# taz.de -- Brutvogelbilanz an der Nordseeküste: Verlassene Brutplätze | |
> Viele Küken haben den Hitzesommer 2018 nicht überlebt. Die hohe | |
> Brutaufgabe gefährdet den Bestand der Seevögel an der Nordseeküste. | |
Bild: Viel zu wenig Nachwuchs in diesem Jahr: Basstölpel auf Helgoland | |
HAMBURG taz | Der Bestand der Seevögel an der deutschen Nordseeküste ist | |
bedroht. Viele Küken haben den Hitzesommer 2018 nicht überlebt, teilte die | |
Naturschutzgesellschaft Jordsand am Dienstag mit. „Eine so hohe Brutaufgabe | |
wurde in den letzten Jahrzehnten noch nie beobachtet“, berichtete | |
Geschäftsführerin Ina Brüning. | |
Jordsand wurde 1907 gegründet und ist damit eine der ältesten | |
Naturschutzorganisationen in Deutschland. Namensgeber war das erste | |
Vogelschutzgebiet des Vereins, die inzwischen versunkene Hallig Jordsand, | |
nordöstlich von Sylt. | |
Der Verein betreut aktuell etwa 20 Seevogel- und Naturschutzgebiete, unter | |
anderem die Inseln Neuwerk, Nigehörn, Scharhörn, Teile von Helgoland, Sylt | |
und Amrum, die Halligen Südfall, Habel und Norderoog sowie in der Ostsee | |
die Greifswalder Oie. | |
Zählungen ergaben jetzt für viele Seevogelarten auf Helgoland und an der | |
Westküste Schleswig-Holsteins einen sehr schlechten Bruterfolg, wie der | |
Verein mitteilte. Schon Ende Mai sei aufgefallen, dass in den Klippen | |
Helgolands viele Brutplätze unbesetzt waren, teilte Brüning mit. | |
Vor allem bei der Dreizehenmöwe lag die Anzahl der Brutpaare rund 40 | |
Prozent unter der des Vorjahres. Viele Dreizehenmöwen, Trottellummen und | |
Basstölpel sowie ein großer Teil der Eissturmvögel und einige Tordalke | |
brachen ihre Brut vorzeitig ab. | |
Jochen Dierschke, Leiter der Vogelwarte Helgoland, vermutet, dass vor allem | |
die extremen Wetterbedingungen für den schlechten Bruterfolg verantwortlich | |
sind. Nach einer untypischen Kältewelle im März waren Frühjahr und Sommer | |
ungewöhnlich warm und trocken. | |
Ein Großteil der Brutvogelarten brütet von April bis August in den Klippen | |
der Westseite der Insel Helgoland. Durch Hitze und fehlenden Westwind wurde | |
es dort vermutlich zu heiß für eine Brut. Durch die Brutaufgaben wirkten | |
dann im Laufe des Junis manche Bereiche der Klippe wie leergefegt. | |
Der Vogelfelsen auf Deutschlands einziger Hochseeinsel ist ein | |
einzigartiges Brutrevier für Hochseevögel. Jedes Jahr von März bis | |
September lässt sich dort eine Seevogelkolonie mit etwa 10.000 Vogelpaaren | |
beobachten. Nur hier lässt sich das Naturschauspiel des Lummensprungs | |
beobachten. Zumeist in der zweiten Junihälfte springen die etwa drei Wochen | |
alten Jungvögel aus 40 bis 50 Meter Höhe aus den Nestern am Klippenrand und | |
werden von den Eltern schwimmend auf die Nordsee hinausgeleitet. Fliegen | |
lernen sie erst Wochen später. | |
Auch die Brutvogelzählungen in anderen Jordsand-Schutzgebieten an der | |
Westküste Schleswig-Holsteins ergaben zum Teil starke Bestandseinbrüche in | |
den Kolonien der Großmöwen und der Seeschwalben. So brüteten auf der | |
nordfriesischen Insel Amrum weniger Silber- und Heringsmöwen. Sie hatten im | |
Vergleich zum Vorjahr auch weniger Küken. Auf der Hallig Norderoog | |
überlebten viele Küken die Hitzeperiode nicht. | |
Ein schlechter Bruterfolg kommt bei Seevögeln immer wieder mal vor, sagt | |
Brüning. Grund zur Beunruhigung sei das noch nicht, da die Vögel langlebig | |
seien und zum Teil 20 bis 30 Jahre Zeit hätten, um für ausreichend | |
Nachwuchs zu sorgen. „Aber die durch den Klimawandel vermehrt auftretenden | |
Extremwetter mit Hitze- und Kältewellen betrachten wir mit Sorge“, so die | |
Landschaftsökologin. | |
Weitere Brutvogelbilanzen, insbesondere aus Niedersachsen und von der | |
Ostseeküste, liegen noch nicht vor. Dass sie besser ausfallen werden, ist | |
jedoch unwahrscheinlich. | |
15 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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