# taz.de -- Referendum in Katalonien: Rundfunk-Chefs müssen vor Gericht | |
> In Katalonien sind zwei Direktoren öffentlich-rechtlicher Sender | |
> angeklagt. Die Programme hatten für das Unabhängigkeitsreferendum | |
> geworben. | |
Bild: Ist der Rundfunk auf ihrer Seite? Demo von Befürwortern der Abspaltung K… | |
Weil sie illegalerweise für das Unabhängigkeitsreferendum geworben haben | |
sollen, müssen sich zwei Fernsehchefs in Barcelona vor Gericht | |
verantworten. Der Direktor von TV3 Vicent Sanchis und sein Amtskollege Saül | |
Gordillo bei Catalunya Ràdio sind für kommenden Dienstag vor den | |
Ermittlungsrichter geladen. | |
Zusammen mit mehreren hohen Beamten der katalanischen Autonomieregierung, | |
der Generalitat, sind Sanchis und Gordillo des Ungehorsams und der | |
Veruntreuung öffentlicher Gelder beschuldigt. | |
Die beiden katalanischen öffentlich-rechtlichen Sender, TV3 und Catalunya | |
Ràdio, haben 2017 Werbespots ausgestrahlt, um die Bürger Kataloniens zum | |
Abstimmen zu animieren. Zum 1. Oktober 2017 hatte die damalige | |
Regionalregierung zu einem Referendum über eine Abspaltung der | |
nordostspanischen Region aufgerufen. | |
42 Prozent der Katalanen stimmten ab, [1][davon rund 90 Prozent für die | |
Unabhängigkeit] – allerdings hatte das Verfassungsgericht die Abstimmung | |
zuvor für unrechtmäßig erklärt, weshalb die Sender nicht dafür werben | |
durften, so die Anklage. Sanchis und Gordillo drohen lange Haftstrafen, | |
sollten sie verurteilt werden: Auf Veruntreuung stehen zwischen zwei und | |
sechs Jahre, auf Ungehorsam sechs bis zwölf Monate. | |
## Werbung oder Information? | |
Die Direktoren von TV3 und Catalunya Ràdio werden vom Aufsichtsrat der | |
öffentlichen Rundfunkgesellschaft CMMA bestimmt, den wiederum wählt das | |
katalanische Parlament. Núria Llorach, Chefin der CMMA, wurde bereits Ende | |
letzten Jahres vernommen. Sie erklärte gegenüber dem Gericht, dass die | |
fraglichen Werbespots von der Generalitat nicht bezahlt worden seien. | |
Die damaligen katalanische Regierung habe in den Spots eine öffentliche | |
Dienstleistung gesehen. Llorach zog einen Vergleich mit Werbung für | |
Verkehrssicherheit. Sanchis und Gordillo schweigen bislang zu den | |
Vorwürfen, Sie wollten auf Anfrage vor dem Gerichtstermin keine | |
Stellungnahmen abgeben. | |
Die katalanische Regierung soll rund zwei Millionen Euro für die | |
Vorbereitung des Referendums ausgegeben habe, sagt die Anklage. Dies will | |
die paramilitärische Polizei Guardia Civil herausgefunden haben. | |
Allerdings hat das Ganze einen Haken: Der damalige spanische | |
Finanzminister, der Konservative Cristóbal Montoro, widerspricht dem. | |
Montoro sagt, er habe bei seinen regelmäßigen Kontrollen der Ausgaben der | |
Region keinerlei Hinweise auf Zahlungen im Zusammenhang mit der | |
Volksabstimmung gefunden. „Ich weiß nicht, wie der 1. Oktober finanziert | |
wurde. Aber es war nicht mit öffentlichen Geldern“, bekräftigte Montoro | |
vergangenen April in einem Zeitungsinterview. Die Richter ermitteln dennoch | |
weiter. | |
## Opposition wirft den Sendern Einseitigkeit vor | |
Die Oppositionsparteien in Katalonien, die konservative Partido Popular und | |
die rechtsliberalen Ciudadanos, nutzen die Ermittlungen gegen Sanchis und | |
Gordillo und verlangen deren Rücktritt. Schon länger steht das | |
öffentlich-rechtliche Fernsehen TV3 bei der katalanischen Opposition in der | |
Kritik. Der Sender „manipuliere ständig“, es kämen nur Befürworter der | |
Unabhängigkeit Kataloniens zu Wort, behauptete zum Beispiel der | |
Cuidadanos-Vorsitzende Albert Rivera – ausgerechnet in einem Interview auf | |
TV3. | |
Reporter von TV3 wurden wiederholt angegriffen, vor allem bei | |
Demonstrationen gegen die katalanische Abspaltung, zu denen in der Regel | |
neben Ciudadanos und Partido Popular auch die sozialistische PSC aufruft. | |
Aber auch Teile der Befürworter der Unabhängigkeit kritisieren TV3, weil | |
dort ultranationalistische Stimmen wie die der rechten Partei VOX zu Wort | |
kommen. Sanchis verteidigte seinen Sender bereits vergangenen Herbst vor | |
dem katalanischen Parlament. TV3 biete „Stimmenvielfalt“. | |
Tatsächlich ist der katalanische Sender noch nie international wegen | |
fehlender Ausgewogenheit gerügt worden – im Gegensatz zum zentralspanischen | |
öffentlich-rechtlichen Fernsehen TVE. TVE gilt als stark von der Regierung | |
in Madrid beeinflusst, [2][dagegen protestierten zuletzt sogar die | |
Mitarbeiter]. Und während sich TV3 zweistelliger Zuschauerzahlen erfreut, | |
haben die Regionalsender dort, wo etwa die konservative Partido Popular | |
regiert, fast alle Zuschauer verloren. Zu unerträglich ist die | |
Manipulation. | |
16 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Referendum-in-Katalonien/!5451546 | |
[2] /Pressefreiheit-in-Spanien/!5504695 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Katalonien | |
Separatismus | |
Spanien | |
Barcelona | |
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
Baltazar Garzón | |
Katalonien | |
Spanien | |
Katalonien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abo-Kampagne für baskische Zeitung: Plötzlich drei Millionen Euro Schulden | |
Weil die „Gara“ die „ideologische Nachfolgerin“ eines ETA-nahen Blatts … | |
soll sie dessen Schulden zahlen. Nun startet eine Rettungskampagne. | |
Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien: Ex-Minister im Hungerstreik | |
Vier katalanische Politiker in Haft protestieren gegen das spanische | |
Verfassungsgericht. Dieses ignoriert angeblich bewusst ihre Beschwerden. | |
Prozess gegen katalanische Separatisten: Anklage fordert 25 Jahre Haft | |
Die Staatsanwaltschaft fordert lange Haftstrafen für die katalanischen | |
Separatistenführer. Die Regierung fordert, dass sie nur wegen Aufwiegelung | |
angeklagt werden. | |
Pro&Contra Kataloniens Unabhängigkeit: Ohne Spanien, mit Spanien? | |
Spaniens Regierung duldet keine Abspaltung, viele Katalanen verlangen | |
Selbstbestimmung. Ein Pro&Contra zur Unabhängigkeit. |