# taz.de -- Fernsehfilmfestival in Baden-Baden: Der Voltaire der ARD | |
> Beim 30. Fernsehfilmfestival in Baden-Baden wurde der Filmproduzent Hans | |
> Albich gewürdigt. Die Jury war in diesem Jahr jünger und weiblicher. | |
Bild: Dass die Studierendenjury keinen „richtigen“ Preis für einen ganzen … | |
Baden-Baden taz | Wer „B“ sagt, muss auch „A“ sagen, das war in Baden-B… | |
schon immer so. Und dieses Jahr galt es nochmal ganz besonders, schließlich | |
ging es nicht nur um den 30. Durchgang des Festivals, sondern auch um Hans | |
Abichs 100. Geburtstag. Abich war in den 1950ern und 1960ern erfolgreicher | |
Filmproduzent („Wir Wunderkinder“, „Buddenbrooks“), dann ARD-Intendant,… | |
Schluss Programmdirektor des Ersten. | |
In gleich zwei großen Würdigungen ging es um all das, was heute im | |
Fernsehen vermisst wird, und was Abich hatte: Mut, Begeisterung, Neugier, | |
Bildung – „er war eine Spielernatur, die schon Szenen entwirft, während die | |
anderen noch im Schattenreich dämmern“ – kurzum: Er war „der Voltaire der | |
ARD“. | |
Daher hätte Abich sicherlich gefallen, was da im letzten Jahr in | |
Baden-Baden los war. Die Studierendenjury, die parallel zur „großen“, mit | |
namhaften Branchennasen besetzten Jury tagenden Filmnachwuchstruppen aus | |
Babelsberg (Filmuniversität Konrad Wolff), von der HFF München und der | |
Filmakademie Ludwigsburg, hatte sich nämlich herausgenommen, 2017 keinen | |
Preis zu vergeben. Zu seicht, oberflächlich und uninspiriert sei das, was | |
in Baden-Baden nominiert war. | |
Wie recht sie damit hatte, zeigten die Reaktionen: Das Auswahlreglement | |
wurde geändert, die das Festival auslobende Deutsche Akademie der | |
Darstellenden Künste setzte erstmals eine Vorauswahlkommission ein. Die | |
„große“ Jury unter Vorsitz [1][der ehemaligen BR-Fernseh- und heutigen | |
Filmhochschul-Chefin Bettina Reitz wurde deutlich verjüngt – und | |
weiblicher.] Auch wenn die kurzfristig verhinderte Senta Berger durch den | |
Regisseur Michael Verhoeven ersetzt wurde: Da hat was gewirkt. | |
## Im Krieg verheizt | |
Zwölf – schon ausgestrahlte – Filme stehen in Baden-Baden im Wettbewerb, | |
die Jury tagt öffentlich vor Publikum und auch die Studierenden geben nun | |
ihre Eindrücke gleich im Saal und nicht erst abends an der Bar zu | |
Protokoll. Das macht dieses Festival zu einem der demokratischsten und | |
transparentesten überhaupt. | |
Neben Reitz und Verhoeven saßen da also „Bad Banks“-Headautor Oliver | |
Kienle, die Regisseurin Julia Von Heinz („Katharina Luther“) und die | |
FAZ-Literaturkritikerin Sandra Kegel. Und auf 3sat laufen alle Filme noch | |
einmal – soweit vertreten, auch die der Privatsender – woraus der | |
Zuschauerpreis wird. | |
Der ging mit „Erich Kästner und der kleine Dienstag“ über die so gar nicht | |
fiktive Geschichte des Kinderbuchautors und seinem im Krieg verheizten | |
Erstleser und Impulsgeber völlig in Ordnung, auch wenn der Film eher | |
konventionell gemacht ist. Dass sah beim großen Gewinner „Fremder Feind“ | |
mit einem grandiosen Schauspieler-Duo Barbara Auer und Ulrich Matthes schon | |
ganz anders aus: Er schildert eine bis an die existenziellen Grenzen | |
gehende Trauerarbeit um einen Sohn, der heute als Soldat ums Leben kommt. | |
Sonderpreise gab es für Dani Levys in einem Take gedrehten „Tatort – Die | |
Musik stirbt zuletzt“ sowie einen Darstellerpreis für Elisa Schlott und | |
Hassan Akkouch in „Fremde Tochter“. | |
## Mulmiges Gefühl | |
Dass die Studierendenjury auch 2018 keinen „richtigen“ Preis für einen | |
ganzen Film vergab, sondern explizit Pia Hierzeggers Drehbuch zur | |
ORF-Familiensatire „Die Notlüge“ auszeichnete (diese Einschränkung wurde | |
bei Preisverleihung eher mal unsouverän ignoriert), hätte Abich sicher | |
wieder gut gefallen. | |
Und vielleicht hätte auch ihn bei einigen Jury-Diskussionen ein mulmiges | |
Gefühl beschlichen, weil man nicht ganz den Eindruck loswurde, dass die | |
Jüngeren ihre mutigen, kritischen Sätze nach einem Blick über die im Saal | |
versammelten Sender-RedakteurInnen wieder einen kleines bisschen zu | |
entschärfen versuchten. Von „durchgegängelten Programmentscheidungen“ wur… | |
in einer der beiden Reden auf Abich gesprochen. Und es ist nicht von der | |
Hand zu weisen, dass der Programmdirektor des Ersten [2][nicht mehr | |
Voltaire, sondern Volker Herres heißt.] | |
2 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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