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# taz.de -- Neue Aktion von „Politische Schönheit“: Wanted: Nazis!
> Ein Kunstkollektiv ruft zur Denunziation von Leuten auf, die bei den
> Aufmärschen in Chemnitz mitgelaufen sind. Das ist aus drei Gründen
> richtig.
Bild: Rechtsextreme durchlebten in Chemnitz eine Sternstunde – die Militanten…
Braucht es mehr antifaschistisches Engagement in diesen Zeiten? Widerstand
gegen faschistische Aufmärsche, praktischen Schutz für potenzielle Opfer
rassistischer Gewalt, Wissen über Strukturen und Personen der
rechtsextremen Szene?
Wer noch ganz bei Trost ist und diese Fragen mit Ja beantwortet, kann sich
freuen über die neue Aktion des Zentrums für Politische Schönheit, jener
Aktionskünstler, die sich einen „radikalen Humanismus“ auf die Fahnen
geschrieben haben.
Als Soko Chemnitz sucht das Zentrum Rechte, die sich Ende August und Anfang
September an den rassistischen Aufmärschen in der sächsischen Stadt
beteiligten. Tausende hatten in jenen Tagen den durch Asylbewerber
verursachten gewaltsamen Tod eines jungen Mannes instrumentalisiert,
Migranten durch die Straßen – ja, Herr Maaßen – gejagt, ein jüdisches
Restaurant angegriffen, ebenso Pressevertreter und Gegendemonstranten.
Für die extreme Rechte war es eine Sternstunde, vor allem auch, weil sich
der militante Teil der Bewegung mit den Schreibtisch-Faschisten der AfD
vereinigte.
## Zentrum bedient sich altbewährter Strategie
Seit Montag stellt das Zentrum für Politische Schönheit „1.524 Drückeberger
vor der Demokratie“ auf [1][einer Website] mit ihren Porträtfotos aus.
Neben bereits bekannten Personen des rechtsextremen Milieus,
Kameradschaftler und Hooligans sowie Abgeordnete der AfD, finden sich dort
vor allem Bilder von bislang Unbekannten.
Der Aufruf: „Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn
oder Bekannten und kassieren Sie Sofort-Bargeld.“ Erklärtes Ziel der
Polit-Aktivisten ist es, die rechten Demo-Teilnehmer „aus der Wirtschaft
und dem öffentlichen Dienst zu entfernen“; Tipps für Kündigungen liefert
das Zentrum gleich dazu. Belohnt werden soll, wer Namen liefert: Für
manchen Nazi sind es 5 Euro, für andere 90. Besser spiegeln kann man die
Ideologie der Ungleichwertigkeit nicht.
Die Polit-Künstler, die vor einem Jahr [2][ein Holocaust-Mahnmal vor dem
AfD-Oberhetzer] Björn Höcke aufgebaut hatten, bedienen sich einer bewährten
antifaschistischen Strategie: Sie outen jene, die sich gegen Menschenrechte
und Demokratie einsetzen.
Richtig ist das aus mindestens drei Gründen: Zuallererst ist der Widerstand
gegen Faschismus moralisch geboten. Zweitens trägt das Wissen um
potenzielle Nazischläger zum Schutz für jene bei, die sich womöglich
unwissentlich im ihrem Umfeld bewegen, als Arbeitskollegen, Nachbarn oder
Mitspieler im Fußballclub. Drittens funktioniert der Pranger als
öffentliche Ächtung und erfüllt damit einen Beitrag, rechte Ideologie und
Umtriebe einzudämmen.
## Zivilgesellschaft istmoralisch legitimiert
Es ist nichts gewonnen, wenn Rechte aus Sorge um ihren Arbeitsplatz nicht
auf die Straße gehen? Doch, ist es: Denn es sind Machtdemonstrationen wie
in Chemnitz, die den Rechten zu neuer Stärke verhelfen, sie in ihrer
Halluzination vom kommenden Umsturz noch aktiver werden lassen.
Nicht von ungefähr steigt die Anzahl rassischer Übergriffe nach solchen
Kulminationspunkten an. Innerhalb einer Woche nach dem ersten Chemnitzer
Aufmarsch gab es in der Stadt mehr rechte Gewalttaten als im ganzen Jahr
zuvor.
Wie sicher sich der rechte Mob fühlt, hat man in Chemnitz an den
massenweisen Hitlergrüßen gesehen. Und wenn es schon nicht der (sächsische)
Staat und seine Polizeibehörden sind, die den Nazis Angst machen, dann muss
es eben die Zivilgesellschaft sein. Als Akteur dieser ist das Zentrum
zumindest moralisch legitimiert, Fotos der Demo-Teilnehmer zu
veröffentlichen.
## Sachsens Landesregierung ist Teil des Problems
Die Aktivisten übertreten bewusst den presserechtlichen Grundsatz, nur
Gruppenaufnahmen öffentlicher Versammlungen zu zeigen. Es ist eine Form des
zivilen Ungehorsams. Medien, so viel sei gesagt, steht das nicht zu. Sie
müssen sich an die Regeln halten. Es bleibt daher zu kritisieren, wenn sich
die Bild-Zeitung zum Erfüllungsgehilfen der Polizei macht, wie [3][bei der
Veröffentlichung vermeintlicher Straftäter der G20-Proteste].
Richtig ist die Aktion auch, weil sie auf das Staatsversagen in und nach
Chemnitz aufmerksam macht, ein Versagen, das in der Leugnung von Hetzjagden
durch den obersten Verfassungsschützer seinen Höhepunkt fand und sich in
den nicht aufgeklärten Straftaten manifestiert.
Dass die sächsische Politik ein Teil des Problems ist, hat sich unmittelbar
gezeigt. Die Stadt Chemnitz sorgte noch am Montag dafür, dass [4][ein vom
Zentrum angemietetes Ladenlokal geräumt wurde]. Die Fahndungsplakate im
Schaufenster seien eine Verletzung des Nutzungszwecks, hieß es zur
Begründung.
Die sächsische Landesregierung mahnte die Aktivisten bereits kurz nach
Start der Soko Chemnitz-Website wegen der Verwendung des Logos der
sächsischen Standortkampagne „So geht sächsisch“ ab. Unabsichtlich haben
Stadt und Freistaat damit den ihnen vom Zentrum zugestandenen Part erfüllt.
3 Dec 2018
## LINKS
[1] https://soko-chemnitz.de/
[2] /Pro-und-Contra-Kunstaktion-in-Bornhagen/!5465806
[3] /Medien-und-die-G20-Straftaeterverfolgung/!5500574
[4] https://www.freiepresse.de/chemnitz/chemnitzer-polizei-beendet-aktion-des-z…
## AUTOREN
Erik Peter
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