen, Felix Tshisekedi zum
Präsidenten zu ernennen. Nur wenige Minuten später prostet dieser mit einem
Glas Sekt in der Hand in die Kameras und sagt: „Es ist der Kongo, der
gewonnen hat“.
Verfassungsrichter Noel Kilomba erklärte die beiden Anträge Fayulus auf
Nachzählung der Stimmen als „absurd“, da der Kläger keine ausreichenden
Beweise für Manipulationen vorgebracht habe: „Nur CENI hat authentische und
aufrichtige Ergebnisse geliefert“, versicherte der Verfassungsrichter.
Fayulu war in der vergangenen Woche mit zwei Klagen vor das Gericht
gezogen, nachdem CENI die vorläufigen amtlichen Ergebnisse bekannt gegeben
hatte. Laut diesen hat Tshisekedi die Wahl mit rund 38 Prozent gewonnen.
Zweiter wurde Martin Fayulu, Kandidat der Oppositionskoalition LAMUKA, mit
knapp 35 Prozent der Stimmen. Dritter wurde Emmanuel Shadary,
Wunschnachfolger von Präsident Joseph Kabila, mit knapp 24 Prozent.
Doch die Ergebnisse sind umstritten: Kongos Bischofskonferenz (CENCO), die
das landesweit größte unabhängige Netzwerk an Wahlbeobachtern unterhielt,
veröffentlichte ihre eigenen Resultate: Laut diesen soll Fayulu mit rund 57
Prozent deutlich gewonnen haben. Tshisekedi wurde zweiter mit rund 20
Prozent und Shadary erhielt nur rund 18 Prozent der Stimmen – ein
Stimmenverhältnis, das viele Analysten und westliche Diplomaten als
wahrscheinlich betrachten.
## Der Afrikanischen Union zuvorgekommen
Die nächtliche Erklärung des Verfassungsgerichts am Wochenende ist kein
Zufall: Die Afrikanische Union (AU) hatte am Donnerstag nach einem
außerordentlichen Treffen zahlreicher Staatschefs sowie Vertretern der
verschiedenen regionalen Organisationen Kongos Wahlkommission aufgerufen,
[2][die Verkündung der endgültigen Ergebnisse auszusetzen]. Es bestünden
„ernsthafte Zweifel“ an der Richtigkeit der Ergebnisse, so die
AU-Erklärung. Darin wird angekündigt, eine Delegation in Kongos Hauptstadt
Kinshasa zu schicken – ein heikles Unterfangen. AU-Vorsitzender und damit
Delegationsanführer ist bis Ende Januar Ruandas Präsident Paul Kagame. Und
auch wenn die Beziehungen zwischen Kagame und Kabila in jüngster Zeit
besser sind als je zuvor – so gilt er in Kinshasa dennoch als Erzfeind.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts kommt der Delegationsreise nun
zuvor. Kongos Regierungssprecher Lambert Mende sagte gegenüber der
Nachrichtenagentur AFP: “Das Gericht ist unabhängig – sowohl von uns, also
auch von der Afrikanischen Union“. Sollte die AU-Delegation die Reise nun
dennoch antreten, kommt sie am Montag evtl. gerade rechtzeitig, Tshisekedi
als neuen Präsidenten zu gratulieren. Er wäre der erste Präsident Kongos,
der seit der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Belgien durch eine
friedliche Transformation an die Macht kommt.
„Wir sind glücklich, dass die Stimme des kongolesischen Volkes erhört wurde
und dass nun eine wahre demokratische und friedliche Machtübergebe von
statten gehen wird“, so Tshisekedis Sprecher Vidiye Tshimanga. Die
Tshisekedi-Anhänger seiner Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen
Fortschritt) feierten nach Mitternacht im Stadtviertel Limite, wo sich die
Parteizentrale und das Privathaus der Tshisekedi-Familie befindet. Die UDPS
gilt als die älteste und stärkste Oppositionspartei. Felix' Vater, Etienne
Tshisekedi, galt als Ikone der Oppositionsbewegung in Kongo. Er starb 2017,
sein Sohn trat in dessen Fußstapfen. Das rivalisierende Oppositionslager um
Fayulu wirft Tshisekedi vor, einen Deal mit Kabila eingefädelt zu haben,
der auch in Zukunft im Hintergrund und durch die Mehrheit der Sitze im
Parlament für seine Koalition die Fäden ziehen kann.
## Proteste sind wahrscheinlich
Nur wenige Minuten nach der Verkündung des Verfassungsgerichts, erklärte
sich Fayulu über die sozialen Medien im Internet selbst zum Präsidenten.
„Liebe Mit-Kongolesen“, schreibt er: „Es ist kein Geheimnis innerhalb und
außerhalb des Landes, dass ihr mich mit 60 Prozent als Präsident gewählt
habt“. Er wirft dem Gericht sowie der CENI vor, „einem einzigen Individuum
und einem diktatorischen Regime zu dienen“. Die Verfassungsrichter sind
alle von Kabila eingesetzt worden. Fayulu forderte die Bevölkerung sowie
die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen.
„Ich rufe unser Volk dringend auf, sein Schicksal in die Hand zu nehmen und
friedlich zu demonstrieren“, so Fayulu.
Immerhin, die Internetdienste wurden kurz vor der Verkündung des
Verfassungsgerichts wieder angeschaltet. Die sozialen Medien waren am Tag
nach den Wahlen abgeschaltet worden, um Protestaufrufe zu vermeiden.
Proteste landesweit haben in der vergangenen Woche bereits zu Gewalt
geführt: 34 Demonstranten wurden getötet, 59 verletzt und 241 „willkürlich
verhaftet“, so das UN-Menschenrechtsbüro. Im Vorfeld er Wahl war es in
zahlreichen Landesteilen zu ethnischen Konflikten gekommen. Das
UN-Menschenrechtsbüro veröffentlichte am Donnerstag Schätzungen, wonach in
der Region Yumbi, im Westen des Landes, kapp 900 Menschen getötet worden
seien, über 450 Häuser seien zerstört und rund 16.000 Kongolesen ins
Nachbarland, die Republik Kongo geflohen seien. Die Wahlen in Yumbi am 30.
Dezember waren wegen der Sicherheitslage ausgesetzt worden, ebenso wie in
den von Ebola-betroffenen Gebieten Beni und Butembo im Osten, beides
Regionen, die mehrheitlich Fayulu unterstützen.
20 Jan 2019
## LINKS
[1] /Nach-der-Wahl-im-Kongo/!5561528
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## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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