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# taz.de -- Die Wahrheit: No Sleep till Nörgelbuff
> Göttingen, ach Göttingen! Nicht nur die französische Chanteuse Barbara
> verdankt der Stadt unvergessliche Erlebnisse …
Bild: Antike Ansicht des Gasthauses Bangemann in Bargfeld
Es waren die westdeutschen achtziger Jahre, als junge Schwermetallbands wie
saurer Regen auf das Zonenrandgebiet niedergingen und genauso beliebt
waren. Wir zum Beispiel hießen nicht nur Adrenalin, wir meinten es auch so
und ernteten damit schon früh: Achselzucken.
Aber wenn der Prophet im eigenen Landkreis nichts gilt, reist er in die
Fremde. Nach Göttingen. An einem Freitag im Hochsommer mit Nieselregen
ritten wir los. Ein Bekannter hatte uns seinen Bulli geliehen. „Höchstens
80“, warnte er, „sonst bricht die Eierfeile auseinander.“ Das glaubten wir
sofort.
Der Zapfer des „Nörgelbuff“ wartete schon und raubte uns sogleich alle
Illusionen. „Freitag.“ Er zog geräuschvoll Luft. „Ganz schlecht.“ Die …
war eine Ecke hinten links, vor einer grob gemauerten Wand. Eine
Verstärkeranlage gab es nicht, dafür viele Tische. Das Nörgelbuff war kein
Live-Club, sondern eine Kneipe mit freier Ecke. Es fühlte sich an wie im
Übungskeller, also gar nicht mal so übel.
Dann kamen auch schon die Gäste. Drei setzten sich direkt vor uns und
spielten Poker, fünf schienen unseretwegen gekommen zu sein und verfügten
sich mit skeptischem Blick in die entgegengesetzte Ecke. Eindeutig lokale
Muckerkonkurrenz, die mal schauen wollte, was man woanders so drauf hatte.
Ich schaute nach draußen, um den Rest hineinzubitten, aber die Straßen
waren leergefegt. Wir legten los. Es wurde gepokert und misstrauisch
geäugt, aber auch applaudiert, wie es sich gehört. Und dann gab es ja noch
den Zapfer, der nach jedem Song den Daumen hochhielt. Man konnte fast schon
sagen, dass der Funke übersprang.
„Göttingen, ihr wart wunderbar“, meinte unser Shouter schließlich. Wir
spielten den letzten Song, warteten höflich das fünfsekündige Klatschen ab
und begannen, unsere Sachen zusammenpacken. Da räusperte man sich am
Pokertisch. „Wir finden euch nicht schlecht. Wenn ihr Lust habt, spielt
ruhig noch weiter.“
„Mein Reden“, rief der Zapfer und zeigte einmal mehr seinen steil gereckten
Daumen. Ein ausverkauftes Hammersmith Odeon, das die Band partout nicht von
der Bühne gehen lassen will – so fühlte sich das an. Auf
Nörgelbuff-Verhältnisse heruntergebrochen.
„Och, warum eigentlich nicht“, sagte unser Frontmann, und dann bretterten
wir noch einmal unser ganzes Set herunter, so souverän, wie es unsere
manuellen Handicaps zuließen. Und als dann später auf dem Rückweg die
Schiebetür des Bullis abfiel, wurde es endgültig ein unvergesslicher Abend.
Neulich in Göttingen – ich war lange nicht mehr dort gewesen – sprach ich
mit Einheimischen. Plötzlich durchfuhr mich ein Erinnerungsflash. „Gibt’s
eigentlich das Nörgelbuff noch?“ Eine Frau bejahte. Sie war da gerade erst.
Eine Band habe gespielt. Leider seien nur zwei Tische besetzt gewesen.
„Haben die am anderen Tisch Karten gespielt?“, fragte ich. „Nee, wieso?“
21 Dec 2018
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Göttingen
Jugendkultur
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Rock
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