# taz.de -- Niedersachsen versäumt Naturschutz: Kiebitze auf dem Kieker | |
> Der Nabu hat sich bei der Europäischen Union über Niedersachsen | |
> beschwert. Die Bestände von Wiesenvögeln wie dem Kiebitz gehen vielerorts | |
> zurück. | |
Bild: Hat es in den Landkreisen Cloppenburg und Emsland schwer: der Kiebitz. | |
HANNOVER taz | Der Kiebitz ist leicht an seiner Haube zu erkennen. Zwei | |
schwarze Federn stehen ihm frech vom Kopf ab. Ein hübscher Vogel, und ein | |
schützenswerter. Seit 2015 steht er auf der Roten Liste der gefährdeten | |
Arten. Weil er auf Wiesen brütet, kommt er mit seinen Nestern leicht | |
zwischen die Klingen von landwirtschaftlichen Mähwerken. | |
Der Naturschutzbund (Nabu) kritisiert das Land Niedersachsen scharf dafür, | |
dass die Bestände des Kiebitz und anderer Wiesenvögel zurückgehen. Weil die | |
bedrohten Arten nicht ausreichend geschützt würden, hat der Nabu nun sogar | |
Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union | |
eingereicht. | |
Zwei Jahre lang haben Holger Buschmann und seine Mitstreiter*innen | |
recherchiert, Gutachten und Dokumente ausgewertet, die sie auf Grundlage | |
des Umweltinformationsgesetzes vom niedersächsischen Umweltministerium | |
bekommen haben. Demnach hat jede Person Anspruch auf Zugang zu | |
Umweltinformationen von öffentlichen Stellen. | |
Die Naturschützer haben die Situation der Wiesenvögel am Beispiel des | |
EU-Vogelschutzgebietes „Niederungen der Süd- und Mittelradde“ untersucht. | |
Das Fazit: „Wir haben es mit einem eklatanten Verstoß gegen die | |
EU-Vogelschutzrichtlinie zu tun“, sagt Buschmann. | |
## Bisher nur Kleinstmaßnahmen | |
2004 gab es laut Nabu noch 367 Kiebitze in dem knapp 4.400 Hektar großen | |
Gebiet, das sich durch die Landkreise Cloppenburg und Emsland zieht und | |
sich wie ein Mosaik aus feuchten Wiesen, Weiden und intensiv genutzten | |
Äckern und Grünlandflächen zusammensetzt. 2007 meldete das Land das | |
Vogelschutzgebiet an die EU-Kommission. | |
Doch 2018 lebten dort nicht mehr Kiebitze als zuvor, sondern nur noch 193. | |
Laut der Vogelschutzrichtlinie von 1979 dürfe sich jedoch der | |
Erhaltungszustand der Arten in einem Schutzgebiet, die zu dessen Meldung | |
geführt haben, nicht verschlechtern, sagt Buschmann. | |
Noch schlechter stehe es um die Uferschnepfe. Davon habe es in dem Gebiet | |
2004 noch 95 Tiere gegeben. 2018 seien es nur noch 15 gewesen. Als Ursache | |
sieht Buschmann die Industrialisierung in der Landwirtschaft. Wiesen würden | |
entwässert, damit man sie intensiver bewirtschaften könne. Grünland in | |
Ackerflächen umgewandelt. „Bisher gab es dagegen nur Kleinstmaßnahmen, die | |
keinem weh tun und den Wiesenvögeln letztendlich nichts bringen“, | |
kritisiert der Nabu-Vorsitzende. | |
So gingen im Zuge des Küken- und Gelegeschutzes Biolog*innen auf der Suche | |
nach den Nestern über die Wiesen und markierten diese mit Stöcken, damit | |
die Landwirt*innen hier nicht mähten. „Das führt tatsächlich dazu, dass | |
mehr Küken aus den Eiern schlüpfen“, sagt Buschmann. „Aber dann haben sie | |
anschließend nichts zu fressen, weil es viel weniger Insekten gibt.“ | |
Insbesondere in den Schutzgebieten müsse es extensive | |
Bewirtschaftungsformen geben, die Wiesenvögel bräuchten Flachgewässer und | |
die Wiesen müssten wieder vernässt werden. „Das Land muss investieren, | |
Flächen kaufen und tauschen“, sagt Buschmann. | |
Auch aus dem niedersächsischen Umweltministerium heißt es, dass die | |
Wiesenvogelbestände in den Niederungen von Süd- und Mittelradde seit der | |
Meldung als Vogelschutzgebiet „drastisch eingebrochen“ seien. Die | |
bestehenden Schutzverpflichtungen griffen nicht in der Form, wie sich | |
Landkreise und Umweltministerium dies vorstellten, sagt Sprecherin Justina | |
Lethen. „Hier besteht Optimierungsbedarf.“ Das Ministerium erarbeite | |
bereits mit den Landkreisen Lösungen. | |
Der Landkreis Cloppenburg kauft seit Jahren Flächen an und besitzt | |
mittlerweile rund 270 der gut 2.600 Hektar, die auf der Fläche des | |
Landkreises liegen. Das entspricht 378 Fußballfeldern. Die seien bereits | |
wiesenvogelverträglich angelegt, sagt Landkreissprecher Frank Beumker. | |
Zudem sei geplant, die Vorgaben für die Landwirtschaft zu verschärfen. „Es | |
ist vorgesehen, den Umbruch des Dauergrünlandes und dessen Umwandlung zu | |
untersagen“, kündigt Beumker an. Ziel sei jedoch eine „dauerhafte | |
Kooperation“ mit den im Gebiet wirtschaftenden Landwirten. | |
Das ist auch dem Landkreis Emsland wichtig. „Der Erfolg der | |
Naturschutzmaßnahmen beruht auf dem Miteinander und der Akzeptanz durch die | |
Bewirtschafter“, sagt Kreissprecherin Anja Rohde. | |
Buschmann vom Nabu mahnt unterdessen zur Eile: „Die Uferschnepfe steht | |
schon sehr kurz vor dem Aussterben.“ | |
3 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Andrea Maestro | |
## TAGS | |
Naturschutz | |
Naturschutzgebiet | |
Europa | |
Vogelschutz | |
Nabu | |
Niedersachsen | |
Naturschutz | |
Naturschutz | |
Hitze | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weniger Öffentlichkeitsbeteiligung: Naturschutz plötzlich eilig | |
Auf Druck aus Brüssel will nun auch die Region Hannover schnell | |
FFH-Naturschutzgebiete ausweisen. Die Öffentlichkeit wird künftig kürzer | |
beteiligt. | |
Versäumnis beim Naturschutz: Trödeln wird für Deutschland teuer | |
Deutschland droht eine EU-Strafe in Millionenhöhe. Denn Niedersachsen hinkt | |
mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten hinterher. | |
Brutvogelbilanz an der Nordseeküste: Verlassene Brutplätze | |
Viele Küken haben den Hitzesommer 2018 nicht überlebt. Die hohe Brutaufgabe | |
gefährdet den Bestand der Seevögel an der Nordseeküste. |