# taz.de -- Villalobos-Buch „Ich hatte einen Traum“: Sie nennen es Kühlsch… | |
> Juan Pablo Villalobos hat flüchtende Minderjährige aus Mittelamerika | |
> getroffen. In seinem Erzählband gibt ihnen der Schriftsteller eine | |
> Stimme. | |
Bild: 189.000 minderjährige Fliehende wurden seit fünf Jahren an der US-Grenz… | |
Seit Jahren schon flüchten die Menschen vor Bandenkriminalität, Gewalt und | |
Perspektivlosigkeit aus den politisch und wirtschaftlich ruinierten Staaten | |
Mittelamerikas – insbesondere aus Honduras, El Salvador oder Guatemala. | |
Ende 2018 sorgte eine [1][aus Honduras Richtung US-Grenze ziehende | |
Karawane] von über 4.000 Migranten für Schlagzeilen bis nach Europa. | |
Doch der Strom jener, die unterwegs ihr Leben aufs Spiel setzen, um in die | |
USA zu gelangen, ist kein einmaliges Phänomen. Allein 189.000 Minderjährige | |
waren es, die in den vergangenen fünf Jahren bei ihrem Übertritt in die USA | |
als unbegleitet registriert wurden. | |
Mit zehn solchen Kindern und Jugendlichen, die im Alter zwischen zehn und | |
siebzehn Jahren die gefährliche Reise allein unternommen haben, führte der | |
Schriftsteller [2][Juan Pablo Villalobos] 2016 in Los Angeles und New York | |
Interviews. Basierend auf ihren Berichten entstanden daraus zwölf | |
Erzählungen des mexikanischen Autors, die der Berliner Berenberg Verlag in | |
einem sorgfältig übersetzten Band unter dem Titel „Ich hatte einen Traum. | |
Jugendliche Grenzgänger in Amerika“ veröffentlicht hat. | |
Die Geschichte „Lieber sterbe ich unterwegs“ erzählt von der zehnjährigen | |
Nicole, die zusammen mit ihrem Bruder alles riskiert, um von Guatemala aus | |
ihre Mutter in den USA zu erreichen. Dabei wird bedrückend deutlich, wie | |
bereits für Kinder die Flucht oft den einzigen Ausweg darstellt, um Gewalt- | |
und Willkürherrschaft von Banden wie den berüchtigten Mara Salvatrucha oder | |
Barrio 18 zu entkommen. | |
## Flucht ist oft der einzige Ausweg | |
Andernfalls – und das schildert Villalobos sehr direkt in der Erzählung | |
„Die andere Seite ist die andere Seite“ – geraten Teenager wie der | |
herzkranke Santiago aus El Salvador schnell zwischen die Fronten der | |
verfeindeten Banden in ihren jeweiligen Vierteln. Schutzlos sind die | |
Familien zumeist den Übergriffen und Erpressungen ausgeliefert. | |
Und so scheint oft nur der Ausweg, die Minderjährigen alleine auf die Reise | |
zu Vater, Mutter oder Onkel zu schicken, die manchmal schon (illegal) in | |
den USA leben. Für die solchermaßen flüchtenden Mittelamerikaner ist die | |
Route quer durch Mexiko lebensgefährlich. Längst haben die dortigen | |
Drogenkartelle das lukrative Geschäft mit Erpressung, Zwangsprostitution | |
und Schleuserhandel von Migranten für sich entdeckt. | |
Mit dem schmalen Band und den kurzen Erzählstücken gelingt es | |
Schriftsteller Villalobos überzeugend, die dramatische Situation aus der | |
Perspektive von Kindern und Jugendlichen wiederzugeben. Ihre Erlebnisse | |
zeugen von der großen [3][humanitären Tragödie, die sich in Mittelamerika] | |
abspielt. Nach der strapaziösen Flucht werden die Minderjährigen beim | |
illegalen Grenzübertritt in die USA oftmals von den Behörden aufgegriffen. | |
Oder sie stellen sich freiwillig, da für jugendliche Flüchtlinge ein | |
Sonderstatus gilt. Doch bis zu drei Tage können auch sie von den | |
US-Grenzschutzbehörden festgehalten werden. | |
So erzählt Villalobos in „Ich werde ein bisschen schlafen“ die Geschichte | |
der vierzehnjährigen Kimberly aus Ahuachapán. Und von der ihr endlos | |
erscheinenden Festsetzung an der Grenze in einem Raum ohne Tageslicht. Nach | |
dem Aufenthalt in dem berüchtigten „Kühlschrank“ werden die Minderjährig… | |
weiter in Heime transportiert und dort untergebracht. Sie versuchen von | |
dort aus, ihre Familienangehörigen in den USA zu benachrichtigen. | |
In einem dieser Kinderheime in der Nähe von Chicago erlebt auch Dylan aus | |
El Salvador den ersten Schnee seines Lebens: „Er sah aus wie Watte, aber | |
als ich ihn berührte, war es pures Eis.“ Villalobos erzählt, wie der | |
Zehnjährige seine Eindrücke in einem Tagebuch festhält. Seine Aufzeichnung | |
endet am Flughafen von Los Angeles – mit dem Wiedersehen seiner Mutter. | |
Er hatte sie sich größer vorgestellt, sagt er. Denn Dylan war erst sechs | |
Monate alt gewesen, als seine Mutter in die USA gegangen war. Nur ihre | |
Stimme klang ihm vom Telefon her vertraut. | |
6 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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