# taz.de -- Textilarbeiter für KiK und Co. in Asien: 85 Euro Mindestlohn – i… | |
> Die Arbeitsmethoden bei KiK und anderen Modehändlern in Asien haben sich | |
> verbessert. Die Gehälter bleiben allerdings mies. | |
Bild: K.O. durch KiK und Co.: Protest in Berlin gegen Arbeitsbedingungen bei Mo… | |
BERLIN taz | Wenn das Landgericht Dortmund an diesem Donnerstag über den | |
Brand in der KiK-Zulieferfabrik verhandelt, geht es auch um die großen | |
Fragen. Hat der Textil-Discounter aus den katastrophalen Unfällen in | |
Pakistan 2012 und Bangladesch 2013 gelernt? Sind die Arbeitsbedingungen | |
heute besser? | |
Die Fälle: Beim Brand von Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan, 2012 | |
starben 259 Arbeiter*innen. Beim [1][Einsturz des Fabrikkomplexes Rana | |
Plaza] bei Dhaka, Bangladesch, 2013, wurden 1.138 Beschäftigte getötet. In | |
dem Pilotprozess in Dortmund wollen die Anwälte von vier | |
Ali-Enterprises-Opfern nun Schmerzensgeld von KiK erklagen. Kämen sie damit | |
durch, stiege der Druck auf hiesige Firmen, Verantwortung für die Zustände | |
in ihren Zulieferfabriken zu übernehmen. Möglicherweise endet das Verfahren | |
allerdings ohne Entscheidung in der Sache, weil die Vorfälle verjährt sein | |
könnten. | |
Trotzdem hat sich bei KiK und vielen anderen Bekleidungshändlern in den | |
vergangenen Jahren etwas getan. Gut 6 Millionen Dollar (rund 5 Millionen | |
Euro) zahlte der Textil-Discounter bereits als Entschädigungen an die | |
Familien der Toten und die Verletzten von Ali Enterprises – unter | |
Vermittlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Insgesamt 10.000 | |
Euro pro Kopf sind für Arbeiterfamilien in Pakistan und Bangladesch viel | |
Geld. Auch die Juristin Miriam Saage-Maaß, die den Prozess gegen KiK in | |
Dortmund betreibt, hält das für ein gutes Ergebnis. Die Geschädigten von | |
Rana Plaza erhielten ebenfalls Entschädigungen. | |
## Mehr Feuerlöscher | |
Zudem betont KiK, dass die Fabriken viel sicherer seien als früher – mehr | |
Feuerlöscher, bessere Fluchtwege, stabilere Bauweise. Die Kritiker*innen | |
sehen das ähnlich. Nach Rana Plaza wurde in Bangladesch die Organisation | |
Accord gegründet, die Kontrolleure in die Produktionsstätten schickt. Auf | |
eigene Faust habe man ein ähnliches System in Pakistan etabliert, sagt KiK. | |
Aktuell freilich will die Regierung von Bangladesch Accord wieder loswerden | |
– möglicherweise auf Druck der dortigen Textilproduzenten, denen die | |
Gebäudesicherheit zu teuer wird. | |
Ökologisch sind ebenfalls gewisse Fortschritte zu verzeichnen. Im Rahmen | |
des Textilbündnisses von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) – nach Ali | |
Enterprises und Rana Plaza gegründet – vereinbarten viele hiesige | |
Textilhändler, umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe aus der Produktion | |
zu verbannen. Das ist im Gange. Der Anteil nachhaltig angebauter Baumwolle | |
soll steigen. KiK hat da aber noch was vor sich: 2019 wird der Anteil von | |
„organic cotton“ erst auf 0,45 Prozent der insgesamt verwendeten | |
Baumwollmenge wachsen. | |
Die schwierigsten Themen sind [2][die Löhne und Arbeitszeiten der | |
Beschäftigten in den Zulieferfabriken]. Hierbei passiert bisher wenig bis | |
nichts. Beispiel Bangladesch: Der staatlich festgesetzte Mindestlohn steigt | |
dort im Dezember auf etwa 85 Euro. Nicht pro Tag, sondern pro Monat. Für | |
ein akzeptables Leben, sagen Gewerkschafter*innen, bräuchten die | |
Arbeiterfamilien die drei- bis vierfache Summe. | |
## Deutlich höhere Löhne abgelehnt | |
Wie fast alle anderen Textilhändler weigert sich auch KiK, die Besitzer der | |
Zulieferfabriken zu verpflichten, den Beschäftigten einfach deutlich höhere | |
Löhne zu zahlen. Dann bleibe man alleine auf den Kosten sitzen, lautet ein | |
Gegenargument. Die Konkurrenz, die in denselben Firmen fertigen lasse, | |
ziehe nicht mit. | |
Stattdessen setzt sich KiK für höhere Mindestlöhne ein und will an | |
Tarifverhandlungen in den Produktionsländern mitwirken. Das mag in | |
Kambodscha, Bangladesch oder Pakistan irgendwann funktionieren, kann aber | |
Jahrzehnte dauern. Bis dahin müssten die Näher*innen weiter mit ihren | |
Armutslöhnen zurechtkommen. | |
Politisch trägt der Prozess in Dortmund vielleicht dazu bei, dass der | |
Bundestag doch irgendwann ein Gesetz für Unternehmensverantwortung | |
beschließt. Bisher steht die Regierung auf dem Standpunkt, die Wirtschaft | |
solle sich freiwillig bewegen. Die Kampagne für Saubere Kleidung und die | |
Juristen-Organisation ECCHR, die in Dortmund klagt, fordern solch ein | |
Gesetz schon lange. Nun ist auch KiK-Chef Patrick Zahn dafür. Weil er seine | |
Firma alleine an den Pranger gestellt sieht, befürwortet er eine Regelung | |
für die gesamte Branche – ein Erfolg der Kritiker-Kampagne. | |
Immerhin bewegt sich der Textil-Discounter – im Gegensatz zu vielen anderen | |
Unternehmen. Firmen, die wie KiK im Textilbündnis mitmachen, decken nur die | |
Hälfte des Umsatzes auf dem bundesdeutschen Textilmarkt ab. Die andere | |
Hälfte macht einfach weiter wie früher. | |
28 Nov 2018 | |
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[1] /Fabrikeinsturz-in-Bangladesch-2013/!5530641 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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