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# taz.de -- Weniger Öffentlichkeitsbeteiligung: Naturschutz plötzlich eilig
> Auf Druck aus Brüssel will nun auch die Region Hannover schnell
> FFH-Naturschutzgebiete ausweisen. Die Öffentlichkeit wird künftig kürzer
> beteiligt.
Bild: Ein FFH-Gebiet soll schnelle Hilfe für die Biber an der Leineaue zwische…
„Es tut uns ja auch leid“, sagt Klaus Abelmann, Sprecher der Region
Hannover. Nein, man könne nicht mehr das Gespräch mit allen
Bürgerinitiativen suchen. Ja, es werde weniger Beteiligungsrunden für
Bürger*innen geben. Nein, man werde nicht mehr zu allen Ratssitzungen in
die Kommunen kommen, um über neue Regeln in geplanten Naturschutzgebieten
zu informieren.
Die Öffentlichkeitsbeteiligung für die Ausweisung neuer
Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiete (FFH) soll in der Region Hannover ab
sofort nur noch sechs Wochen dauern – die vorgesehene Mindestzeit. Das hat
Umweltdezernentin [1][Christine Karasch am Dienstag im Umweltausschuss
mitgeteilt.] Bisher hatte man sich mehr Zeit mit der Beteiligung gelassen,
auch um die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen.
Doch Zeit ist nicht mehr da, schon lange nicht mehr. Schon 1979 und 1992
wurden auf europäischer Ebene die Vogelschutzrichtlinie und die
FFH-Richtlinie verabschiedet. Bereits bis Ende 2013 hätten im Rahmen des
Natura-2000-Plans europaweit geschützte Gebiete entstehen müssen. Doch
Deutschland hinkte hinterher – in Niedersachsen etwa vertrat die
Landesregierung die Position, [2][dass bestehende Schutzgebiete ausreichend
seien] und man sich nicht an die strengeren EU-Regeln halten müsse.
Seit 2014 läuft ein Beschwerdeverfahren der EU gegen Deutschland. Trotzdem
genügen heute allein in Niedersachsen noch 77 Gebiete nicht der EU-Norm.
Nach einer Rüge wird es jetzt ernst: Bis Mitte April [3][soll die
Bundesrepublik erklären, wie sie ihre Pflicht erfüllen] will, sonst droht
ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Das könnte teuer werden:
Über 800.000 Euro Bußgeld könnte die EU fordern, für jeden Tag seit
Verfahrensbeginn 2014. Die Strafe könnte vom Bund aufs Land, vom Land auf
die Landkreise übertragen werden.
## Naturschutzverbände sind für die schnellere Beteiligung
In der Region Hannover müssen von geplanten 26 FFH-Gebieten noch sieben
ausgewiesen werden: an der Unteren Leine, am Steinhuder Meer, am
Helstorfer, Schwarzen und Bissendorfer Moor, die Leineaue zwischen Hannover
und Ruthe, sowie der Fuhse-Auwald bei Uetze. „Wir müssen den Druck jetzt
leider an die eigenen Behörden und die Ehrenamtlichen weitergeben“, so
Abelmann.
Neustadt am Rübenberge ist davon direkt betroffen. Das Hellsdorfer Moor und
auch die Untere Leine liegen im Gemeindegebiet und sollen so bald wie
möglich zur FFH-Schutzzone werden – für das Moor startet der
Beteiligungsprozess jetzt. Damit trotz der kurzen Frist die wichtigsten
Einrichtungen beteiligt werden, müssen zwei Ortsräte, der Umwelt-, und der
Stadtentwicklungsausschuss zu Sondersitzungen zusammenkommen. Die Gremien
arbeiten ehrenamtlich. Im Rathaus zeigt man trotzdem Verständnis für die
neue Frist.
Auch Naturschutzorganisationen begrüßen die Einschränkung der
Bürgerbeteiligung eher – Kanuvereine und Landwirte, Angler*innen und
Förster*innen erheben nach ihrer Erfahrung oft Einspruch gegen strengere
Naturschutzregeln. „Bei der Beteiligung geht es oft nicht darum, Lösungen
für Probleme zu finden. Stattdessen wird versucht, Regeln so weit wie
möglich aufzuweichen“, sagt Holger Buschmann, Vorsitzender des Nabu
Niedersachsen. „Es muss jetzt Tempo gemacht werden, und zwar für den
Naturschutz, nicht dagegen“, sagt auch Sabine Littkemann vom BUND Region
Hannover.
Doch die Sechs-Wochen-Frist stellt auch die Naturschutzverbände selbst vor
Probleme: Sie geben den Landkreisen oft ehrenamtliche Expertisen dazu ab,
wie die Regeln für ein FFH-konformes Gebiet nach ihrer Ansicht gestaltet
werden müssten. Nun müssen sie schneller liefern.
Sorge, dass nach der verkürzten Beteiligung für Naturschutzgebiete auch
Bauprojekte schnell durchgewunken werden, hat Buschmann derweil nicht. „Das
ist doch sowieso schon der Fall“, sagt er. „Bei Bauverfahren versuchen die
Behörden immer, die Beteiligung so kurz wie möglich zu halten.“
11 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Strafen-drohen-Region-muss-Naturs…
[2] http://regions-sitzungsinfo.hannit.de/bi/vo020.asp
[3] /Streit-zwischen-EU-und-Deutschland/!5660011/
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Naturschutz
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